Karl Merkatz: Ein echter Wiener ist nicht mehr
Karl Merkatz, der in zwei ikonischen Figuren die österreichische Seele festgehalten und das österreichische Selbstbild mitgeprägt hat, ist tot. Der Darsteller des Mundls und des Bockerers starb 92-jährig. Beide Figuren waren zu ihrer Zeit unerhört; beide lieferten Zitate, die in den Wortschatz Österreichs eingegangen sind; beide sind exemplarische Erzählungen über die vielen Schichten der gepflegten Grundrenitenz des Österreichers – und welch’ letztlich goldenes Herz darunter verborgen ist.
Sie sind auch Bilder eines Nachkriegsösterreich, das längst historisch geworden ist. Beide Figuren aber versperren sich in ihrer Vielschichtigkeit und Rauheit sowohl der Nostalgie als auch der Vereinnahmung durch jene, die mit Bildern der Vergangenheit und der Heimatseligkeit politisch punkten wollen. Und sowohl der Bockerer als auch der Mundl waren zu ihrer Zeit große Aufreger, die längst zur Volkskultur verklärt worden sind, obwohl beide neben der Begeisterung anfangs auch für Empörung sorgten.
Ein Prolet im Fernsehen - damals unerhört
Der Mundl brachte, nach den lange Jahre gepflegten bürgerlichen Josefstadttheater-ORF–Fernsehspielen, 1975 den Proleten ins Fernsehen, ein Schock für manche. Und um Merkatz’ Figur im „Bockerer“ zeigte der Film ein zu seiner Zeit – 1981 – weitaus problembehafteteres Bild des österreichischen Mitläufertums im Nationalsozialismus, als damals geläufig und gerne gesehen war.
Natürlich war Merkatz keinesfalls auf diese Rollen zu reduzieren: Er spielte in mehr als 250 Film- und TV-Produktionen und in über 150 Bühnenwerken mit. Sein Weg zum Theater war im damaligen Österreich alles andere als vorgezeichnet: 1930 wurde er als Sohn eines Werkzeugmachers und einer Weberin in Wiener Neustadt geboren.
Zuerst erlernte er – schon als Kind vom Theater fasziniert – auf Wunsch der Eltern ein „richtiges Handwerk“, weil „Schauspieler ja ein Hungerleider-Beruf war“, wie Merkatz einmal dem KURIER schilderte. „Am 2. Jänner 1946, mit 15, hab ich dann mit der Tischlerlehre angefangen. Ich bekam vom Arbeitsamt eine Stelle in einer Sargtischlerei. Draußen standen 50, 60 Särge aufgestapelt und da hab ich gesagt, das will ich dann doch nicht.“
Gut investierte 7.000 Schilling
Danach schloss er das Mozarteum mit Auszeichnung ab und erlangte erste Engagements unter anderem in Heilbronn: „Im Mozarteum war ich bei der Abschlussprüfung der Beste und hab’ 7.000 Schilling gewonnen“, schilderte Merkatz dem KURIER. „Das Theater in Heilbronn hat zwei Anzüge verlangt, damit ich mich vorstellen kann, einen guten und einen Gebrauchsanzug. Die hab’ ich mir um die 7.000 Schilling bei einem Schneider in Freilassing machen lassen.“ Nicht nur fürs Theater hat sich das gelohnt: In Heillbronn lernte Merkatz Martha Metz kennen, mit der er mehr als sechs Jahrzehnte verheiratet sein sollte.
Viele seiner Theaterengagements – Nestroy, Raimund, Shakespeare – spielte er danach in Deutschland; im Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen war er unter anderem in „König Ottokar“ und dem „Jedermann“ (als Gott, 2005) zu sehen. 2009 beendete Merkatz, der auch in Musicals auftrat, seine Bühnenkarriere.
Echte Wiener bleiben
Bühnenauftritte mögen flüchtig sein; schon jetzt aber ist klar, dass Merkatz als Karl Bockerer und Edmund Sackbauer in die heimische Kulturgeschichte eingegangen ist. „Ihr Blatt, Herr Rosenblatt“ aus dem „Bockerer“-Finale und Mundls Schimpftiraden wie „Mei’ Bier is net deppat“ und „Waunst ma a klans Nudlaug zaumdrahst“ sind österreichisches Gemeingut geworden. „14-, 15-Jährige sagen mir Texte auf, an die ich mich gar nicht mehr erinnere“, schilderte Merkatz den bleibenden, generationenübergreifenden Einfluss von Reinhard Schwabenitzkys „Ein echter Wiener geht nicht unter“; nicht zuletzt auch als alljährliche Silvesterbegleitung.
Die Erstausstrahlung war anstelle eines entfallenen Fußballspiels: „Dann hat man gesagt, spielen wir den ,Echten Wiener’ als Ersatz. Is eh wurscht. Und dann hat das so eingeschlagen! Es gab über 1.000 Anrufe, positive und negative.“
Die Serie entzweite das Land, selbst Kardinal König äußerte sich – übrigens positiv – zum „lauten, unbeherrschten, aber sorgenden Familienvater“, der hier gezeigt wurde. Und der Mundl machte Merkatz auf Anhieb bei einem breiten Publikum berühmt. „Meine Mutter geniert sich ein bissl für mich“, erzählte Merkatz damals dem KURIER-Autor Georg Markus, „weil so wie im Fernsehen bin ich nämlich nicht. Ich bin ganz anders, wahrscheinlich das genaue Gegenteil.“
Zögern beim "Bockerer"
Beim Bockerer dann, den Merkatz auf der Bühne des Volkstheaters spielte, zögerte Merkatz – wegen des Regisseurs Franz Antel: „Ich wollte zuerst nicht wegen seiner Lederhosenfilme. Aber er hat gesagt: ,Ich muss Ihnen gestehen, ich habe das nur gemacht, weil ich sehr gut leben wollte und das hat es gebracht.’“
Nicht alles lief glatt: Mit Antel, mit dem Merkatz an insgesamt vier „Bockerer“-Filmen arbeitete, als auch insbesondere mit Ernst Hinterberger gab es Streits und Verwerfungen. Später wurde Merkatz vielfach ausgezeichnet, mit der KURIER ROMY oder auch dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.
Und der Tod? „Der kommt, ich warte“, sagte Merkatz dem KURIER. „Und wenn er da ist, ist er da. Ich lebe in der Zeit, in der ich bin. Was dann kommt, weiß ich nicht. Wenn nichts mehr kommt, kommt nix mehr. Das ist das Leben. Aus. Ende der Durchsage.“
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