Für die neue Ausstellung „Fragile Schöpfung“ wurden wieder etliche Werke neu angekauft, erzählt Schwanberg. Gerade in der Krise sei Geld, das Künstlern und Galerien direkt zugutekommt, nachhaltiger investiert als in Leihgebühren und Versicherungsprämien.
Auch wenn das Dom Museum explizit Menschen jeder Kultur und Religion ansprechen will, stellt die neue Schau doch gleich im Titel die Glaubensfrage, indem sie mit dem Begriff der „Schöpfung“ hantiert. Wie Co-Kurator Klaus Speidel mit Rückgriff auf Papst Franziskus erklärt, ist der biblische Begriff aber durchaus mit der Evolution vereinbar – und wie die Kunst zeigt, erlaubt das Verhältnis zwischen Mensch und Natur durchaus verschiedene Konzepte der Beseelung und auch Beherrschung des einen durch das andere. Im katholischen Feld hat sich der Begriff der „Schöpfungsverantwortung“ an die Seite des biblischen Mottos „Macht euch die Erde untertan“ gestellt.
In den Sälen des Dommuseums durchschreitet man daher weniger einen Lehrpfad über ökologische Problemstellungen als ein Stationentheater zu einer komplexen Beziehungsgeschichte. In einem Video am Beginn singt da die Künstlerin Estefanía Peñafiel Loaiza aus Ecuador tatsächlich Bäumen Schlaflieder vor (wer tiefer gräbt, entdeckt ein komplexes Beziehungsgeflecht zur Kolonial- und Migrationsgeschichte).
Der Wunsch, die Natur (oder Gottes Plan dafür, je nachdem) durch Darstellung zu begreifen, wird entlang verschiedener Epochen und Materialien durchdekliniert – von den erwähnten Blumenstudien um 1900 bis hin zur Darstellung eines Sonnenaufgangs mit einer Wurstscheibe bei Dieter Roth (1988) bis zu Bodenproben, den sogenannten „Schollen“ von Betti Beier (2005 – 2014).
In den hinteren Bereichen der Schau bekommt dann die verletzte Natur mehr Gewicht – Mark Dions mahnende Skulptur, bei der ölverschmierte Vögel wie Lynching-Opfer von einem Baum hängen, paart sich hier mit Catrin Bolts scheinbar romantischem Bild einer Eislandschaft, die bei näherer Betrachtung ein Plastiksackerl in Großaufnahme ist.
Wenn man der Ausstellung etwas vorwerfen kann, dann wohl, dass sie in zu viele Richtungen gleichzeitig denkt. Auch erzeugt das Nebeneinander von eklatant unterschiedlichen Kunstwerken eine Unruhe, die dem konzentrierten Schauen entgegensteht; vielen Werken wünscht man mehr Platz, um alleine für sich zu strahlen. Doch aus der Reibung des Gegensätzlichen springen dann doch Funken der Anregung, die eine reine Ausstellung zum Thema Ökologie oder Landschaft in dieser Form nicht zustande brächte.
Die Schau „Fragile Schöpfung“ läuft bis zum 29. August 2021. Begleitend ist ein Katalog erschienen (16,95 €).
Museumspreis
Das Dom Museum Wien am Stephansplatz wurde 2017 in generalüberholter Form neu eröffnet. Es beherbergt neben bedeutenden Werken der Sakralkunst auch die Sammlung des kunstsinnigen Dompredigers Msgr. Otto Mauer (1907 – 1973). Vergangene Woche erhielt das Haus den mit 20.000 Euro dotierten Österreichischen Museumspreis: Die Institution in kirchlicher Trägerschaft sei „ein vermittelnder und der Vermittlung dienender sozialer Ort, der Menschen aller Kulturen und Religionen gleichermaßen anspricht“, urteilte die Jury.
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