Allzweckwaffe
Charismatisches Zentrum des Science-Fiction-Melodrams, wie Bonello es nennt, ist Frankreichs Cine-Allzweckwaffe Léa Seydoux, die in Bond-Filmen ebenso gute Figur macht wie in den verschrobenen Petitessen eines Quentin Dupieux – oder in Bonellos eigenwilliger Filmkunst. Sie spielt Gabrielle, der in den Pariser Salons der Jahrhundertwende der junge Louis (George MacKay) begegnet. Ihm vertraut sie ihre Ängste an: Sie fürchte, es werde ihr etwas Schreckliches zustoßen. Ein Biest warte nur darauf, sie zu kriegen. Eine tiefe Angst, die Gabrielle in ihrem Mäandern durch die Zeit ständig begleitet.
Bonello arbeitete zum dritten Mal mit Seydoux (nach ,Saint Laurent“ und ,De la guerre“) und schrieb ihr die Rolle auf den Leib. „Sie ist alterslos, kann Figuren in jeder Zeit und Epoche darstellen“, sagt der Regisseur. „Ihre Aura ist mysteriös: Auch wenn du die Kamera stundenlang auf sie richtest, weißt du nie genau, was in ihr vorgeht. Das ist eine außergewöhnliche Qualität – die Kamera liebt dieses Undurchdringliche. Léa ist für mich stärker als die Kamera“.
Das titelgebende Biest ist für Bonello etwas, das stets präsent und fühlbar ist, man aber nie zu sehen bekommt. Eine abstrakte Ahnung von Schrecklichem, ein Menetekel, das die Seele zerfrisst. Bonello interpretiert das Biest „als Angst vor der Liebe. Aber bis die Protagonisten des Films das erkennen, ist es für sie schon zu spät.“
Konkurrenzprojekt
Interessanterweise nahm sich der in Paris lebende österreichische Filmemacher Patric Chiha dieselbe Kurzgeschichte von Henry James zur Vorlage und machte daraus „Das Biest im Dschungel“ – ein völlig anderer Film. Bonello wusste von Anfang an davon: „Als wir draufkamen, dass wir Filme auf Basis desselben Buchs machen wollen, trafen wir uns auf einen Kaffee. Es war schnell klar, dass wir uns nicht in Quere kommen.“
Der 56-Jährige genießt den zweifelhaften Ruf eines „Bad Boys des Kinos“. Wohl auch wegen seiner kontroversen Filme über Sexualität und Prostitution wie „Das Haus der Sünde“. Wie erklärt er sich diese Zuschreibung?
Bonello: „Ich denke nicht, dass es mit mir persönlich zu tun hat, sondern eher mit meiner Arbeitsweise. Ich lasse mir nichts dreinreden und lege größten Wert auf meine Freiheit. Viele französische Filme sehen für mich gleich aus, wie vom Reißbrett. In so eine Schublade lasse ich mich nicht stecken.“
Die Scores seiner Filme komponiert er selbst. „Musiker ist eigentlich mein erster Beruf“, sagt er. Er habe schon als Kind Klavier gespielt und eine klassische Ausbildung genossen, wollte Dirigent werden. Die Musik sei für ihn genauso wichtig wie das Buch. „Oft komme ich beim Schreiben nicht weiter und habe das Gefühl, der Film braucht Musik. Dann gehe ich in mein Studio und versuche, die richtigen Töne und Klangfarben zum Text zu finden“.
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