Es ist der Schau „Denken. Handeln. Vermitteln“ im Wiener Belvedere 21 hoch anzurechnen, dass sie zwar all diese Aspekte erklärt, im Kern aber doch eine historische Geschichte erzählt. Denn Beuys war zweifellos ein Produkt seiner Zeit: Die Spannungen des Kalten Krieges, die offenen Wunden Nachkriegsdeutschlands und das aufkeimende Ökologiebewusstsein fanden in seiner Person und seinem Werk einen Kristallisationskern.
Wien blieb in dieser Erzählung lange ein Nebenschauplatz. Dabei seien einige zentrale Arbeiten hier entstanden, bekräftigt Harald Krejci, Kurator der Schau. Und die Verbindungen zur hiesigen Szene seien für das Werk des Rheinländers wichtiger gewesen, als es die Handvoll von Beuys’ Ausstellungen und Auftritten in Wien erkennen lasse.
Die bei aller Komplexität von Beuys’ Werk kompakt gehaltene Schau im Belvedere 21 löst Allgemeines und Spezielles auch räumlich auf: Indem sie die Wien-Kapitel in zwei eingebaute Kuben verpackt, ergeben sich im sonst offenen Raum geschützte Situationen, was für Beuys’ Kunst nicht unwesentlich ist.
In einem der Räume sind Zeichnungen zu sehen, die auch in Beuys’ erster Wiener Ausstellung 1966 in der Galerie nächst St. Stephan gezeigt worden waren. Deren Leiter, Domprediger Msgr. Otto Mauer, war ein wichtiger Ankerpunkt für den Künstler: Mauer verstand Kunst als Brücke ins Spirituelle und erklärte Beuys’ Ansatz auch bei internationalen Auftritten.
In der Galerie St. Stephan versuchte Beuys 1967 mit der Performance „Eurasienstab“, Ost und West – für ihn gleichbedeutend mit Ratio und Intuition, Wärme und Kälte – symbolisch zu vereinen. Walter Pichler, Otto Muehl und Hermann Nitsch schauten damals aufmerksam zu.
Tatsächlich lassen sich viele Verbindungen zwischen Beuys, den Aktionisten und anderen Wiener Kunstprotagonisten finden – etwa in der grenzüberschreitenden Lust, von der Sprache bis zur Margarine alles als Material zu benutzen, aber auch im missionarischen Eifer.
Auch Beuys war, was der Schriftsteller Antonio Fian mit Blick auf Hundertwasser, Nitsch und Muehl „Erlösungskünstler“ nannte – getragen von der Überzeugung, die Welt mit künstlerischen Mitteln neu und besser erfinden zu können. Wenn er sich zum Schamanen stilisierte und von seiner Gefolgschaft tief verehrt wurde, so umging er aber die Falle des Autoritären – Hierarchiefreiheit und Basisdemokratie blieben Pfeiler seines Tuns, das sich ab den späten 1970ern immer mehr dem Aktivismus zuwandte.
Das zweite Wien-Kapitel der Schau zeichnet nach, wie Wien als Außenposten des Beuys-Universums auf dessen Zentrum zurückwirkte. Nicht nur, dass eine 1978 vom damaligen Rektor Oswald Oberhuber offerierte Professur an der „Angewandten“ in Deutschland für heftige Debatten sorgte: 1979 realisierte der Künstler auch den „Basisraum nasse Wäsche“ in Wien. Es war ein Seitenhieb auf das Museum moderner Kunst im barocken Palais Liechtenstein, von dem Beuys meinte, in dessen Räumen könne man nur nasse Wäsche aufhängen. Zugleich war das Werk Sinnbild für Beuys’ alchemistisches Weltbild, in dem sich alles ständig transformiert, Fett zur Seife und Schmutz zur Reinheit wird.
Als Beuys’ 1982 auf der Kunstschau documenta gestartete Aktion, in Kassel 7.000 Eichen zu pflanzen, nur schleppend anlief, blickte der Kunststar erneut nach Wien, wo er u. a. das heutige MuseumsQuartier zu bewalden gedachte. 1983 wurde er von Bruno Kreisky wie ein Staatsgast empfangen.
Es bleibt die Frage, wie viel von dieser damals so präsenten Aura an den Objekten kleben bleibt. Die Relikte des „Basisraums“ landeten ironischerweise im kritisierten Museum (heute mumok) und werden im Belvedere 21 ein wenig verhalten präsentiert.
Doch viele Dinge – das „Erdtelefon“ von 1968 etwa oder die bis 1985 entstandenen „Hirschdenkmäler“ – haben eine erstaunliche Präsenz: Sie strahlen wie Dinge aus einer archaischen Kultur, die scheinbar immer schon da gewesen sind – und natürlich stets hochaktuell sind, auch ohne Jubiläum.
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