Jodie Foster: "Ich fühle mich fast nie gut genug"

Jodie Foster.
Jodie Foster über ihre vierte Regiearbeit "Money Monster", Selbstkritik und die Allmacht des Geldes.

Zerbrechlich sieht sie aus in der großen Suite des Berliner Hotels Adlon – wie eine Porzellanpuppe, die man besser nicht berührt, weil sie so fragil ist. Aber dann beginnt sie zu reden und der Eindruck der Rühr-mich-nicht-an-Tussi ist wie weggeblasen: Die 53-Jährige ist eine Powerfrau: klug, eloquent, professionell. Sie weiß ganz genau, was sie will.

Foster, die schon als Kind vor der Kamera stand – lange vor ihrem Durchbruch mit Martin Scorseses "Taxi Driver" als 13-Jährige –, beweist mit der kapitalismuskritischen Farce "Money Monster", dass sie hinter der Kamera genauso gut ist wie davor. Mit George Clooney als windigem TV-Börsenguru, der vor laufender Kamera als Geisel genommen wird, und Julia Roberts als seine Producerin im Studio hat sie zwei Protagonisten gewählt, die den Film nicht nur tragen, sondern ihm auch eine breitenwirksame und unterhaltsame Note geben.

KURIER: Haben Sie etwas gegen Fernsehen, weil Sie eine Fernsehshow mit Börsentipps aufs Korn nehmen?

Jodie Foster:Nein. Ich habe sehr lange am Script gearbeitet, weil mich das Kapitalismusthema, diese dunklen Seiten der Wall Street, interessiert haben. Ich habe den Stoff erst einmal als Satire gesehen und musste ihm einen passenden Rahmen geben. So kam ich auf die bizarre Welt der TV-Shows. Dort zählt das Ego der Moderatoren und deren Inszenierung tausend Mal mehr als die Information, die eigentlich transportiert werden soll.

Jodie Foster: "Ich fühle mich fast nie gut genug"
money monster

Hatten Sie George und Julia im Kopf, als Sie das Drehbuch schrieben?

Nein, nicht so konkret. Aber natürlich ist mir gleich George eingefallen, als ich mich mit dem Casting beschäftigte. Es gibt nicht viele in der Branche, die eine Figur, die nicht liebenswert ist, so einnehmend spielen können wie er. Er ist als Fernsehstar Lee Gates ein Showman – selbstverliebt, oberflächlich, abgehoben. Er stellt Fragen nur zum Selbstzweck und kümmert sich nicht darum, was die Leute denken. Ein klassischer Fall von Realitätsverlust, verursacht durch plötzliche Berühmtheit. Dann wacht er – durch den Dialog mit seinem Geiselnehmer, einem enttäuschten Anleger, der jetzt pleite ist – auf und erinnert sich, wie er früher war. So eine Wandlung nimmt das Publikum nur einem George Clooney ab.

"Money Monster" kritisiert die Mechanismen der Finanzwelt, die für normale Menschen undurchschaubar, aber dennoch so anziehend sind, dass sie darauf hineinfallen und ihr sauer erspartes Geld investieren. Ist Ihr Film politisch?

Ich bin kein politischer Mensch und keine Sprecherin für irgendjemanden oder irgendetwas, sondern Filmemacherin. Aber ich bin der Meinung, dass Filme, die wahrhaftig sind, den Menschen die Augen öffnen können und ihnen helfen, Ideen für Veränderungen zu entwickeln. Oder zumindest das Bewusstsein dafür zu wecken, an wichtigen politischen Entscheidungen zu partizipieren. Kyle, der Kidnapper im Studio, ist für mich das typische Opfer eines Systems, das gegen ihn ist. Er hat nichts falsch gemacht. Er hat nur sein Geld falsch investiert und steht jetzt vor den Trümmern seiner Existenz. Opfer der Finanzwelt hat es immer gegeben seit der Weltwirtschaftskrise 1929, aber heute hat dieses Problem ganz neue Dimensionen angenommen. Es betrifft eine Menge kleiner Leute. In den USA wurde nach dem Finanzcrash 2008 eine Reihe von Regulierungsmaßnahmen eingeführt und die Leute mussten sich daraufhin nach neuen Möglichkeiten umsehen, mit Geldgeschäften Profit zu machen. Das ist natürlich gefährlich, vor allem für die, die sich nicht gut auskennen. Jeder redet über diese Millionengeschäfte, bei denen binnen Minuten Kapital gewonnen oder vernichtet werden kann, aber kaum einer versteht sie.

In einem Gespräch mit der "New York Times" meinten Sie, Sie hätten auch nach fünf Jahrzehnten im Geschäft und zwei Oscars noch Angst vor Versagen. Das ist eine einigermaßen erstaunliche Aussage.

Versagen bedeutet für mich Vieles. Es betrifft nicht nur meine konkrete Arbeit, sondern mein ganzes Leben. Ich finde, Ängste vor Versagen und kleine Neurosen können ausgezeichnete Motivatoren sein. Exemplarisch ist für mich meine Rolle als Mutter: Da fühle ich mich fast nie gut genug und werde auch regelmäßig mit den Konsequenzen meiner Entscheidungen konfrontiert. Da kannst du nicht perfekt sein. Nein, ich finde es wichtig, sich seine Fähigkeit zur Selbstkritik zu bewahren. Selbstkritisch sein heißt auch, immer besser werden zu wollen. Es ist auch das, was gute Künstler ausmacht: wach zu bleiben und offen. Sich selbst verstehen zu lernen und mit den Aufgaben zu reifen. Daran arbeite ich seit vielen Jahren.

Nein, die Karriere als Filmstar an der Seite von Julia Roberts und George Clooney wurde ihm nicht in die Wiege gelegt: Jack O’Connell, der zornige junge Mann aus dem britischen Derby, hätte genauso gut Dauerinsassse in einem örtlichen Gefängnis werden können. „Es war echt schwer, dem Ärger aus dem Weg zu gehen“, bekennt der 25-Jährige, der als Teenager wiederholt durch Übergriffe wie Körperverletzungen und Kleindiebstähle auffiel. Doch er hat die Kurve gekratzt: Seine Karriere im Film- und Fernsehgeschäft begann 2005, als er eine Rolle in der TV-Seifenoper „Doctors“ übernahm. 2014 kam dann der große Durchbruch, als er unter der Regie von Angelina Jolie die Hauptrolle des Kriegsgefangenen Louis Zamperini in „Unbroken“ übernahm.

Ist er der Darling von Frauen im Regiestuhl? „Nein, das ist purer Zufall“, meint der Bad Guy lässig, „gut Regie zu führen ist ja nichts geschlechtsspezifisches“. Aber, so gibt er dann doch zu: „Jodie ist schon etwas Besonderes. Je näher ich sie kennenlerne, desto mehr bewundere ich sie. Sie ist so fokussiert, immer für alle da. Man merkt, dass sie selbst Schauspielerin ist“. Mit der Rolle des angepissten Börsenverlierers, der in seiner Verzweiflung zum Kidnapper vor laufenden Kameras wird, kann sich O’Connell voll identifizieren: „Ich hasse meine Bank. Dieses Fixiiertsein auf immer mehr Profitmachen und Den-Leuten-das-Geld-Herausziehen ist doch krank“. Als nächstes soll er übrigens John Lennon spielen: „Yeah, cool!“

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