Kehlmann-Verfilmung: Vermessene Langeweile

Griesgrämig: Der Mathematiker Gauß (Florian David Fitz, li.) trifft sich widerwillig mit dem Naturforscher Humboldt (Albrecht Abraham Schuch)
Detlev Buck misslingt die Verfilmung des Bestsellers "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann kolossal. Da nützt auch sein 3-D-Spektakel nichts.

Detlev Buck ist nicht der Erste, der an einer Literaturverfilmung scheitert. Ihm half auch nicht, dass Autor Daniel Kehlmann höchstpersönlich am Drehbuch mitschrieb und tatkräftig dabei mitwirkte, seinen Weltbestseller "Die Vermessung der Welt" von 2005 in respektable Bilder zu schlichten. Alles, was Kehlmanns Erfolgsroman über die beiden deutschen Ausnahmetalente – den Naturforscher Alexander von Humboldt und den Mathematiker Carl Friedrich Gauß – smart, witzig und raffiniert machte, ist bei Buck klamottenhaft und vordergründig. Wo Kehlmann ironisch und scharfzüngig in der indirekten Rede erzählt, buchstabiert Buck jede Gefühlsregung wie im Sprechtheater aus. Es ist, als würde man durch ein Guckloch auf eine biedermeierliche Bühne schauen und verkleideten Menschen beim Reden zusehen. Da steht Karl Markovics mit weißer Perücke wie Lehrer Lämpel und versohlt dem kleinen Gauß den Hintern, weil er zu gescheit ist. Michael Maertens gibt den leicht debilen Landesfürsten, der arme Buben wie Gauß fördern soll, eine Spur zu hingebungsvoll.

Und Sunnyi Melles, die so weiß angestaubt ist, als hätte man sie in Mehl gewälzt, outriert in ihrer Rolle als Humboldts Adelsmutter am Rande der Selbstpersiflage. Dagegen verhalten sich Florian David Fitz als Gauß und Albrecht Abraham Schuch als Humboldt vergleichsweise unauffällig.

Um besonders die exotischen Abenteuerreisen von Humboldt eindrucksvoll bannen zu können, ging Buck mit aufwendiger 3-D-Technik auf Bilderjagd. Mit offenem Mund starrt die Kamera begeistert auf die Wunder der Natur – etwa einen nackten Frauenhintern –, entzückt sich an einem fliegenden Schmetterling oder verliebt sich in eine zarte Feder, die bedeutungsreich durchs Bild taumelt. Das ergibt eine wahrlich eindrucksvolle "Universum"-Folge für Fortgeschrittene, tut aber für die dramaturgische Entwicklung der elendslangen Geschichte wenig zur Sache.

Während der begüterte Humboldt mit seinem Reisebegleiter die Welt erforscht und in Südamerika die Läuse auf den Köpfen der Eingeborenen zählt, quält sich der ärmliche Gauß in seiner deutschen Kleinstadt mit Mathematik und Frauen herum.

Keine Sekunde etwa wird jenes bittere Gefühl der Einsamkeit spürbar, das Gauß in der schlagartigen Erkenntnis befällt, seiner eigenen Zeit ein paar Hundert Jahre voraus zu sein. Was Kehlmann in seinem Roman in knappen Sätzen an Emotion suggeriert, kann Buck aus keinem Einzigen seiner bombastischen Bilder herauspressen.

Doch das alles, man könnte es verzeihen, wäre die "Vermessung der Welt" wenigstens unterhaltsam – und nicht nur vermessene Langeweile.

KURIER-Wertung: ** von *****

INFO: DRAMA D 2012. 125 Min. Von Detlev Buck. Mit Albrecht Abraham Schuch, Florian David Fitz, Vicky Krieps.

Graf Dracula säuft schon längst kein Menschenblut mehr. Viel zu fett. Stattdessen gibt’s Bio-Naturblut oder Blut Light. Bei ihm im Wellness-Hotel für Monster. Dort können Frankenstein und seine Braut, Werwölfe, Mumien und sonstige Stars gängiger Monster-Movies mal unter sich sein und in Ruhe ausspannen. Im Hotel Transsilvanien.

Dort geht es in dieser Zeichentrick-Komödie ziemlich witzig-spritzig zu. Graf Dracula entpuppt sich als Alleinerzieher und Menschenhasser, der seiner einzigen Tochter Mavis nur eines mit auf den Fledermausweg geben möchte: sich ja vor den Warmblütlern zu hüten und stattdessen immer nur bei ihm zu Hause im Hotel zu bleiben. Anlässlich ihres 118. Geburtstags schmeißt Dracula eine Party und fällt beinahe in Ohnmacht, als sich versehentlich ein jugendlicher Rucksack-Tourist in sein Gemäuer verirrt.

Dracula als hysterisch-verliebter Vater einer pubertierenden Goth-Teen­agerin ("Mein Blutegelchen!", "Mein Sargnägelchen!") ist bereits ziemlich lustig. Doch auch die Hotelbelegschaft liefert beste Halloween-Unterhaltung in 3-D. Regisseur Genndy Tartakovsky beweist Witz und Einfallsreichtum sowohl mit knackigen Dialog-Gefechten als auch im visuellen Detail. Kleine Hexen zischen auf ihren Besen als Zimmermädchen durchs Bild, dürre Skelette liefern seelenvolle Mari­achi-Musik und abgeschnittene Schrumpfköpfe hängen keifend als Türklopfer an der Zimmertür. Der Werwolf erweist sich als Erziehungsversager und Sklave seiner verzogenen Kinder, die Mumie läuft die Wände hoch und auch der unsichtbare Mann gilt als schwieriger Hotelgast.

Ungefähr ab der Hälfte allerdings schwenkt der frei flottierende Spaß dann leider in die konventionelleren Bahnen der Love-Story ein. Dass es im Leben nur die eine große Liebe gibt, kommt als Botschaft an die Monsterjugend ein wenig spießig daher. Allerdings liebt die kleine Draculina ja einen Menschen und nicht ihresgleichen. So gesehen ist es auch wieder eine schöne Toleranz-Botschaft.

KURIER-Wertung: **** von *****

INFO: ANIMATION, USA 2012. 91 Min. Von Genndy Tartakovsky.

Ein Science-Fiction-Märchen, in dem die Zukunft leise begonnen hat: Autos gleiten, Telefone hängen als Bildschirme an der Wand und Altenpflege wird von sanften Robotern übernommen. Jake Schreiers hoch akklamierter Debüt-Film versetzt seine Tragikomödie über Alter, Krankheit und Einsamkeit mit coolen, futuristischen Akzenten.

Frank, ein grantiger alter Herr, lebt allein und ist leicht verwirrt. Sein Sohn stellt ihm ein mechanisches Helferlein zur Seite – einen weißen Bodyguard, der seinem Herrn bestes Bio-Gemüse kocht und mit guten Ratschlägen bevormundet. Frank hasst den neuen Blechkameraden zuerst, freundet sich aber immer mehr mit ihm an – bis er zuletzt mit ihm einbrechen geht. Schreier entwickelt sein Buddy-Movie zwischen Mensch und Maschine sehr berechenbar und vermeidet allzu viel Tiefgang mit leichten, manchmal seichten Gags. Zwar spielen Frank Langella und Susan Sarandon ihre Rollen als alte "Freunde" hinreißend – aber letztlich harmlos.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: TRAGIKOMÖDIE, USA 2012. 90 Min. Von Jake Schreier. Mit Frank Langella.

Die Absicht ist gut, die Botschaft klar: Toleranz und Menschenrechte gegenüber unseren schwulen und lesbischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen im tendenziell homophoben Ex-Jugoslawien. Tatsächlich wurden noch 2010 die Teilnehmer der Gay Parade in Belgrad von Neonazis angegriffen.

Anlass für Regisseur Srdjan Dragojević, mit seiner drastischen Hetero-Homo-Komödie auf diese Missstände aufmerksam zu machen – und damit einen Publikums-Hit zu landen.

Ausgerechnet ein Super-Macho, Kriegsveteran und Vater eines Neo-Nazis soll eine Security-Truppe für die Schwulenparade in Belgrad organisieren.

Dragojević mobilisiert jedes nur denkbare Schwulenklischee, um seine Komödie krachen zu lassen: Schwule lieben Pink, spreizen beim Schnaps Trinken den kleinen Finger und fallen in Ohnmacht, wenn man sie nur anpustet.

Stimmt schon, auch die Machos und die Tussi-Frauen kommen völlig überzogen daher – und klar, all diese Stereotypien auf die Spitze getrieben, produzieren oft auch etwas Witziges. Trotzdem: bei allen guten Absichten bleibt diese Methode des krassen Klischees doch zweifelhaft. 

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: TRAGIKOMÖDIE, SRB 2011. 115 Min. Von Srdjan Dragojević. Mit Nikola Kojo.

Als ob es nicht genug wäre, die Krisen der Pubertät durchstehen zu müssen: Donald leidet an Krebs und hat nicht mehr lange zu leben.

Diese deprimierenden Aussichten und die damit verbundene Aggression packt Donald in seine selbst gezeichneten Superhero-Comics, die als düstere Animation immer wieder die Handlung unterbrechen.

Das sind die herausragenden Momente eines toll besetzten und hervorragend gespielten Coming-of-Age-Dramas aus Dublin, das leider trotz seiner innovativen Ansätze den vorhersehbarsten Konventionen verfällt.

KURIER-Wertung: *** von *****

INFO: DRAMA, D/IR 2011. 97 Min. Von Ian Fitzgibbon. Mit Andy Serkis.

Die Biografie Mozarts ist hinlänglich bekannt. Weniger schon die seiner Schwester Nannerl, einer talentierten Geigerin und Komponistin, wie uns dieser Film aus Frankreich in elegischen Bildern zu erzählen weiß. Vater Leopold reist mit seinen Kindern Nannerl und Wolferl durch Europa und führt sie wie Zirkuspferde an den Höfen vor. Regisseur Féret konzentriert sich dabei ganz auf Nannerl, ältere Schwester Mozarts, deren Begabung vom Vater unterdrückt wird. Dabei verzichtet er auf zugespitztes Erzählen, sondern beobachtet leise, wie das Talent der jungen Frau versickert. Seine zarten, süßen Mädchengesichter berühren in einem sanften, unspektakulären Historienfilm.

KURIER-Wertung: *** von *****

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