Kaspar Hauser: Zeitreise im Stroboskopgewitter

"Kaspar Hauser oder die Ausgestoßenen könnten jeden Augenblick angreifen" im Schauspielhaus Wien.
Die Norwegerin Lisa Lie inszeniert Kaspar Hauser im Schauspielhaus.

Wenn man sich auf die Spuren von Kaspar Hauser begibt, tauchen immer wieder Wörter wie angeblich, Gerücht, Zufall, Theorie auf. Er gilt als Rätsel aus Nürnberg, als Mythos, das fasziniert, provoziert und verstört – seit rund 200 Jahren. Das ist ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker, und eine perfekte Vorlage für Autoren und Regisseure, die sich an Kaspar Hauser seit Jahren abarbeiten und anlässlich der Figur über gesellschaftliche Konformität und Abweichung nachdenken.

Im Schauspielhaus macht das gerade die norwegische Regisseurin Lisa Lie, die ihre erste Inszenierung in Österreich mit einem ausführlichen Monolog eröffnet. Vorgetragen wird dieser von der jungen, aus dem Ensemble herausragenden Schauspielerin Vassilissa Reznikoff, die auf einer großen Skulptur sitzt und als Mutter von Kaspar Hauser nachdenkt. Über ihre Rolle als Mutter und über die Bürde, die das Muttersein mit sich bringt. Das Publikum nimmt Teil an einem Entscheidungsprozess, der damit endet, dass die Mutter ihren Sohn verlässt.

Sprünge

In den kommenden eineinhalb Stunden springt man mit skurrilen Brüchen von Epoche zu Epoche – von der Urzeit bis zur Moderne. Es beginnt mit den Neandertalern, die sich mit dicken Fellen wortlos und animalisch die Salatgurken teilen – sie sollen Brennholz und Nahrung darstellen.

Es folgt die Entdeckung der Sprache, das Formen von Gefäßen und das Überschlagen der Beine. Von den Höhlenmenschen zur Sklaverei im 19. Jahrhundert ist es dann nicht weit: Tea-Time! Schnitt.

Die Reise geht weiter: Und schon landet man im Stroboskoplicht eines Clubs, in dem zu derzeit angesagten Beats ein geiler Balztanz abgehalten wird. Danach geht es ab in die Zukunft, und Vassilissa Reznikoff philosophiert über das Verspeisen längst ausgestorbener Tiere. In all diesen Situationen schwingt das Schicksal Hausers mit.

Schauspielerisch verlangt die Inszenierung von den Akteuren Kenneth Homstad, Jesse Inman, Gabriel Zschache und Reznikoff viel ab. Ein intensives, teils sehr absurdes und anstrengendes, hin und wieder gelungenes Theaterstück, nach dem man nach leichter Kost und Entwirrung verlangt. Blöd, dass das Dschungelcamp schon vorbei ist…

Noch bis 28. Februar im Schauspielhaus Wien.

Kommentare