Stipsits nach 200.000 Kinobesuchern: Nicht alle glaubten an "Griechenland"

„Griechenland“:  Publikumslieblinge Thomas Stipsits, Andreas Vitásek (re.) und Margarethe Tiesel
Nach der Covid-Krise füllen sich die Kinos wieder. Das Vor-Pandemie-Niveau ist in Griffweite. Auch heimische Filme erzielen beachtliche Zahlen, allen voran die Thomas-Stipsits-Komödie "Griechenland".

An diesem Wochenende hat „Griechenland“ die Schwelle von 200.000 Kinobesuchern überschritten. Hauptdarsteller und Co-Autor Thomas Stipsits ist selbst überrascht vom Ausmaß des Erfolgs seiner neuen Kino-Komödie: „Ich finde es schön, dass der Film erreicht hat, dass viele Leute ins Kino gehen und sagen: Ma, leiwand war’s! Wir bekommen sogar Videos zugeschickt, wo man sieht, wie die Leute die Schlussnummer mitsingen.“

„Irgendwann bleib i dann dort“, heißt das legendäre Aussteigerlied. Aber „noch is’s ned soweit“ für heimische Kinobetreiber, auszusteigen – denn die Kinozahlen sorgen derzeit für positive Stimmung.

Bis vergangenen Sonntag wurden in Österreich im laufenden Jahr 2,39 Mio. Kinotickets verkauft, wie aktuelle Zahlen der Wirtschaftskammer zeigen. Im gleichen Zeitraum 2019 waren es 2,76 Mio. Somit scheint die coronabedingte Delle (im Vorjahr bis 20. März nur 1,6 Mio. Tickets) weitgehend repariert.

Zugpferd

Der Umsatz im laufenden Jahr lag demnach sogar über dem Wert von 2019, was die WKO darauf zurückführt, dass die Tickets für das Zugpferd „Avatar: The Way Of Water“ durch 3D und Überlänge teurer waren. James Camerons Kino-Spektakel avancierte sogar zum umsatzstärksten Film, der jemals in heimischen Kinos lief und holte mit bisher 1,15 Mio. Karten zudem ein „Diamond Ticket“, was hierzulande nur alle paar Jahre gelingt.

Bei Österreichs größter Kinokette Cineplexx freut man sich über den „stark positiven Trend“, sagte CEO Christian Langhammer dem KURIER. Der Vergleich mit 2019 finde „auf sehr hohem Niveau“ statt, da 2019 das weltweit erfolgreichste Kinojahr aller Zeiten war, „das dichte Line-up mit zahlreichen Blockbustern lässt uns aber sehr positiv auf die nächsten Monate blicken.“

2022 sei auch deshalb ein schwieriges Jahr gewesen, weil viele Filmstudios aus Angst vor einem weiteren Pandemieherbst und -winter viele Starts auf 2023 verschoben hätten, was zu „weniger Kino-Content im vergangenen Herbst“ geführt habe. „Eine hohe Filmdichte bedeutet nicht nur, dass viele Filme gezeigt werden. Damit können wir auch unterschiedlichste Genres anbieten und damit diverse Zielgruppen bedienen“, sagt Langhammer. So überzeuge etwa „Griechenland“ „mit einem ganz besonderen Schmäh, der typisch für Österreich ist“. Der Film ziehe ein vergleichsweise älteres Publikum an.

Stipsits nach 200.000 Kinobesuchern: Nicht alle glaubten an "Griechenland"

Bereits 1,15 Millionen Besucher für den US-Blockbuster „Avatar: The Way of Water“

Abo-Modell

Ein junges Publikum unter 30 spricht hingegen das Nonstop-Kino-Abo an, das seit 16. März für ausgewählte Programmkinos erhältlich ist (unter nonstopkino.at) und zum Besuch fast aller dort gezeigten Filme berechtigt. Sabine Hofmann zeigt sich „sehr zufrieden mit dem Start, es wurden bereits 1.500 Abos abgeschlossen.“

In den von ihr geleiteten Wiener Kinos, dem Filmcasino und dem Filmhaus am Spittelberg, zeige sich der eingangs erwähnte Erfolgstrend ebenfalls, bestätigt Hofmann: „Die Menschen verspüren wieder verstärkt Lust auf kulturelle Ausflüge, kommen von der Couch zurück in den Kinosaal.“ Der Erfolg von „Griechenland“ und Adrian Goigingers Familiengeschichte „Der Fuchs“ (mehr als 110.000 Besucher) würde die Bandbreite aufzeigen, die es hier zu entdecken gibt.

Stipsits nach 200.000 Kinobesuchern: Nicht alle glaubten an "Griechenland"

Das Kinodrama „Der Fuchs“ ist mit 110.000 Besuchern ein heimischer Publikumserfolg 

Mehrwert

Eine Bandbreite an heimischen Kinofilmen, die sich zu erweitern scheint. Firmen, die zuletzt stark auf TV und Streaming setzten, wenden sich wieder dem Kino zu. Oliver Auspitz (MR Film) produziert mit dem Action-Komödien-Drama „Hades“ seinen ersten Kinofilm seit „Bad Fucking“ (2013). Er führt das aufs neue Filmanreizmodell ÖFI+ zurück, das dem Österreichischen Filminstitut (ÖFI), der entscheidenden Förderstelle für heimische Kinofilme, viel mehr Geld in die Hand gibt (bis zu 35 Prozent der Produktionskosten). Dadurch sei „eine neue Möglichkeit gegeben, nicht nur durch die Kommission geförderte Projekte, sondern auch kommerzielle Projekte zu machen“.

Die Gesamtfinanzierung mit ÖFI selektiv und ÖFI+ ermögliche nun „Budgets, die es mittlerweile für größere Filme braucht“, sagt Auspitz. „Wenn du heute einen Film mit zwei Millionen Euro Budget machst, bist du  sehr limitiert in der Erzählweise.“ Aber gerade Kino müsse  heute einen klaren Mehrwert zum Fernsehen schaffen, „damit sich  die Menschen von der Couch ins Kino bewegen“. 

Komödie kein Selbstläufer

„Der österreichische Humor zieht sehr gut, wie man auch an den ,Love Machine`-Filmen gesehen hat“, sagt Cineplexx-Chef Langhammer. Dennoch ist Komödienkost aus Österreich kein Selbstläufer. Thomas Stipsits erzählt: „Einige Leute haben nicht an ,Griechenland‛ geglaubt. In der einen oder anderen Förderstelle habe es geheißen: „Traut’s euch überhaupt das zu verfilmen?“ Das Drehbuch musste die eine oder andere Extrarunde in Kommissionen drehen. – allerdings nicht beim Österreichischen Filminstitut. „ÖFI-Direktor Roland Teichmann hat immer an diese Idee geglaubt“, sagt Stipsits.

Kritischer gegenüber dem ÖFI zeigte sich kürzlich Kabarettist Alfred Dorfer im KURIER-Gespräch: „Es war immer schwer, Komödien durchzubringen.“ Die Kult-Komödie „Muttertag“ von 1993 sei zum Beispiel drei Mal abgelehnt worden.

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ÖFI-Direktor Teichmann: „Es geht um Balance“

Für Teichmann, seit 2004 an der Spitze des ÖFI, sind das „Geschichten „aus dem letzten Jahrhundert, das ist längst vorbei. Die Realität ist, dass in der Filmförderung keine Angst vor publikumsorientierten Filmen besteht. Es geht immer um die Balance. Wir werden sicher nicht auf künstlerische Exzellenz verzichten, genauso wenig auf populärkulturelle Qualität.“

Auch wenn die neue Förderschiene ÖFI+ ohne inhaltliche Entscheidungen vergeben wird, sei die weiter bestehende selektive Filmförderung, die hinzukommt, „nach wie vor entscheidend“, sagt Teichmann. „Inzwischen bewegt sich ein normales Spielfilmbudget bei 3 Millionen Euro.“ Das sei im kleinen Heimatmarkt nicht an den Kinokassen refinanzierbar.

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