Josefstadt: Schnitzler im Dämmerzustand

Josefstadt: Schnitzler im Dämmerzustand
Kritik: Für die Josefstadt hat Igor Bauersima Schnitzlers "Traumnovelle" für die Bühne umgeschrieben. Die Frage ist: Warum?

Wenn das Absicht war, dann hat es funktioniert: Schon nach wenigen Minuten fallen viele Besucher der Uraufführung von "Traumnovelle" in der Josefstadt in einen Dämmerzustand, in dem auch sie nicht mehr genau wissen, ob sie das Geschehen auf der Bühnen träumen oder wirklich erleben.

Nur, dass echte Träume fast immer wesentlich weniger fad sind.
Der Schweizer Theatermann Igor Bauersima hat Schnitzlers hochgradig freudianisch motivierten, kunstvoll verrätselten Prosatext selbst für die Bühne umgeschrieben, in Szene gesetzt und auch das natürlich von Spiegeln dominierte Bühnenbild gebaut. Das Ergebnis ist dürftig.
Woran liegt es? In Schnitzlers Text wimmelt es von geheimnisvollen Motiven, an deren Entschlüsselung sich Generationen von Germanisten abarbeiten. Dabei ist alles ganz einfach: Wie immer bei Schnitzler geht es um Sex (und in weiterer Folge, wie immer bei Sex, um Macht).

Schweinsbraten

Davon ist in dieser Inszenierung wenig zu spüren. Sie ist weder besonders sexy (obwohl Hilde Dalik wieder einmal ihren nackten Körper in den Dienst der Sache stellt), noch besonders bedrohlich. Sie ist eher ein wenig tranig, schleppend, zäh, all das, was dem Regisseur offenbar zum Thema "Traum" eingefallen ist. Dieser Traum fühlt sich aber weniger erotisch als dumpf an, als zerrten nicht verdrängte Begierden an der Seele - sondern das eine oder andere schlecht gekaute Stück Schweinsbraten.

Auffällig ist, dass Bauersima und seine Darsteller keinen Ton und keinen Groove für diese ständig von Musik begleitete Aufführung fanden. Alexander Pschill als Mediziner Ferenc im erotischen Abenteuerurlaub bemüht sich nach Kräften, bleibt aber farbenarm und eintönig. Auch Hilde Dalik als seine sexuell unterforderte Frau gibt alles, klingt aber teilweise
nahezu ratlos. Auch in den übrigen Rollen wird durchaus korrekt, aber ohne Inspiration gearbeitet.

Marginalisiert

Ergebnis: Das ist kein wirklich schlechter Abend - dazu sind alle Beteiligten (vor allem Schnitzler) zu gut. Nur ein recht fader.
Bleibt eine Frage: Warum ist es überhaupt notwendig, einen großartigen Prosatext zu einer Bühnenfassung zu marginalisieren? Wenn man ja auch - wenn es schon um Schnitzler, Sex und seelische Abgründe gehen soll - "Das weite Land" zur Verfügung hätte? Da die Josefstadt es trotzdem versucht hat, kann man ihr den Vergleich mit dem großen Stanley Kubrick nicht ersparen. Seine Filmversion "Eyes Wide Shut" - für die er die vorhandenen Krisen seines Darstellerpaares Tom Cruise und Nicole Kidman gnadenlos ausbeutete - war ungleich gefährlicher, erschreckender und auch erotischer.
Am Ende gab es wenig begeisterten Applaus vom größeren Teil des Premierenpublikums - und trotzig klingende Bravos vom kleineren.

KURIER-Wertung: *** von *****

Fazit: Schwerfällig statt sehr erotisch

Stück
Bauersima dramatisierte Schnitzlers Tiefenpsychologie-Diplomarbeit "Traumnovelle": Mann und Frau begegnen real und/oder im Traum ihren verdrängten sexuellen Obsessionen - und natürlich Tod und Gewalt. Ihre Beziehung wird das kaum überstehen.

Regie
Weder sehr erotisch noch sehr gefährlich. Eher schwerfällig.

Spiel
Alle bemühen sich nach Kräften, aber die Aufführung findet keinen Groove.

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