Stipsits nach 200.000 Kinobesuchern: Nicht alle glaubten an "Griechenland"
An diesem Wochenende hat „Griechenland“ die Schwelle von 200.000 Kinobesuchern überschritten. Hauptdarsteller und Co-Autor Thomas Stipsits ist selbst überrascht vom Ausmaß des Erfolgs seiner neuen Kino-Komödie: „Ich finde es schön, dass der Film erreicht hat, dass viele Leute ins Kino gehen und sagen: Ma, leiwand war’s! Wir bekommen sogar Videos zugeschickt, wo man sieht, wie die Leute die Schlussnummer mitsingen.“
„Irgendwann bleib i dann dort“, heißt das legendäre Aussteigerlied. Aber „noch is’s ned soweit“ für heimische Kinobetreiber, auszusteigen – denn die Kinozahlen sorgen derzeit für positive Stimmung.
Bis vergangenen Sonntag wurden in Österreich im laufenden Jahr 2,39 Mio. Kinotickets verkauft, wie aktuelle Zahlen der Wirtschaftskammer zeigen. Im gleichen Zeitraum 2019 waren es 2,76 Mio. Somit scheint die coronabedingte Delle (im Vorjahr bis 20. März nur 1,6 Mio. Tickets) weitgehend repariert.
KURIER: Nach vier Wochen hat "Griechenland" schon rund 200.000 Besucherinnen und Besucher in die Kinos gelockt. Wie geht es Ihnen damit?
Thomas Stipsits: Ich finde es schön, dass der Film erreicht hat, dass viele Leute ins Kino gehen und sagen; Ma, leiwand war’s! Wir bekommen sehr viele Videos zugeschickt, wo man sieht, wie die Leute die Schlussnummer mitsingen. Da merkt man eine große Freude, und dass die Leute mit einem guten Gefühl aus dem Film rausgehen.
Hat Sie der Zuspruch überrascht?
In der Form hat mich der Erfolg schon überrascht. Aber es kommen heuer noch weitere tolle Filme im Komödiensektor aus Österreich heraus. Der nächste ist "Hals über Kopf " mit Otto Jaus und Miriam Fussenegger. Also geht’s wieder rein, schaut’s euch das an! Die Konkurrenz aus Hollywood ist groß.
Komödien haben es manchmal schwer mit der Finanzierung. Wie war das bei "Griechenland"?
Ich wollte einen Film machen, der Griechenland und die Menschen dort zeigt. ÖFI-Direktor Roland Teichmann zum Beispiel hat immer an diese Idee geglaubt. Man muss aber auch sagen, dass einige Leute nicht an dieses Projekt geglaubt haben. In der einen oder anderen Förderstelle hat man gemeint, dass dieses Drehbuch nicht funktioniert. Manche meinten: Traut’s euch überhaupt, das zu verfilmen? Andere haben sich dafür eingebracht mit Ideen, an welchen Schrauben man noch drehen kann. Ich hab den Leuten jedenfalls gesagt: Ich kenn' das Land seit 20 Jahren, ein bisschen Vertrauen kann man da schon haben.
Glauben Sie, dass das der österreichischen Kinokomödie weiteren Auftrieb gibt?
Wie schon bei "Love Machine 1" kann man sagen: Die österreichische Komödie ist noch da und man muss sich nicht schämen, wenn man sich so einen Film anschaut. Natürlich sind wir nicht „John Wick 4“, wo eine Explosion so viel kostet wie ein ganzer österreichischer Film. (lacht)
Zugpferd
Der Umsatz im laufenden Jahr lag demnach sogar über dem Wert von 2019, was die WKO darauf zurückführt, dass die Tickets für das Zugpferd „Avatar: The Way Of Water“ durch 3D und Überlänge teurer waren. James Camerons Kino-Spektakel avancierte sogar zum umsatzstärksten Film, der jemals in heimischen Kinos lief und holte mit bisher 1,15 Mio. Karten zudem ein „Diamond Ticket“, was hierzulande nur alle paar Jahre gelingt.
Bei Österreichs größter Kinokette Cineplexx freut man sich über den „stark positiven Trend“, sagte CEO Christian Langhammer dem KURIER. Der Vergleich mit 2019 finde „auf sehr hohem Niveau“ statt, da 2019 das weltweit erfolgreichste Kinojahr aller Zeiten war, „das dichte Line-up mit zahlreichen Blockbustern lässt uns aber sehr positiv auf die nächsten Monate blicken.“
2022 sei auch deshalb ein schwieriges Jahr gewesen, weil viele Filmstudios aus Angst vor einem weiteren Pandemieherbst und -winter viele Starts auf 2023 verschoben hätten, was zu „weniger Kino-Content im vergangenen Herbst“ geführt habe. „Eine hohe Filmdichte bedeutet nicht nur, dass viele Filme gezeigt werden. Damit können wir auch unterschiedlichste Genres anbieten und damit diverse Zielgruppen bedienen“, sagt Langhammer. So überzeuge etwa „Griechenland“ „mit einem ganz besonderen Schmäh, der typisch für Österreich ist“. Der Film ziehe ein vergleichsweise älteres Publikum an.
„Manta Manta – Zwoter Teil!“ (30.3.)
„Der Super Mario Bros. Film“ (5.4.)
„Arielle, die Meerjungfrau“ (25.5.)
„Spider-Man: Across the Spider-Verse“ (2.6.)
„Indiana Jones 5“ (29.6.)
„Mission: Impossible Dead Reckoning 1“ (13.7.)
„Barbie“ (21.07.)
Eberhofer-Krimi„Reh-Ragout- Rendezvous“ (3.8.)
Pizzera und Jaus in „Pulled Pork“ (6.10.)
„Aquaman – Lost Kingdom“ (22.12.)
Abo-Modell
Ein junges Publikum unter 30 spricht hingegen das Nonstop-Kino-Abo an, das seit 16. März für ausgewählte Programmkinos erhältlich ist (unter nonstopkino.at) und zum Besuch fast aller dort gezeigten Filme berechtigt. Sabine Hofmann zeigt sich „sehr zufrieden mit dem Start, es wurden bereits 1.500 Abos abgeschlossen.“
In den von ihr geleiteten Wiener Kinos, dem Filmcasino und dem Filmhaus am Spittelberg, zeige sich der eingangs erwähnte Erfolgstrend ebenfalls, bestätigt Hofmann: „Die Menschen verspüren wieder verstärkt Lust auf kulturelle Ausflüge, kommen von der Couch zurück in den Kinosaal.“ Der Erfolg von „Griechenland“ und Adrian Goigingers Familiengeschichte „Der Fuchs“ (mehr als 110.000 Besucher) würde die Bandbreite aufzeigen, die es hier zu entdecken gibt.
Mehrwert
Eine Bandbreite an heimischen Kinofilmen, die sich zu erweitern scheint. Firmen, die zuletzt stark auf TV und Streaming setzten, wenden sich wieder dem Kino zu. Oliver Auspitz (MR Film) produziert mit dem Action-Komödien-Drama „Hades“ seinen ersten Kinofilm seit „Bad Fucking“ (2013). Er führt das aufs neue Filmanreizmodell ÖFI+ zurück, das dem Österreichischen Filminstitut (ÖFI), der entscheidenden Förderstelle für heimische Kinofilme, viel mehr Geld in die Hand gibt (bis zu 35 Prozent der Produktionskosten). Dadurch sei „eine neue Möglichkeit gegeben, nicht nur durch die Kommission geförderte Projekte, sondern auch kommerzielle Projekte zu machen“.
Die Gesamtfinanzierung mit ÖFI selektiv und ÖFI+ ermögliche nun „Budgets, die es mittlerweile für größere Filme braucht“, sagt Auspitz. „Wenn du heute einen Film mit zwei Millionen Euro Budget machst, bist du sehr limitiert in der Erzählweise.“ Aber gerade Kino müsse heute einen klaren Mehrwert zum Fernsehen schaffen, „damit sich die Menschen von der Couch ins Kino bewegen“.
Komödie kein Selbstläufer
„Der österreichische Humor zieht sehr gut, wie man auch an den ,Love Machine`-Filmen gesehen hat“, sagt Cineplexx-Chef Langhammer. Dennoch ist Komödienkost aus Österreich kein Selbstläufer. Thomas Stipsits erzählt: „Einige Leute haben nicht an ,Griechenland‛ geglaubt. In der einen oder anderen Förderstelle habe es geheißen: „Traut’s euch überhaupt das zu verfilmen?“ Das Drehbuch musste die eine oder andere Extrarunde in Kommissionen drehen. – allerdings nicht beim Österreichischen Filminstitut. „ÖFI-Direktor Roland Teichmann hat immer an diese Idee geglaubt“, sagt Stipsits.
Kritischer gegenüber dem ÖFI zeigte sich kürzlich Kabarettist Alfred Dorfer im KURIER-Gespräch: „Es war immer schwer, Komödien durchzubringen.“ Die Kult-Komödie „Muttertag“ von 1993 sei zum Beispiel drei Mal abgelehnt worden.
Für Teichmann, seit 2004 an der Spitze des ÖFI, sind das „Geschichten „aus dem letzten Jahrhundert, das ist längst vorbei. Die Realität ist, dass in der Filmförderung keine Angst vor publikumsorientierten Filmen besteht. Es geht immer um die Balance. Wir werden sicher nicht auf künstlerische Exzellenz verzichten, genauso wenig auf populärkulturelle Qualität.“
Auch wenn die neue Förderschiene ÖFI+ ohne inhaltliche Entscheidungen vergeben wird, sei die weiter bestehende selektive Filmförderung, die hinzukommt, „nach wie vor entscheidend“, sagt Teichmann. „Inzwischen bewegt sich ein normales Spielfilmbudget bei 3 Millionen Euro.“ Das sei im kleinen Heimatmarkt nicht an den Kinokassen refinanzierbar.
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