Vor dem Schlaganfall war er auf dem Zenit seiner Kraft; in Berlin aber wurde er seine Gereiztheit nicht mehr los: „Angst und Langeweile vertrugen sich ganz ausgezeichnet.“ Meyerhoff schildert mit viel Humor ein für ihn prototypisches Berlin-Erlebnis, eine gespenstische Konfrontation mit einem „Kampfhund“ von Mann, der ihn nachts bedrängte und sein Fahrrad ruinierte. Meyerhoff beschloss schließlich, zu seiner Mutter aufs Land zu fahren, konkret nach Süderbrarup zwischen Kiel und Flensburg, ein bereits bekannter Schauplatz (als Feriendomizil).
Susanne Meyerhoff, geboren 1937, ist auch schon 85, aber in den Erzählungen von Meyerhoff ein Ausbund an Kraft und Vitalität. Sie holte ihn am Bahnhof ab. Weil der Zug pünktlicher kam, als erwartet, hatte sie den Döner nicht aufessen können: Sie nahm den Rest mit ins Auto, gab ordentlich Gas – und wendete den Kopf andauernd ihrem Sohn zu. „Mama, würdest Du bitte auf die Straße schauen?“ – „Aber ich habe Dich schon so lange nicht gesehen!“ Der Geruch des Döners verband sich mit dem Parfüm der Mutter zu einem veritablen Brechmittel. Und schließlich gestand Meyerhoff kleinmütig ein: „Ich bin nicht gut beinander, Mama!“
Sie nahm ihn also unter ihre Fittiche. Meyerhoff gelingt da eine wunderbare, liebevolle Hommage an seine Mutter, die in den bisherigen Romanen beziehungsweise dem sechsteiligen Theaterprojekt „Alle Toten fliegen hoch“ keine zentrale Rolle eingenommen hat. Sie lebt ihm vor, wie man sich nicht unterkriegen lässt – auch nicht von Feuerquallen.
Meyerhoff kann sich also an der Grenze zu Dänemark fern der Familie, die ihn nicht ungern los geworden ist, dem Schreiben widmen. Aber er hat kein Material: Hat sich sein Leben auserzählt? Und so notiert er unter dem Arbeitstitel „Scham und Bühne“ (statt „Schuld und Sühne“) Anekdoten aus seinem Schauspielerleben, etwa aus der Zeit in Dortmund, von kapitalen Hängern und anderen Missgeschicken.
Der Regen und der Sturm
Mittlerweile hat es im Park beim Belvedere ordentlich zu regnen begonnen. Doch das Publikum bleibt sitzen. Und Meyerhoff liest weiter. „Diese Geschichte muss einfach noch sein“, sagt er. Denn sie spielt in Wien. Und dann erzählt er äußerst amüsant, wie er als Luftgeist Ariel im „Sturm“ immer wieder eine sechs Meter lange Stange hinunterrutschen musste. Um in den Schnürboden zu gelangen, nahm er den Lift – und blieb einmal stecken. Johann Adam Oest, der Prospero, rief auf der Bühne bereits nach Ariel. Aber dann…
Auch im lockeren Intro hatte Meyerhoff ein Wien-Erlebnis zum Besten gegeben: Wie er einmal in der S-Bahnstation Rennweg einen Packen Spielgeld übergeben musste … Man kann sicher sein: Auch diese Geschichte rund um Meyerhoffs bis dato letzte Filmrolle wird noch Literatur werden.
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