Am 19. April hatte die Wiener Kulturstadträtin Großes zu verkünden: Aus einer Brigittenauer Industriehalle, im Erdgeschoß vom Koproduktionshaus Brut bis Ende 2023 bespielt, werde „ein neues Zentrum für die freie Performance-, Tanz- und Theaterszene“, ein „Performing Arts Areal“, das auch die Wiener Festwochen beherbergen und Ausweichquartier für das WUK während der Gebäudesanierung sein werde.
Die Zwischennutzung des Areals an der Nordwestbahnstraße biete „eine wunderbare Möglichkeit“, den Bedürfnissen der Szene Rechnung zu tragen, so Veronica Kaup-Hasler. In der Aussendung des Kulturamts jubelten auch Brut-Leiterin Kira Kirsch und Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder.
Der Plan war, ab September auf 600 Quadratmetern „vier durch die Stadt Wien geförderte Probenräume“ zu öffnen. Laut Brut-Geschäftsführer Richard Schweitzer hätte die Nutzung „unentgeltlich und selbst organisiert sein“ sollen. Bei der Begehung habe sich, berichtete die APA, Kaup-Hasler richtig begeistert gezeigt: „Es entsteht hier ein richtiges temporäres Kulturzentrum, mit dem wir die kulturelle Entwicklung dieses Stadtteils fördern.“
Das Areal, Mitte Juni mit einer Festwochen-Produktion eingeweiht, hat in der Tat ein wunderbares Stadtrand-Flair: Es erinnert an das alte Berlin Ost. Aber leider hat man den Mund zu voll genommen. Denn Anfang Juli informierte Schweitzer die freie Szene in einem Mail mit dem Betreff „Große Ideen – große Probleme“, dass man das Proberaumprojekt gestoppt habe.
Es hätte sich herausgestellt, dass aufgrund der geltenden Umsatzsteuerbestimmungen „ausschließlich vorsteuerabzugsberechtigte Personen und Organisationen die Räume mieten oder nutzen dürfen“. Selbst die kostenfreie Überlassung sei unmöglich. Denn der Vermieter könnte andernfalls nicht die im Zuge der Investitionen abgeführte Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen.
Auf Nachfrage erklärte Schweitzer, dass die Festwochen die beiden Obergeschoße gemietet und Studios geschaffen hätten. Die Idee sei gewesen, dass Brut diese Flächen von den Festwochen übernimmt und, unterstützt von der Stadt Wien, kostenfrei an die freie Szene und das WUK weitergibt. Da dies nicht gehe, werde Brut die Räume aber vorerst nicht mieten. Was in der Szene und im WUK – wenig verwunderlich – für Irritationen sorgt.
Im Büro von Kaup-Hasler bedauert man den Pallawatsch: „Da das Projekt eine gute Idee ist, hofft die Stadt im Sinne der Kulturschaffenden auf eine positive Klärung und Lösung.“ Ihr Tratschpartner hat schon eine: Die Stadt müsste dem Vermieter nur die Ausfälle ersetzen.
Und weil gerade das Wort „Kulturschaffende“ gefallen ist: Es gefällt Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen, nicht. Denn es kam in der NS-Zeit zu höheren Ehren. Blimlinger lobte daher einen Wettbewerb für eine Alternative aus. Eine von der Kulturplattform Oberösterreich nominierte Jury kürte nun unter 102 Vorschlägen den Begriff „Kulturtätige“ zum Sieger.
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