Johnny Depp und ein vergessenes Manuskript
Nur Bob Dylan wusste es. Keine Ahnung, warum er Jahrzehnte nicht sagte, dass sein „letzter Held“, sein Lehrer und Ziehvater, der legendäre Woody Guthrie (1912– 1967) in den 1940er-Jahren einen Roman geschrieben hatte.
Nora Guthrie, die Tochter des Folk-Sängers und Nachlassverwalterin, hat offensichtlich auch nicht genau in die hinterlassenen Kartons mit rund 1000 unveröffentlichten Liedern geschaut. Sie konnte mit der Musik ihres Vaters früher wenig anfangen.
Rückblick 1939: Woody Guthrie hatte es nicht mehr ausgehalten, ständig im Radio das patriotische „God Bless America“ zu hören, den falschen Trost, und schrieb deshalb während seiner Vagabundenjahre in einem heruntergekommenen Hotel „This Land Is Your Land“ – rasch wurde es zum Manifest, zur Hymne des armen Amerika.
Später, als Bob Dylan oft zu Besuch bei den Guthries war, ist Nora immer geflüchtet: Sie fand Dylan schrecklich langweilig ...
Verleger Depp
„Haus aus Erde“ ist fast 50 Jahre nach Woody Guthries Tod aufgetaucht. Ein Historiker stieß auf das vergessene Manuskript. So verstaubt konnte es gar nicht sein: Es ist aktuell.
Johnny Depp sagt dazu: „Erzählt wird, wie die einfachen Leute nach Liebe und Sinn in einer korrupten Welt suchen, einer Welt, in der die Reichen den moralischen Kompass verloren haben.“
Was hat der Hollywood-Star mit dem Buch zu tun? Er hat es herausgegeben: Johnny Depp hat in New York den Verlag „Infinitum Nihil“ gegründet. Woodys Roman ist die allererste Veröffentlichung.
Belügen, betrügen
„Haus aus Erde“ ist kein Kuriosum. Es ist starke Literatur, menschenfreundliche – ein Folksong in der Definition Woody Guthries: „Er handelt von Problemen und wie man sie löst.“
Eine freizügige Sex-Szene hat das Buch auch, und was – sogar währenddessen! – geredet wird, klingt in der Übersetzung ebenso echt:
„Warum können wir nich genug Land haben, um drauf zu arbeiten? Warum nich?“
„ Ich weiß es nich, Lady. Bei den Menschen isses immer jeder gegen jeden. Sie belügen sich, sie betrügen sich, sie rennen und pirschen und hehlen und stehlen und zählen und schummeln, und dann schummeln sie noch mehr ...“
Es ist eine zeitlose Geschichte, aber spielt im trostlosen Norden von Texas während Weltwirtschaftskrise, Dürre und Staubzyklonen. Dort lebte Woody Guthrie in jungen Jahren. Die Armen wohnten (auf Pachtgründen) in Holzhütten, zerfressen von Termiten, und die Reichen in Steinhäusern.
Holz wurde für Guthrie deshalb zum Synonym für die Ausbeutung. Seine Utopie war, dass alle (wenigstens) Häuser aus Lehm bauen können, von der Sonne gebrannte Erdziegel. Wie Pueblo-Indianer. Davon träumen auch seine Romanhelden.
„Haus aus Erde“ ist ein Lied des Aufbegehrens. Ein Appell, aufseiten der Schwachen zu stehen. Woody Guthrie hasste nichts mehr als Lieder oder Bücher (oder Menschen), die einem das Gefühl geben, dass man nichts taugt, nur verlieren kann, nichts wert ist ...
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