John Goodman: "Politik ist Showbusiness geworden"

John Goodman: "Politik ist Showbusiness geworden"
Mit dem Politthriller "Argo" eröffnet am Donnerstag die 50. Viennale. Eine der Hauptrollen neben Ben Affleck spielt Vollblut-Showman John Goodman.

Der Mann ist müde: "Das Reisen fällt mir immer schwerer mit fortschreitendem Alter", murmelt John Goodman und gähnt herzhaft. Der 60-Jährige macht für einen Tag Station in London, um gemeinsam mit Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck den Thriller "Argo" zu promoten. Einen bis zur letzten Sekunde spannenden Abriss über die Geschehnisse rund um die Erstürmung der US-Botschaft in Teheran 1979. 52 Amerikaner wurden damals von Ayatollah Khomeinis Gefolgsleuten als Geiseln genommen, sechs konnten entkommen und in die kanadische Botschaft flüchten. Die waghalsige CIA-Aktion zur Befreiung dieser sechs ist das Thema von "Argo".

KURIER: Mr. Goodman, haben Sie noch Erinnerungen an die damaligen Geschehnisse in Teheran?
John Goodman:
Nein, eigentlich nicht. Naja, vielleicht an die Schlagzeilen in den US-Zeitungen: "Schon 200 Tage!" und so weiter, wo das endlos scheinende Martyrium der US-Geiseln thematisiert wurde. Aber prinzipiell interessiere ich mich nicht für Politik: Sie ist für mich Showbusiness geworden. Es gibt immer mehr Medien mit einem ganz spezifischen Publikum, die nur die sensationshungrige Meute füttern wollen. Sie verbreiten konstante Aufregung und können keine klaren Gedanken mehr fassen. Und was die Politiker betrifft: Jeder hat Angst, etwas Falsches zu sagen und damit vielleicht seine Position zu gefährden. Also sagt keiner mehr etwas Sinnvolles.

Wie war es für Sie, einen Schauspielerkollegen als Regisseur zu haben?
Das war kein Problem für mich. Ben Affleck war extrem gut vorbereitet, ein perfekter Teamcaptain. Er hat all unsere Vorschläge aufgegriffen und ist auf uns eingegangen. Es hätte nicht besser sein können.

Sie spielen einen Make-up-Spezialisten in Hollywood, der auch gelegentlich für die CIA arbeitet. Könnten Sie sich so ein Doppelleben tatsächlich vorstellen?
Nein. Ich rede nur und bin undiplomatisch. Ich würde da wohl alles falsch machen.

Warum sind Sie Schauspieler geworden?
Ich habe irgendwann entdeckt, dass es das Einzige ist, was mir liegt. Wo ich mich gut und wohl gefühlt habe. Ich habe dann Drama studiert und sagte mir: Du musst den Mut haben und probieren, ob du was taugst in dem Beruf. Ich ging nach New York und dachte, lang werde ich wohl nicht dort sein. Aber Sie sehen ja: Sie haben mich noch nicht ausgemustert.

Sie haben ja eigentlich zwei Karrieren: Eine als Fernsehstar und eine im Kino.
Ich versichere Ihnen: Es ist dieselbe Karriere. Ich erzähle den Leuten nette Lügen, egal, ob auf einer Bühne, vor einer TV- oder einer Filmkamera. Ich kann nur sagen, ich habe einfach gemacht, was angefallen ist. Das, was man mir angeboten hat. Ich habe nie gedacht: Ui, das ist ja Fernsehen. Als man mir die Rolle in der Serie "Roseanne" in den Achtzigern angeboten hat, war es höchste Zeit für mich, mein Leben aus dem Koffer zu beenden. Ich brauchte damals Regelmäßigkeit in meinem Leben.

Hatten Sie auch schlechte Zeiten?
Zum Glück hatte ich nie ganz schlechte Zeiten. Nur die, die ich mir mit meinen Selbstzweifeln und ewigen Ängsten selber bereitet habe. Ich konnte mich immer ganz gut mit Fernsehspots über Wasser halten.

Wie ist es, wenn man schon so lange im Geschäft ist wie Sie? Weiß man schon alles? Wird alles leichter?
Nun, ich kenne inzwischen ein paar Tricks und Abkürzungen, die mein Leben leichter machen. Ich kann etwa sehr gut mit der lähmenden Langeweile zwischen den Takes umgehen. Ich kann da gut abschalten und mich auf andere Dinge besinnen, die für mich wichtig sind. Was allerdings immer beschwerlicher für mich wird, sind Drehs an Orten, die weit weg sind. Ich bin nicht mehr der Jüngste.

Welche Fähigkeiten muss man haben, um sich an der Spitze zu halten?
Viele Vitamine? Perfektes Make-up? Nein, ich weiß es nicht. Es gibt kein Geheimnis für den Erfolg. Ich spiele einfach. Ich mache immer weiter. Ich bin Teil eines Teams und das gern.

Bemühen Sie sich auch aktiv um eine Rolle – wie die in "Argo", die Ihnen auf den Leib geschnitten scheint? Oder gehen Sie nur nach den Angeboten, die Ihnen Ihr Agent vorlegt?
Wenn mir das Drehbuch gefällt, sage ich zu. Und, nein, ich bin nicht der Typ, der ins Büro eines Produzenten marschiert und sagt: Ich bin so gut und so wichtig, gib mir die Rolle. Ich würde nie jemanden bitten, mich zu engagieren. Da bin ich nicht gut darin.

Was hält Sie am Boden?
Die Angst, keine Rollen mehr zu bekommen. Nein, jetzt ohne Scherz: meine Frau, meine Tochter, meine Verbundenheit mit New Orleans. Das hilft mir, normal zu bleiben.

Sie sind jetzt 60 und haben schon alles gemacht, von der TV-Show "Saturday Night Life" bis zu "The Big Lebowski" und den "Flintstones". Könnten Sie sich vorstellen, nicht mehr zu arbeiten?
Oh ja, das kann ich mir gut vorstellen. Diesen Sommer habe ich mir einmal für zwei Monate freigenommen und es richtig genossen. Es war das erste Mal, dass ich nicht ständig das Gefühl hatte, ich vergäbe mir eine Möglichkeit, wenn ich eine interessante Rolle nicht spiele. Es war einfach schön. Ich freue mich schon darauf, wieder nichts zu tun.

Er wirkt nicht so, wie man sich einen Kreativen vorstellt: Ben Affleck ist ungeduldig, preußisch genau, effizient. Penibel bedacht darauf, nur ja keine Minute seiner kostbaren Zeit auf Geschwätz zu verschwenden. Schneller als man eine Frage gestellt hat, ist sie schon beantwortet.

Wie es dazu gekommen sei, dass er "Argo" zu seinem ganz persönlichen Projekt gemacht habe? – "Ich habe George Clooney (Clooney und Grant Heslov sind die Produzenten von "Argo", Anm.) so lange am Telefon genervt, bis dieser mich engagiert hat."

Wieso er Regie führt und dazu die Hauptrolle des CIA-Agenten Tony Mendez spielt? – "Ach, ich hab’ mit dem Regisseur geschlafen und war so gut, dass der mir die Hauptrolle gab."

Wie politisch er sein wollte? – "Ich wollte nicht politisch relevant, sondern authentisch sein. Ich habe jedes Detail nachrecherchiert, mir Videos von den damaligen Ereignissen in Teheran angesehen, die CIA-Zentrale in Langley besucht. Es sollte der beste Film werden, den ich machen kann."

Affleck, im August 40 geworden, galt lange Zeit als das "Whizkid", der ambitionierteste Jungstar Hollywoods: Gemeinsam mit seinem besten Freund und Studienkollegen in Cambridge, Matt Damon, schrieb er das Drehbuch für die Außenseiter-Story "Good Will Hunting" – und erhielt dafür mit Damon 1998 einen Oscar und einen Golden Globe.

In den Neunzigerjahren machte Affleck zeitweise mehr Schlagzeilen mit seiner Affäre mit Po(p)star Jennifer Lopez als mit seinen Filmen: Er spielte in Blockbustern wie "Armageddon" und in Independent-Produktionen wie "Dazed and Confused", aber auch in anspruchs­vollen Studiofilmen wie "Die Hollywood-Verschwörung". Seine erste Regiearbeit war 2007 "Gone Baby Gone". 2010 folgte das Drama "The Town".

Beim dritten Mal, so hatte sich Affleck geschworen, werde er alles noch besser machen: "Ich wollte ,Argo" unbedingt drehen und wusste genau, wie ich es angehen muss. Alles hatte ich genau im Kopf."

Letzte Woche wurde "Argo" in Los Angeles Oscar-Juroren vorgeführt. Sie sollen dem Film spontanen Applaus gespendet haben.

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