Josef Hader bei der Berlinale: "Wilde Maus" erheitert den Wettbewerb

Hader in "Wilde Maus"
Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus" stimmt das Publikum heiter, ein Drama aus dem Kongo eher trüb.

"Dieser Film handelt von mir", hatte ein gespannter deutscher Filmkritiker bereits im Vorfeld geschrieben. Er freute sich auf die Premiere von Josef Haders "Wilde Maus" – und konnte sich offensichtlich mit der Inhaltsangabe von dessen Regiedebüt voll identifizieren: Ein fünfzigjähriger Musikkritiker, mieselsüchtig und arrogant, steckt in der Midlife-Crisis. Sein halbes Leben hat er sich mit fiesen Verrissen profiliert, nun steht er vor dem beruflichen Aus. Die anderen Kollegen sind jünger und billiger.

"Ihre Leser sind zum Großteil schon tot", begründet der Chef die Kündigung des Journalisten Georg Endl, den Hader höchst persönlich in "Wilde Maus" spielt – und erntet bei seiner Premiere vor dem Pressepublikum glucksendes Gekicher. Überhaupt wurde viel gelacht über den verzagten Rachefeldzug, den der gefeuerte Kritiker gegen seinen (deutschen) Ex-Chef startet: Mit dem Schlüssel dessen Autotür zerkratzen, einen toten Fisch in den Swimmingpool werfen, die Wand der Luxusvilla besprühen – lauter kleine Gewaltakte, die letztlich aber doch recht armselig-komisch daher kommen.

Auch seiner Frau – einer stoischen Pia Hierzegger – mag Endl nichts von dem Rauswurf erzählen, zumal er deren glühenden Kinderwunsch bislang nicht erfüllen konnte. Stattdessen tritt er die Flucht in den Prater an, trifft dort auf einen alten Schulkollegen und nimmt mit diesem eine stillgelegte Hochschaubahn – die "Wilde Maus" – in Betrieb.

Angeschlagen

Vor allem dort, im Prater und dessen Dämmerlicht, findet Hader immer wieder zu schönen, somnabulen Bildern. Mit Georg Friedrich als weinerlichem, aber stets sensiblem Prater-Kumpel, sichert er sich und seiner renitent-traurigen Hauptfigur einen kongenialen Spielpartner. Und Pia Hierzegger als vernachlässigte, Rotwein-verliebte Ehefrau geht inzwischen resolut ihre eigenen Wege und testet mit dem ihr typischen, gefühlsunterkühlten No-Nonsense-Humor die Grenzen der angeschlagenen Beziehung.

Hader unterfüttert seine selbstkritische Milieu-Beschreibung mit zarter Verzweiflung und lakonischem Witz. Die Identitätskrise des alternden Kulturkritikers wird zwar durchaus ernst genommen; doch im Lichte der trüben Weltnachrichten, die wie nebenher aus Radio und Fernsehen tönen und vom Flüchtlingselend berichten, bekommen sie auch etwas sehr Relatives. Vielleicht mit ein Grund, warum sich die wohltemperierte Tragikomödie schließlich zum Slapstick zuspitzt und in einem irrwitzigen Lauf von Josef Hader in der Unterhose durch den Tiefschnee kulminiert.

Anstrengend

Die "Wilde Maus" heiterte in Berlin einen Wettbewerb auf, der auch von sehr tristen Verhältnissen zu berichten weiß. Eine Milieustudie der ganz anderen Art lieferte beispielsweise der Franzose Alain Gomis, dessen Frauenporträt "Félicité" von der Mühsal einer alleinerziehenden Sängerin in Kinshasa erzählt. Félicité fristet ein ohnehin schon ärmliches Leben und wird dann durch den Umstand überfordert, dass sie für ihren Sohn eine hohe Arztrechnung bezahlen muss. Gomis rückt seiner Hauptfigur ganz nahe auf den Leib und spürt den Anstrengungen ihrer Lebensroutine nach: Geld von Verwandten erbetteln, den Sohn im Spital besuchen, in der Bar singen. Gomis neigt zur Überhöhung, aber in seinen nachtschwarzen Bildern, die mit bleicher Helligkeit wechseln, entfaltet sich das intensive Spektrum einer Großstadt zwischen Holzbarracken und Hochhäusern.

Manchmal ist es ganz gut, wenn man abgelehnt wird. Dann hat man nämlich plötzlich viel freie Zeit zur Hand.

So erging es Josef Hader: Nachdem ein Filmprojekt mit "Knochenmann"-Regisseur Wolfgang Murnberger von österreichischen Förderstellen abgeschmettert worden war, hatte er "einen Sommer frei". Und in dem entstand sein Drehbuch zu "Wilde Maus", erzählt der Debütregisseur anlässlich der Pressekonferenz zu der Premiere von "Wilde Maus" in Berlin.

Warum er sich selber die Hauptrolle gegeben habe, will jemand wissen: "Weil ich in Österreich, aber nur in Österreich jemand bin, für den man ins Kino geht", so Haders bescheidene Antwort.

Gemeinsam mit seinen Hauptdarstellern Georg Friedrich, Pia Hierzegger und Jörg Hartmann ("der einzige Piefke auf der Bühne") steht Josef Hader Rede und Antwort. Die Frage nach dem gefeuerten Kritiker und die prekäre Lage des Journalismus drängt sich gleich als erstes auf: "Die Printjournalisten sind heute das, was die Grubenarbeiter im England der 80er Jahre waren", pointiert Josef Hader zu beifälligem Gelächter, und: "Ich bin Kabarettist, mich kann man nicht entlassen."

Auch sei sein Verhältnis zu Kritikern bislang immer sehr entspannt gewesen, zumindest in seiner Arbeit als Kabarettist: "Zuerst ist man jung, dann fällt einem kurz nix ein – und dann ist man eine Ikone."

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