Neue Akzente für alte Hits
Das liegt an den Tennessee Kids, der hervorragenden Band von Timberlake. Die versierten Musiker spielen fast alles live. Vier Bläser geben den neuen Songs, aber auch den später folgenden Hits mit Saxofon und Trompete soulige Vibes, setzen mit Tuba und Querflöte neue Akzente und verbreiten eine Lebenslust, die das Publikum sofort in das Jetzt und den Genuss des Moments katapultiert.
Aber auch der Star selbst zeigt sich auf der Höhe seiner Profession. Er ist perfekt bei Stimme, wechselt mühelos zwischen Soul, Funk, Pop und Dance. Er spielt bei seinem Hit „Señorita“ ein Pianino und ist ansonsten ständig in Bewegung. Dabei ist er präzise synchron, wenn er sich in die Choreografie seiner Tänzer einklinkt, und der souveräne, elegante Showman, der weiß, wie er die Massen bewegen kann, wenn er sich wieder ausklinkt.
Gitarre hinten links, Klavier hinten rechts
Er ist auch permanent bemüht, allen Fans in der riesigen Halle ein möglichst eindrückliches Erlebnis zu bieten. Als er für sieben Songs auf die Zweitbühne vor den hinteren Rängen wechselt, tut er das, indem er mit den Bläsern, den Tänzern und dem dreiköpfigen Backgroundchor auf einer Seite des Parketts zum Song „Play“ durch das Publikum tanzt. Dort angekommen singt er „Suit & Tie“, die akustische Version von „What Goes Around . . . Comes Around“ oder „Selfish“, spielt dabei die Gitarre im linken hinteren Eck und das Klavier im rechten, um allen eine Zeit lang möglichst nahe zu kommen.
Er fragt, wie viele Leute ihn das erste Mal auf der Bühne sehen und wie viele schon mehrere Konzerte genossen haben. Natürlich kreischt die überwiegende Mehrheit bei der zweiten Option. Trotzdem wendet er sich zuerst and die Erstlingsbesucher: „Ich hoffe, ihr spürt die Liebe, die in dieser Halle ist, denn mit den anderen bin ich aufgewachsen. Sie sind mir seit 25 Jahren treu und ich muss mich immer wieder zwicken, weil ich kaum glauben kann, dass ihr alle immer noch in solchen Massen kommt, um mich zu sehen.“ Als Dank performt er einen ganzen weiteren Song, während er am anderen Rand des Parketts wieder durchs Publikum zurück auf die Hauptbühne geht.
Überflutet im Glasbehälter
Sehenswert ist aber auch die Show, die Timberlakes Musik umrahmt. Bei „Sanctified“ löst sich der Monolith aus der LED-Wand – ein riesiger Quader aus LED-Schirmen, legt sich wie ein Schrägdach über Timberlakes Kopf und die vorne stehenden Musiker, bevor er sich hinter ihm aufstellt. Bei „Drown“ simuliert der Quader einen sich langsam mit Wasser füllenden Glasbehälter, in dem Timberlake überflutet wird. Und bei „Cry Me A River“ dreht und wendet er sich über der Bühne – genau wie die LED-Wand dahinter permanent von Wasserfluten durchschwappt.
Über den Köpfen des Publikums
Es geht noch spektakulärer: „Mirrors“ singt Timberlake auf dem LED-Quader stehend, der zunächst – wie eine schwebende Drittbühne – parallel zum Horizont über den Köpfen des Publikums hängt. Zum großen Finale neigt er sich, steht dann im 45-Grad-Winkel zum Horizont, während der Star des Abends – selbstverständlich angeseilt – auf der Kante balanciert und sich darüber hinaus über das Publikum hängt.
Am Ende weiß man nicht, was mehr beeindruckt hat. War es die Show mit Timberlakes Stunt in der Luft? Oder doch die Musik ihn ihrer Vielfalt, bei der sich sogar eine kurze klassische Klavier-Passage, ein rockiges Gitarren-Solo oder Gospeltöne nahtlos in den vitalen Soul- und R&B-Basis-Sound einfügten? Sicher ist: Man hat einen der besten Entertainer der Pop-Szene gesehen, der bei seiner „Forget Tomorrow“-Show zwei Stunden lang alles gegeben und damit so perfekt unterhalten hat, dass man tatsächlich das Morgen und alle eventuell damit verbundenen Sorgen komplett vergessen konnte.
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