Haders "Andrea lässt sich scheiden": Vom Leben und Sterben am Land

Die Stamperl werden auf ex getrunken, die Musik in der Dorfdisco ist schlecht, aber gut geeignet zum Anbandeln. Bei der Mehlspeise der Schwiegermutter traut man sich als brave Schwiegertochter nicht Nein sagen und die Autoritäten im Dorf – Lehrer, Polizist, Pfarrer – haben auch keine wirkliche Autorität mehr. Dazu kennt man sich zu gut, man tut sich gegenseitig nicht weh. Eine Hand wäscht die andere, auch wenn die noch so dreckig ist.
Wer am Land, in einem kleinen oberösterreichischen Provinzort, wie Josef Hader, aufgewachsen ist, kennt diesen Verhaltenskodex nur zu gut. Irgendwann ist es ihm dort zu eng geworden und er ging in die Stadt, er wurde etwas. Nämlich Künstler, Kabarettist, Schauspieler, Autor. Was ihm von seiner Kindheit und Jugend am Land geblieben ist, ist seine Art zu reden: direkt, ungeschönt, und wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Mit der ihm eigenen Lakonie hat Hader seine eigene, ganz spezielle Humor-Trademark geschaffen.
Nun also sein zweiter Kinofilm nach „Wilde Maus“, „Andrea lässt sich scheiden“. Der Titel ist irreführend, denn Andrea (Birgit Minichmayr) nimmt das Wort Scheidung etwas zu ernst.
Die ehrgeizige Dorfpolizistin aus dem Weinviertel hat ihren Andy (Thomas Stipsits) satt, aber sie will ihm nichts Böses. Als sie ihm bei einem Geburtstagsfest im Wirtshaus erklärt, dass es keine Chance auf die Wiederbelebung ihrer Beziehung gibt, betrinkt er sich sinnlos. Haut ab, wankt zu Fuß nach Hause, nachdem sie ihm die Autoschlüssel abgenommen hat. Sie fährt kurz darauf auch heim und – wumm! – läuft ihr Andy vors Auto.

Wiederbelebungsversuche fruchten nichts, im Schock fährt sie weg. Wenig später klingelt es an ihrer Tür. Ihr Polizistenkollege sagt ihr, dass der Andy tot ist. Aber man habe denjenigen, der ihn überfahren hat, schon gefunden: den Religionslehrer Herrn Leitner.
So weit so skurril. Herr Leitner wird von Josef Hader selbst gespielt. Ein Mann mit traurigem Dackelblick und einem desperaten Gemüt, dem nur mit regelmäßigem Alkoholkonsum beizukommen ist. Andrea, dieses zarte und doch starke Persönchen, das jeden Mann im Dorf souverän in die Tasche steckt, wird verkörpert von Birgit Minichmayr. Die zeigt wieder einmal, was sie kann: Wie ein weiblicher Sheriff stapft sie durchs Dorf, lässt sich nichts gefallen und sich nicht unterkriegen. Dass sie wegwill aus ihrem gewohnten Revier, nach St. Pölten zur Kripo, ist eine andere Geschichte.
Um das Flair seines Films authentisch zu halten, suchte sich Hader einen niederösterreichischen Ort mit einer besonderen Attraktion aus: Unterstinkenbrunn im Weinviertel mit seinem sogenannten Zwiebel-Kreisverkehr. Aus der Mitte des Kreisverkehrs, auf der grünen Verkehrsinsel, ragt – von Weitem sichtbar – eine riesige lila Zwiebel in den Himmel. Gedacht quasi als Hommage an die Zwiebelbauern der Gegend. Auch in St. Pölten, im Landeskriminalamt, hat Hader gedreht.
Feiner Humor zieht sich durch den Film, nie sind die Pointen platt oder ordinär. Wunderbar die letzte Szene, in der Andrea, nachdem sie Selbstanzeige erstattet hat, gemeinsam mit Leitner nach St. Pölten fährt. Er lenkt sein kleines, rotes Auto, sie fragt ihn so nebenbei, ob er eh seinen Führerschein mit hat. „Jössas, den hab ich daheim vergessen“, erwidert er. Bremst, fährt an den Straßenrand, tauscht Andreas Kaffeemaschine gegen sein Auto ein und macht sich zu Fuß auf den Rückweg nach Unterstinkenbrunn.
Hoffentlich macht Josef Hader noch viele weitere Landlust- und -frustfilme.
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