Justin Bieber in Wien: Kreisch, mit Rufzeichen!
Es geht Auf und Ab im Leben, und keiner, vielleicht mit Ausnahme aller Teenager dieser Welt, weiß das so genau wie Justin Bieber.
Die kanadische Ein-Mann-Boyband, derzeit hauptberuflich Präsident der Herzen in den erstmals popbewegten Gemütern sehr junger und gerade noch junger Menschen, ist in einer schwierigen Phase: Sein tätowierungsübersäter Körper ist beredter Zeuge, dass aus dem Knaben längst ein 22-jähriger Mann geworden ist.
Der trägt nun College-Boy-Brille, muss aber seinen Platz in der Welt noch finden. Was nicht leichter wird, wenn man Abend für Abend die jungen Fans zum Kreischen bringt, kaum nimmt man einen Schluck aus der Wasserflasche.
Ein Tanzschritt? Kreisch. Ein Griff ans Leiberl? Kreisch. Ein Salto auf jenem überdimensionalen Trampolin, das am Dienstagabend unter der Decke der Wiener Stadthalle hing? Kreisch, mit Rufzeichen.
Derart unumwundene Begeisterung könnte nachlässig machen. Justin Bieber aber bemüht sich redlich, und mit Erfolg, sich weiterzubewegen: Seine nun durch Wien durchgereichte "Purpose"-Tour zeigt ihn als ordentlich gereiften Unterhaltungskünstler, der die popmusikalische Historie für seine Zwecke einzusetzen weiß.
Gefühlsmaximierung
Es geht, in schöner, alter Tradition des Pop, um Gefühlsmaximierung im Publikum, und dazu ist jedes Mittel recht. Sei es der Griff nach dem eigenen Schritt und den eingängigen Hüpfmelodien der elektronischen Tanzmusik; sei es glatter Rock, sehr guter Pop, sei es rhythmisch komplexe Elektronik-Brummerei oder das – etwas monotone – Gesangssolo mit Gitarre auf einer Couch inmitten der Halle: Justin Bieber verzückt seine, nun ja, Belieber, wie sich seine Fans nennen.
Auch für die ist nicht alles leicht: Gleich in den ersten Aufbruchsmomenten des Lebens muss man lernen, überbordende Emotion zu beherrschen; da ist ein Bieber-Konzert willkommenes Ventil für alles, was sich sonst gefühlsmäßig so anstaut. Der Weg dorthin aber wird keiner leichter sein, zumindest nicht in Wien: Der der Stadthalle vorgelagerte Park war noch während die Vorbands bereits aufspielten Stauort für herbeidrängende Fans, die lange warten mussten, um in die Halle vorzudringen.
Es lohnte sich: Bieber zog alle Register. Wie eine Dauerwerbung für Aufzugsfirmen waren Teile der Bühne in ständiger Auf- und Ab-Bewegung (wie das Leben eben): Bieber erstieg aus der Erde, fuhr im Aufzug unter die Stadthallendecke; er versank wieder; tanzte, trommelte, sang von Liebe, Bestimmung und davon, den Fans den Weg zu zeigen. Feuerwerk blitzte, Laser glühten, und das Leben, es war für die Fans schöner und leichter und um vieles richtiger als sonst.
Elli (15) ist in eine gold-glänzende Notfalldecke gewickelt. Die hat sie am Montag noch aus der Apotheke geholt, wohlweislich: Denn seit exakt 12.20 Uhr und bei fünf Grad Celsius am Dienstag campierte Elli vor der Wiener Stadthalle. Und der einzige Notfall, der ihr an diesem Tag noch passieren könnte, ist der, dass Justin Bieber doch nicht auftritt.
Hinter Absperrgittern mussten die Belieber ab der Früh ausharren - immer wieder wurde Teil in den Eingangsbereich eingelassen. Die Security-Mitarbeiter nummerierten die wartenden Konzertbesucher (mit einem Edding, auf die Hand). Dadurch war der Platz in der Schlange reserviert, die jungen Leute konnten bis 17.30 Uhr das Gelände verlassen. Was bei so manchem Elternteil, der in Begleitung mitgekommen war, durchaus auf Sympathie stieß: "Super, da können wir ja noch shoppen gehen", sagte eine Mutter Dienstagmittag zu ihrer Tochter. Die war von der Idee nur mäßig begeistert: "Sicher nicht. Wir bleiben hier und reservieren den Platz."
Die 20-Jährige Theresa hat ihren Platz in der Warteschlange mit einem braunen Sitzkissen reserviert. Theresa ist eine Belieberin (so nennen sich die Bieber-Fans) der erste Stunde. Es ist ihr zweites Bieber-Konzert und sie freut sich besonders auf die Musik. Aus der – wie sie sagt – "Oh-mein-Gott-Justin-ist-meine-große-Liebe-Phase" sei sie mittlerweile herausgewachsen.
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