wien MITTE: Woody Guthrie

wien MITTE: Weihnachtswunder
"Was man also von Woody lernen kann: Gack dich nicht an."

Es wird wärmer. Wir gehen wieder raus. Bei uns in Erdberg läuft Woody Guthrie. Ich nehme mir vor, bald der Brut zu erklären, wer Woody Guthrie war. Woody Guthrie wäre heuer hundert Jahre alt geworden, war der König der Folksänger und bleibt es für immer. Du warst draußen bei minus zehn Grad? Woody hat minus vierzig erlebt, "up in Maine". Du hast einen Song geschrieben? Woody hat zweitausend Songs geschrieben. Was man also von Woody lernen kann: Gack dich nicht an. Man kann eine Menge und hält ziemlich viel aus. Es gibt kaum wichtigere Lehren. Ich nehme mir außerdem vor, mit der Liebsten und der Brut ins Kunsthistorische zu gehen und tolle alte Bilder anzuschauen. Als die Liebste und ich richtig jung waren, Mitte der Neunziger, rannten wir an einem eisigen Spätwintertag vom Arsenal, wo wir lebten, runter ins Kunsthistorische und schauten uns stundenlang Rubense, Breughels und Habsburgerporträts an. Das Glück dieser Erfahrung lagert noch immer in mir, und ich stelle mir vor, in der Brut irgendwas anzünden zu können, wenn wir ins Kunsthistorische gehen. Einstweilen hatten wir den Breughel dreidimensional, vor der Haustür. Sprich: Eislaufen, alte Donau. Wir hatten halt leider das Eis vor dem Schnee verpasst, das spiegelglatte, nachtschwarze. Wir kamen erst, als der Schnee draufgefallen war, und das Eislaufen zum Stöckeln mit Schlittschuhen wurde, von einer kleinen glatten Fläche zur nächsten. Die Drittgeborene und ich ließen es uns trotzdem nicht verderben. Hand in Hand querten wir die Alte Donau. Rundherum Tausende Wiener, erst dachten wir ja: Nur lauter Bourgeois Bohemiens, um den Begriff respektvoll auszuschreiben. Mamas mit Norwegermützerln, Kinder mit unbequem wirkenden Retro-Schlittschuhen. Dann aber sahen wir beim schönsten, gepflegtesten und glattesten Eisgeviert ein paar junge fesche Kampln, die anders waren und eindeutig Kagraner Lokalhoheit ausstrahlten.

"Tut leid", ließ der Häuptling, den Eishockeyschläger in der Hand, die Bohemiens und uns wissen, "des is unsa Eis. Mia schbüün do. Mia hom extra a Wegerl umadum g’schaufelt!" Die Drittgeborene und ich dankten für das Wegerl, wichen aus und gackten uns nicht an: This land is your land, this land is my land.

ernst.molden(at)kurier.at

Kommentare