"Katastrophal missverstanden"

Für das Wanda-Konzert am 22. 4. in der Wiener Stadthalle gibt es noch Restkarten
Wanda-Sänger Marco spricht über Sexismus-Vorwürfe, Sauf-Romantik und seine Verantwortung.

Am 22. April werden Wanda in der Wiener Stadthalle vor 12.000 Fans ihr bisher größtes Einzel-Konzert spielen. Nervös, sagt Sänger Marco im KURIER-Interview, wird er nicht sein. Denn: "Es macht viel zu viel Spaß, um nervös zu sein!"

Wie bereiten Sie sich auf das Stadthallen-Konzert vor?

Marco Wanda: Gegenüber der Stadthalle gibt es ein türkisches Café, in dem sie nur türkische Liedermacher aus den 60er- und 70er-Jahren spielen. Das ist meine Vorbereitung: Ich schau mir an, welche Lokale ich besuchen kann. Denn wir planen nichts Spezielles. Wir fahren mit dem Taxi hin und machen das einfach. Die Idee ist, genauso wie vor 100 Leuten auch vor 12.000 zu spielen.

Sie fahren mit dem Taxi?

Ich habe keinen Auto-Führerschein, nur einen Moped-Führerschein und eine Puch Maxi Baujahr 1969 – todschickes Ding. Bergauf muss ich schieben. Bergab schaffe ich aber einen 50er.

Mit Ihrem Erfolg sollten jetzt aber Auto und Führerschein drinnen sein.

Ich könnte mir zehn Autos kaufen, aber das bringt mir nichts. Ich habe mich entschieden, weiterhin so genügsam zu leben wie vorher. Ich habe mir nie Sachen gekauft und das halte ich weiterhin so. Der einzige Wunsch, den ich mir erfüllt habe, war Hochseefischen.

Bei Ihrem Wiesen-Konzert habe ich Fans kennengelernt, die von Ihnen als Musiker und Mann geschwärmt haben . . .

Nett. Wie kommt das?

Heißt das, dass Ihnen das selbst nicht aufgefallen ist?

Na ja, sagen wir früher ist es mir nicht aufgefallen. Aber das fällt in die Kategorie "Sich verderben lassen". Sich durch fremde Augen sehen, ist in meinem Beruf gefährlich. Ich wäre jedenfalls nicht gerne ein Sexsymbol und deshalb glaube ich auch, dass ich keines bin. Ich bewundere Kollegen, die Charme haben, die in der Kindheit wenig geliebt wurden und dann wie ein narzisstisches Kind mit den Augen funkeln und das anziehen. Aber ich kann nicht geliebt werden wollen. Das ist mir zu blöd und zu anstrengend. Ich investiere meine Energie lieber in Wahrheit, in Sinnsuche und Derartiges.

Apropos "Sich verderben lassen": Welche anderen Versuchungen sind Ihnen während der Tour noch untergekommen?

Drogen – das ist klar. Jeder bietet dir dauernd etwas an. Die Leute denken: "Rockmusiker" und erwarten das volle Programm. Und was noch verdirbt, ist, den Applaus auf sich zu beziehen. Ich weiß, dass der Applaus nicht mir gilt, sondern dem, was wir machen.

Das was Sie machen, die Musik, lebt aber von dem persönlichen Touch, den Sie hinein stecken.

Ein Teil von mir weiß das ja auch. Aber ich bemühe mich, es nicht so zu sehen, weil das gefährlich ist. Denn was ist, wenn es dann vorbei ist? Herbert Grönemeyer sagte einmal, dass es für ihn anfangs eigenartig war, wenn er nach einer Tour nach Hause kam und keiner klatschte, wenn er in der Früh aufstand. Scherzhaft, sicher. Aber das weist auf diese Gefahr hin: Wenn man den Applaus braucht, ist man irgendwann kaputt.

Sie haben sich gelegentlich auch politisch geäußert. Warum halten Sie diese Themen aus Ihren Songs heraus?

Ich bin kein Experte und meine Einschätzung ist nicht wesentlich. Deshalb halte ich lieber die Goschn. Ich glaube auch nicht, dass das meine Verantwortung ist, oder dass meine Meinung etwas Positives zu politischen Diskursen beitragen kann.

Wenn einem viele Leute zuhören, kann man etwas bewegen.

Sicher. Aber das ist ja urgefährlich. Dazu müsste ich meiner Einschätzung heftig vertrauen. Das tu ich aber nicht.

Wann steht die Verantwortung, ein Vorbild zu sein, der kreativen Freiheit im Wege?

Ich glaube nicht, dass ich machen kann, was ich will. In meiner Tätigkeit als Musiker bin ich voller Verantwortung. Vor allem als Live-Musiker. Denn die Menschen zahlen Geld, um etwas zu erleben, das wir ihnen bieten müssen. Und das machen wir.

Alkoholkonsum kommt in Ihren Texten häufig vor, wird romantisiert – wenn nicht glorifiziert. Sehen Sie da keine Verantwortung gegenüber jungen Fans?

Ich finde, das stimmt nicht. Alkohol ist nur in zwei Liedern explizit das Thema.

Explizit ja. Aber Flaschen kommen schon viel öfter vor. Und auf der Bühne haben Sie auch immer eine mit dabei.

Es stehen ja auch überall Flaschen herum. Die Flasche ist das Symbol für Verdrängung. Die Droge an sich ist ein Schlüsselsymbol für unseren Zeitgeist. Bei uns geht es nicht um Alkohol als Genussmittel, sondern als Mittel der Selbsterkenntnis. Ich bin kein Karlsplatz-Junkie und auch kein Rapper, der Koks verherrlicht. Bei uns hat das immer eine symbolische Funktion. Das wird von unserem Publikum auch so wahrgenommen – und von allen anderen missverstanden. Wie alles, was wir in der jüngeren Bandgeschichte gemacht haben, katastrophal missverstanden wurde.

Worin fühlen Sie sich noch missverstanden?

Viele Menschen halten uns für total roh. Für hirnlose Lederjacken-Machos, die nur saufen und rumbrüllen. Und dann die Sexismus-Debatte: Man hat uns zum Beispiel den Song "Nimm Sie, Wenn Du’s Brauchst" vorgeworfen. Dieser Satz wäre auch sexistisch, wenn man ihn aus dem Kontext des Liedes nehmen, auf ein T-Shirt drucken und damit in der Stadt rumlaufen würde. Aber eingebettet in den Text, in den Ton der Musik und des Songs, ist das nur ein Liebeslied. Das ist ein total sensibler Song, denn der Typ sagt das nur, weil er so verletzt wurde. Aber egal, ich bekomme ja genug Schmerzensgeld. Das sagt zumindest mein Manager, wenn ich mich darüber beschwere.

Sie sprachen vorhin von Sinnsuche. Warum ist das in Ihren Songs so wenig präsent?

Aber die Lieder sind doch voll davon. Es geht doch nur um das Scheitern und das Wieder-Aufstehen. Um unerfüllte Sehnsucht ohne Ende. Alles sehr, sehr düster. Das ist es doch, worum es im Leben geht und was am Ende überbleibt: Lieben und geliebt werden. Ich bin kein Philosoph und denke nicht darüber nach, was nach dem Tod kommt. Ich schreibe über den vulgären Vollzug des Daseins. Und mit vulgär meine ich echt und unverstellt. Gertrude Stein sagte: "Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose". Hemingway sagte: "Eine Rose ist eine Rose". Er stellt sich der Wirklichkeit, Stein ästhetisiert. Ich stelle mich lieber der Wirklichkeit als zu ästhetisieren.

Letzte Frage: Was war das skurrilste Tour-Erlebnis?

Einmal standen zwei Mädchen in der Dusche . . .

Nackt?

Nein, nein. Die wollten nur ein Selfie. Alles harmlos, wir haben ein relativ normales Verhältnis zu den Fans. Und ganz ehrlich: Die Geschichten, die erzählenswert wären, würde ich nie erzählen. Denn dann habe ich ein Verfahren am Hals – oder geh in den Häfn.

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