Sondern?
Auch beim Mozartjahr 2006 habe ich viel von der Musik, viel vom Geschehen rund um Mozart aus dem Heute programmiert. Mir wurde klar: Wenn dieses Strauss-Jahr 2025 über das, was 1999 zum 100. Todestag veranstaltet wurde, hinausgehen soll, muss man mehr machen als klassische Konzertprogramme. Man muss es völlig neu denken. Ich habe daher Künstlerinnen und Künstler aus zehn verschiedenen Genres eingeladen, sich mit Strauss per se auseinanderzusetzen, mit ihm als Basis und Katalysator etwas Neues zu kreieren, ihn nicht nur zu interpretieren. Sondern aus dem, was er darstellte und hinterließ, etwas zu formen: Ein Welthauptstadtjahr der Musik für Wien. Strauss war, heißt es, immerhin der erste Popstar. Woran ich nicht so recht glaube.
Mir kam immer vor, dass ich bei Falco gelernt habe, dass Mozart der erste Popstar war!
Mir gefällt der Begriff nicht sehr. Für mich heißt dieses Klischee: Ein Popstar ist der, dem es gelungen ist, populär zu werden.
Was ja für das Gesamtunternehmen der Strauss-Familie schon das eigentliche Ziel war.
Klar. Aber Beethoven war auch populär, und man würde nicht sagen, er war ein Popstar.
Popstars sind meist nur kurz in. Ist das nicht bei Strauss auch so, dass die Beziehung, die behauptete Liebe der Österreicher zu ihm, so etwas wie eine erkaltete Ehe ist, die man gar nicht mehr fühlt?
Da gehe ich nicht konform. Man fühlt sie, aber man geniert sich ein bisschen.
Warum?
Für jeden, der seriös Musik macht, ist er der Tanzmusiker, der Unterhaltungskomponist. Aber wenn man sich seine großen Konzertwalzer anschaut, die sind ja gewaltig! Nicht umsonst haben Brahms, Bruckner und viele andere ihn um seine genialen Werke beneidet. Trotzdem hat es viel Überzeugungskraft gebraucht, die Künstlerinnen und Künstler zu gewinnen, sich einmal mit Strauss zu beschäftigen, und sie sich damit nichts vergeben und nicht in eine Schublade kommen. Diese Schublade, das muss ich gestehen, ist wahnsinnig gefährlich.
Denn abseits des 31. 12. und 1. 1. hört man sonst Strauss so gut wie gar nicht im Konzertleben, nur bei diesen Weiße-Perücken-Konzerten, für die man Touristen auf der Straße Tickets andreht.
Natürlich kennt man vom Donauwalzer die ersten paar Takte. Ich habe kürzlich mit einer Gruppe von Menschen, die regelmäßig ins Konzert geht, bei einem Vortrag gewettet: Ich spiele ihnen zehn Stellen vor, und sie werden nicht erkennen, dass das der Donauwalzer ist. Die Berühmtheit des Neujahrskonzerts ist wie ein Bumerang. Diese Punzierung bewirkt, dass man sein Werk anders aufarbeitet. Zum Auftakt des Mozartjahres hat Bernhard Lang „I Hate Mozart“ komponiert. Aber niemand würde heute von sich aus versuchen, eine „I hate Johann-Strauss-Operette“ zu schreiben. Strauss assoziiert man im Großen und Ganzen mit Silvester, Neujahrsfeiern und Glückseligkeit. Es ist eine Hürde, von dem wegzukommen.
Aber diese Einordnung – Strauss ist nur Unterhaltungsmusik – war doch damals, als Strauss noch wirkte, auch schon so, oder?
Es gibt böse Zungen, die behaupten: Er konnte nichts anderes als Walzer komponieren.
Na allerweil!
Ja, aber das will ich nicht glauben. Er hat auch zwei symphonische Dichtungen – Traumbild 1 und Traumbild 2 – komponiert. Und die weisen schon in eine andere Richtung. Ich denke aber, dass seine erste und dritte Frau, und natürlich seine Mutter, da clever ihre Finger im Spiel hatten. Die Mutter wollte ja mit dem Sohn dem Vater eins auswischen, ihn für seine Affären als Walzerkönig ruinieren. Das ist ihr ja letztendlich auch gelungen.
Was den Blick auf Strauss heute auch verstellt ist: Er steht exemplarisch für zwei Begriffe, die dieses Land definieren, aber nicht im uneingeschränkt Guten, nämlich für Walzerseligkeit und den Operettenstaat. Das macht es wohl nicht leichter, oder?
Ganz ohne Zweifel. Aber ich erhoffe mir, dass man nach diesem Jahr, nach den 65 großen Produktionen in zehn Genres mit 250 Spieltagen an 69 Locations, dass Strauss dann für diese Stadt noch etwas anderes evoziert. Weg von der Walzerseligkeit und dem Operettenstadl Österreich. Wir wollen die Vielfalt von Strauss rezipieren. Er ist in jedes Projekt integriert. Aber manchmal muss man auch als Kundiger genau hinhören, um zu erkennen, dass da wirklich Strauss drinnen ist. So wollen wir Strauss von seinen monochromen Punzierungen befreien.
Wie soll denn der neue Strauss dann sein? Kann der wirklich, sagen wir mal, junges Publikum ansprechen? Das versucht die Klassik seit langem mit gemischtem Erfolg, beim Strauss stellt man sich das noch extraschwierig vor.
Die Zielgruppe ist von 3 bis 99. Wir zeigen einige Produktionen extra für Kinder unter zehn Jahren. Aber ja, die 65+ Generation wird Strauss prinzipiell positiver sehen. Andererseits bauen wir im Szenischen auf neue Erwartungshaltungen. Man wird Strauss ganz anders erleben. Wir kreieren und produzieren in Zusammenarbeit mit dem Zirkus Roncalli ein ganz neues Genre für alle Menschen: die Zirkus-Operette „Cagliostro“.
So, wie es die Stadt gern will? Wie weit muss man da das Stadtmarketing berücksichtigen? Mussten Sie mit den Geldgebern viel diskutieren?
Nein. Das ist mein Vorteil meiner langen Tätigkeit in und für Wien. Sowohl Bürgermeister, wie Finanzstadtrat und Kulturstadträtin erwarten sich von mir ein erfolgreiches, spannendes und publikumswirksames Festprogramm. Damit war klar: Das wird nicht Tourismus. Natürlich hat die Stadt, die viel Geld hergibt, Interesse, dass man möglichst viele der Wiener Institutionen mit einbezieht, damit es nicht zu einer Konkurrenz kommt, sondern zu einem Miteinander.
Das war sicher das Schwierigste, oder?
Im Nachhinein kann ich sagen, es ist doch gelungen. Die zentralen Orte für Strauss waren der Musikverein – dort war er 30 Jahre lang in 30 Konzerte pro Jahr präsent – und das Theater an der Wien, wo fast alle seiner Operetten uraufgeführt wurden. Bei allen Grenzgängen: Es gab auch viele Institutionen, die von Anbeginn mit viel Freude dabei waren. Wir sind etwa mit dem Vienna City Marathon eine Kooperation eingegangen. Da gibt es am 5. April 2025 einen Fledermaus-Lauf für die Kleinsten von 3 bis 6 Jahren. Das ist nicht hohe Kunst und vielleicht grenzkitschig. Aber es ist ein Element, wo es uns gelingt, den Strauss unter einem ganz anderen Aspekt visibel zu machen.
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