Das Bild vom „Nachmittag“ nimmt Halík vom Psychologen Carl Gustav Jung, welcher den Ablauf des menschlichen Lebens mit dem Ablauf eines Tages vergleicht. Der „Nachmittag“ ist demnach die Zeit der reifen Jahre. In der auf Jung bezogenen Lesart Halíks eine Etappe, in der es darum geht, „den Reifungsprozess seines ganzen Lebens zu vollenden“, in der aber auch bei Verfehlen dieses Ziels die Gefahr besteht, in „Rigidität, emotionale Verstimmungen, Ängste, Argwohn, Engherzigkeit“ zu verfallen.
Dies eben will Halík hier explizit auf die Kirche bezogen wissen, die für ihn an einem Wendepunkt steht. Halík schwebt ein Christentum vor, welches „von jeglichem Machtanspruch und jeglicher klerikalen Engherzigkeit befreit ist“, ein „ökumenisch offenes Christentum“. Kurz gefasst: es geht dem Autor um den Weg der Kirche „vom Katholizismus zur Katholizität“ (griech. katholikós = allumfassend), zur „Universalität ihrer Berufung“.
Vieles sieht Halík sehr scharf und klar, präzise analysiert er gesamtgesellschaftliche und in diese eingebettete kirchliche Entwicklungsstränge. Ganz klar positioniert er sich auch im nach dem Tod Benedikts XVI. neu befeuerten Richtungsstreit innerhalb der Kirche im Sinne von Papst Franziskus, dem das Buch auch „in Hochachtung und Dankbarkeit gewidmet“ ist.
Schwarz-Weiß
Dabei gerät freilich manches auch zu sehr schwarz-weiß gezeichnet. Da „Klerikalismus, Fundamentalismus, Integrismus, Traditionalismus und Triumphalismus“ – dort die angestrebte und erhoffte ökumenische „Weggemeinschaft“. Nicht dass es diese Ismen nicht alle gegeben hätte und nach wie vor gäbe – aber es ist doch auch so, dass die Kirche vieles davon bereits überwunden hat. Und es ist erst recht so, dass nicht jeder, der manchen Reformbemühungen skeptisch bis ablehnend gegenüber steht und für den die „gute“ Kirchengeschichte nicht erst mit dem II. Vatikanum beginnt, unter das Verdikt von Traditionalismus oder gar Triumphalismus zu stellen wäre. Das sagt freilich auch Halík so nicht, aber unterschwellig entsteht beim Leser doch dieser Eindruck.
Schon gar nicht teilen möchte man die Verknüpfung der innerkirchlichen mit einer doch recht klar zuordenbaren politischen Programmatik. Da ist im pejorativen Sinn vom „neoliberalen Kapitalismus und seiner Ideologie des unbeschränkten Wachstums“ die Rede, da werden von Migration bis „Klima“ recht eindeutig linksalternative Positionen propagiert, da wird generell die Gefahr fast nur auf der rechten („populistischen“) Seite des politischen Spektrums verortet.
Alles in allem aber ist das Buch eine lohnende Lektüre für alle am Ineinander von kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Interessierten.
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