Kein Mitleidsfilm, sondern sonnig, trotzig und gelb

Doku von Anja Salomonowitz
Doku: Die Filmemacherin Anja Salomonowitz begleitete binationale Paare bei ihrem Kampf gegen die Abschiebung aus Österreich.

Nicht immer ist die Polizei den Freund und Helfer. „Warum sind Sie überhaupt mit einem Schwarzen zusammen?“, fragt der österreichische Polizeibeamte eine junge Frau, die ihren vermissten Mann sucht. Und vermutet gleich weiter: „Wahrscheinlich liegt er schon längst bei einer anderen Frau.“

Tatsächlich sitzt der Gesuchte in Schubhaft.

Kein Mitleidsfilm, sondern sonnig, trotzig und gelb
APA6783308-2 - 07022012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Die österreichische Regisseurin Anja Salomonowitz während eines Interviews mit der APA am Montag, 6. Februar 2012, in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
In ihrer neuen, famosenDoku„Die 727 Tage ohne Karamo“ (Kinostart: Freitag), die auf der jüngsten Berlinale uraufgeführt wurde, erzählt Regisseurin Anja Salomonowitz vom Schicksal binationaler Paare und deren Kampf mit den Behörden. Sie lässt Menschen zu Wort kommen, deren Liebste(r) von Abschiebung bedroht ist oder bereits abgeschoben wurde – wie im Fall von Karamo, den seine Ehefrau seit 727 Tage nicht mehr gesehen hat. „Ich wollte keine triste Doku machen“, versichert Salomonowitz im KURIER-Interview: „Und es sollte auch kein jammernder Film werden, denn ich habe die Menschen als mutig und stark empfunden.“

Doch die gezeigten Auflagen seitens der Behörden nehmen manchmal fast schon groteske Formen an. So muss ein Wiener Ehemann seiner chinesischen Frau den Unterschied zwischen den deutschen Wörtern „froh“ und „glücklich“ beibringen. Keine einfache Sache, wie sich herausstellt, aber ein existenzielles Problem: Wer seine laufenden Sprachprüfungen nicht besteht, verliert die Aufenthaltsgenehmigung.

Auch eine Szene, in der eine Gruppe Asylwerber gemeinsam Deutsch lernt, enthüllt sinistre Komik: „Wir kommen aus Norwegen“, spricht die Klasse im Chor – und stammt dabei eindeutig zu einem Großteil aus Asien.

Verfremdungseffekt

Um dem Gefühl von Mut und Stärke eine ästhetische Form zu geben, tauchte die 36-jährige Regisseurin die Welt ihrer Protagonisten in Gelbtöne: „Ich wollte einen knalligen, trotzigen und sonnigen Film machen“, so die ehemalige Ulrich-Seidl-Regieassistentin: „Gelb ist ja auch die Farbe der Sonne. Außerdem wollte ich normale Sehgewohnheiten herausfordern, damit man auch andere Aspekte der Geschichte wahrnehmen kann.“

Bei ihren Recherchen sei sie immer wieder auf sehr ähnliche Geschichten gestoßen, so die Filmemacherin. Das hätte sie auf die Idee gebracht, diese Geschichte in ihre Einzelteile zu zerlegen und jede Station im Kampf mit den Behörden mit einen neuen Paar zu „besetzen“ – ein Verfahren, das einen gewissen Verfremdungseffekt bewirkt: „Ich wollte nicht nur ein persönliches Schicksal erzählen“, sagt Anja Salomonowitz, „sondern ich wollte die Struktur herausschälen, die dahintersteckt. Es ging mir nicht darum, einen Mitleidsfilm zu drehen, sondern darum, beim Publikum Solidarität zu erzeugen.“

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