Düster, bedrohlich, fast feindselig gurgelt Robby Kriegers Gitarrenspiel den Anfang vom Ende.
In den folgenden elf Minuten legt Jim Morrison den Deckel auf das Debütalbum der Doors und damit einen Schatten auf den bunten Zeitgeist des Jahres 1967. „The End“ – Morrison erzählt, beiläufig bis wütend, hält sich fern vom weinerlich-kitschigen Beziehungsdrama, wühlt in der Ödipus-Kiste, verstört, skandalisiert und ist besessen davon, aus jeder Normalität zu treten.
„Break On Through – To The Other Side“. Rastlos ist der Rhythmus der Band, die kaum wahrnehmbar, aber gegen jede Herkömmlichkeit auf einen Bassisten verzichtet. Auf die andere Seite zu gelangen, dorthin, wo alles unberechenbar anders ist. Der Opener ist Morrisons Credo.
Ein großer Poet wollte er sein. Geworden ist er der vielleicht größte Rockstar seiner Zeit. Oft zum schönen Verführer, auch zum rätselhaften Säufer reduziert, als American Prayer und Lizard King vergöttert, verirrt im selbst entdeckten Image des ewigen Schamanen.
Die Flucht
Er soll gelächelt haben. So diktiert es der Mythos. In der Nacht des 3. Juli 1971 findet Pamela Courson, Morrisons langjährige Muse, den leblosen Körper in der Badewanne der gemeinsamen Pariser Wohnung. Damit ist auch sie zu Ende, Jims Flucht vor seiner Herkunft, besonders vor dem verachteten Vater. So will es die Bösartigkeit des Zufalls, dass am selben Tag Admiral George Steven Morrison tatsächlich Abschied nimmt. Von seinem schrottreif gewordenen Flugzeugträger in Washington.
Das Sterben und seine Ursache verlangen nach solchen Geschichten. Die verklärt bis erfunden, doch stets legendär sein müssen. Hat sich Morrison in der Substanz vergriffen, Kokain mit Pamelas Heroin verwechselt? War ein Herzinfarkt logischer Höhepunkt der systematischen Selbstzerstörung? Wurde er – bereits von einer Überdosis dahingerafft – aus der Toilette einer Bar in die Wohnung geschleift?
Um Aufregung zu vermeiden, entfällt die Obduktion. Erst nach sechs Tagen wird Morrisons Tod öffentlich gemacht, zwei Tage liegt er bereits unter der Erde von Père-Lachaise. Winzig ist die künftige Pilgerstätte, definiert von einem ärmlich wirkenden Gedenkstein, nüchtern lokalisiert als 6. Division, 2. Reihe, Grab 5.
Stapelweise werden Romane geschrieben, Lebensläufe zu Manifesten erhoben. Motiviert von unsterblicher Verehrung, schlägt Jerry Hopkins, Co-Autor der Morrison-Biografie „Keiner kommt hier lebend raus“, dem Verlag eine zweite Endversion vor. Jene vom vorgetäuschten Tod und Verschwinden in irgendeinen der letzten Winkel dieser Welt.
Die Verschwörung erklärt Morrisons Mitgliedschaft im „Klub 27“ nach Brian Jones, Jimi Hendrix und Janis Joplin nicht als lapidaren Zufall, sondern als Gesetzmäßigkeit. Morrison bleibt eine Ikone der Gegenkultur, blickt bis heute als Zeichen der Rebellion von
T-Shirts, oder – hinter Glas festgeklebt – von einer Hausmauer am Rand des 7. Wiener Gemeindebezirks. Bedient haben sich viele.
Das Schauspiel
1991 bringt Regisseur Oliver Stone „The Doors“ ins Kino. Die Spurensuche mit Wahrheitsanspruch?
Ein Seufzer ist unüberhörbar. Ausgestoßen wird er von Birgit Fuß, Kolumnistin und Redakteurin des Musikmagazins Rolling Stone: „Der Film erzeugt eine klaustrophobische Stimmung und Morrison kommt darin vor allem als stumpfsinniger Alkoholiker weg.“
Warum ein weiteres Buch über ihn, obwohl man mittlerweile in einer 50 Jahre alten Musikgeschichte blättern muss? „Es sind keine revolutionären Neuigkeiten, es sind meine Gedanken. Die Geschichten über Morrison und Alkohol sind wahr. Aber abseits dieser Tragik fasziniert mich, wie er stets den Sinn des Lebens suchte, danach fragte, wer er eigentlich ist. Das Ergebnis ist in einem nur 27-jährigen Leben in die falsche Richtung abgedriftet, doch grundsätzlich sollten junge Leute Abenteuergeist entwickeln.“
Die Doors werden zu einer Institution, Morrison nimmt zur Kenntnis, ein Star zu sein, hält aber Abstand: „An dem Tag, an dem ich wirklich zu meinem Publikum durchdringe, wird alles vorbei sein.“
Am 13. September 1968 steht die Band, umringt von der bürgerlichen Korrektheit auftoupierter Damenfrisuren und streng sitzender Herrenanzüge auf dem Römerberg in Frankfurt. Morrisons Lippenbewegungen widersprechen dem Play-back. Was wie ein sonntäglicher Zoobesuch anmutet, ist der untaugliche Versuch, eine zeitgemäße Jugendsendung für das ZDF zu produzieren.
Am nächsten Abend will das Konzertpublikum, was es immer will: „Light My Fire“, den Nummer-1-Hit, hören. Der unflätigen Beschimpfung folgt das widerwillige Zugeständnis: „... dann sing ich euch eben dieses Scheißlied.“
Das Drama
Die Wirkung der Drogen, gepaart mit dem Drang, zu verändern, ist längst explosive Mischung. Morrison wird fett, hinter einem Vollbart verschwindet die Jugendlichkeit. Ray Manzarek, untrennbarer Teil seiner Orgel, der Takt schlagende John Densmore und Robby Krieger bewundern die theaterreifen Auftritte ihres Frontmans, dulden seine Eskapaden, bis Hassliebe die Trennung verhindert.
Schon in New Haven (1967) schafft es Morrison als erster Rockstar von der Bühne weg verhaftet zu werden, 1969 folgen dem Auftritt in Miami Anzeigen wegen „Exhibitionismus, Obszönität und Simulation von Fellatio und Masturbation“. Ein Prozess, der ihn bis zum Tod verfolgt.
Missbraucht werden die dunklen musikalischen Untertöne der Doors zudem als Soundtrack des Vietnamkriegs. In seinen Erinnerungen „Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors“ schreibt Schlagzeuger John Densmore: „...sie umwickelten ihr wachsendes Haar mit bunten Tüchern, nahmen LSD und beschossen den Feind zu Jims ‚This Is The End‘ mit Maschinengewehren.“
Francis Ford Coppola, der einst mit Morrison in Los Angeles Film- und Theaterwissenschaften studierte, veranschaulicht das Szenario in „Apocalypse Now“ (1979).
„Die Doors haben auch den dunkeln Rand abgedeckt, weg von Friede, Freude, Eierkuchen“, meint Birgit Fuß. „Aber sie waren ganz im Gegensatz zu Velvet Underground doch mit der Hippie-Kultur verhaftet.“ Vier Jahre, sechs Studioalben benötigt es, um den Kultstatus zu begründen. Was heute davon übrig geblieben ist?
Präsent bleibt Morrisons reifer Bariton, sparsame und präzise Instrumentierung prägen einen unverwechselbaren Sound. „Die Musik klingt noch immer nicht alt“, sagt Birgit Fuß. „Und egal, ob seine auf Papier gebrachten Gedichte tatsächlich so besonders waren, er war jedenfalls eines: ein sagenhaft guter Performer.“
1971 – L.A. Woman ist das letzte, das bluesigste Album der Doors. Donnergrollen kündigt die finale Nummer an, „Riders On The Storm“. Und Morrison warnt: „There's a killer on the road“. Passender könnte das Ende nicht sein.
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