John Cage: 100. Geburtstag des Tonkünstlers

John Cage: 100. Geburtstag des Tonkünstlers
Er gilt als einer der einflussreichsten Musikschaffenden des 20. Jahrhunderts. Am am 5. September jährt sich der Geburtstag des 1992 verstorbenen John Cage zum 100. Mal.

John Cage war ein Künstler, dessen enorme Bedeutung für die Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts sich nicht aus der Präsenz oder besser Absenz seiner Werke im heutigen Musikbetrieb ableitet, sondern aus dem Einfluss, den er auf ganze Generationen von Komponisten ausübte. Der Meister des Zufallsprinzip galt darüber hinaus als einer der Mentoren von Fluxus sowie der Happeningbewegung. Der Geburtstag des am 12. August 1992 verstorbenen Künstlers jährt sich nun am 5. September zum 100. Mal.

Ton und Geräusch - diese Unterscheidung wollte John Cage nicht gelten lassen. So wollte der US-Amerikaner auch kein "Tonkünstler" sein, sondern Musik als die Summe all dessen begreifen, was sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums hören lässt. Und dazu gehörte für ihn nicht zuletzt auch die Stille. So wurde "4 Minuten 33 Sekunden" aus 1951 - sein "dreisätziges Schweigestück" - sein bekanntestes Werk. Mit wissenschaftlicher Akribie lotete Cage die Grenzen der Komposition und der Tonerzeugung aus - um im hohen Alter schließlich doch wieder zu einem klassischen Ideal zurückzukehren: "Eine wunderschöne Musik zu schreiben".

Cage ging seinen eigenen Weg

Zunächst aber löste sich der am 5. September 1912 in Los Angeles geborene Komponist auf der Suche nach seinem eigenen Weg rigoros von allem Tradierten. Dabei ließ er auch Vorbilder wie Arnold Schönberg hinter sich, bei dem er zwischen 1934 und 1937 das kontrapunktische Rüstzeug der Wiener Schule erlernte. Der Exilösterreicher hatte den Sohn des Erfinders Milton Cage als Schüler angenommen, obgleich dieser ihn nicht bezahlen konnte. Im Gegenzug musste Cage ihm geloben, "sein Leben der Musik zu widmen". Schritt für Schritt entfernte sich Cage dabei von der Zwölftonmusik seines Meisters und besann sich seiner eigenen Wurzeln: "Mein Vater war ein Erfinder. Wenn ich es kann, dann erlebe ich mit jedem neuen Stück so etwas wie eine Entdeckung." 1941 rief Moholy-Nagy den aufstrebenden Cage als Professor für experimentelle Musik an die Chicago School of Design.

Eifrig bediente sich dieser zu diesem Zeitpunkt schon in der Instrumentenkiste des 20. Jahrhunderts. 1939 entstand etwa das Stück "The Imaginary Landscape No.1", das als eine der ersten elektronischen Kompositionen gilt. Dafür versah er die Kaviersaiten mit Gummibändern oder Kupfermünzen. Diese präparierten Instrumente wurden sein Steckenpferd, für das er ab 1946 vornehmlich komponierte. Schließlich traten die Geräusche hinzu, etwa ein Küchenmixer in dem 1962 komponierten Stück "O`O". Und nicht zuletzt wurde Cage ab 1967 auch zu einem der Pioniere im Einsatz des Computers in der Musiklandschaft.

 

Der Künstler-Philosoph

Die bewusste Verwendung des Zufalls in der Musik entsprach dabei seiner auf fernöstlicher Weisheit fußenden Philosophie. Dem Zen-Buddhismus folgend, der zur Befreiung von allem materiellen Streben rät, setzte sich Cage nicht mit Bleistift an Klavier und Notenblock, sondern überließ die Struktur seiner Kompositionen dem Muster von Sternkarten, Holzmaserungen, Computerprogrammen oder der Eigenart der mit ihm Musizierenden.

Gemäß der Kunstsicht seiner Zeit strebte Cage an, die Barriere zwischen Kunst und Leben zu durchbrechen und beide Elemente zu vereinen. Aus diesem Anspruch erklärt sich auch der enorme Einfluss des heute ungeachtet aller Bekanntheit wenig gespielten Tonwerkers, zumal er damit renommierte Komponisten wie Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen oder György Ligeti beeindruckte.

Dem Cage`schen Streben, das eigene Leben zu einem Gesamtkunstwerk zu transformieren, konnte und wollte jedoch kaum einer der Apologeten folgen. Die Musik des ausgewiesenen Pilzliebhabers fand stets ihre Ergänzung oder Weiterentwicklung in Gedichten, Essays und Vorträgen, in Hörspielen für den Rundfunk und in Grafiken. Seinen kongenialen Lebenspartner fand Cage darin im 2009 verstorbenen Choreografen Merce Cunningham, den er an der Cornish School of the Arts in Seattle kennengelernt hatte. Über 50 Jahre lang arbeiteten die beiden in zahlreichen Projekten gemeinsam. So fungierte Cage unter anderem als musikalischer Leiter der Merce Cunningham Dance Compay und unternahm mit der Truppe zahlreiche Tourneen. Auch fanden sich Cunningham und Cage 1952 mit Robert Rauschenberg und James Tudor zum ersten Happening der Geschichte zusammen.

Die Bedeutung John Cages bemisst sich heute allerdings weniger an den konkreten Werken, die von ihm überliefert sind. Sie schöpft vielmehr aus den grundsätzlichen Fragen nach Freiheit und Disziplin, Beliebigkeit und Zufall, Kunst und Leben, Gesellschaft, Individuum und Utopie, die der Künstler-Philosoph aufwarf.

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