Jedermann: Musikalische Protestnote gegen Strache

Wenig Freude mit dem blauen Gast: Subtile politische Geste der Musiker gegen FPÖ-Obmann Strache
Obonya distanziert sich, ebenso das Direktorium. Kundgebung war "extrem unglücklich gewählt".

Mit dem Anstimmen der "Internationalen" haben am Dienstag bei der Aufführung des "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen die Musiker gegen die Politik einer Partei protestiert, dessen Obmann sie an diesem Nachmittag im Publikum entdeckten: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der sich am Dienstag mit dem Wiener Parteichef Johann Gudenus auf dem Domplatz einfand.

Der Schauspieler Cornelius Obonya bezeichnete die Kundgebung via Facebook als "extrem unglücklich gewählt". Die Salzburger Festspiele seien nicht der Ort, um politische Ansichten zum Ausdruck zu bringen. "Würden wir unter einer Diktatur leben, und das Theater wäre der letzte Rückzugsort freier Meinungsäußerung, würde ich einer solchen Aktion zustimmen. Wir leben aber, Gott sei Dank, in einer Demokratie." Er fügte aber hinzu, dass "die Ansichten der FPÖ und ihrer Chefs durchaus das sind, was ich für unsere Demokratie für ungesund erachte und die ich persönlich ablehne".

Direktorium distanziert sich

Die Festspiele distanzierten sich ebenfalls "ausdrücklich" von den Vorgängen auf dem Domplatz: "Private oder politische Meinungskundgebungen der Künstler haben in keiner der Vorstellungen der Salzburger Festspiele die Billigung der Festspielleitung und wir haben das Ensemble ausdrücklich darauf hingewiesen, dergleichen in Zukunft zu unterlassen. Wir entschuldigen uns in aller Form für diese Störung der Inszenierung bei allen Zuschauern", verkündete Sven-Eric Bechtolf, Künstlerischer Leiter der Salzburger Festspiele, in einer Aussendung.

Jedermann: Musikalische Protestnote gegen Strache

Spontane Aktion

"Das war eine ungeplante, spontane Aktion, wir stehen dazu", erläuterte der Schlagzeuger und Perkussionist Robert Kainar, der die "Jedermann"-Formation "ensemble013" leitet, am Donnerstag in den Salzburger Nachrichten. Beim Einzug der Tischgesellschaft folge nach der Auftrittsmusik eine kurze Sequenz, die Raum für Improvisationen lasse. Um ein Statement abzugeben, hätten die Musiker die "Internationale" zitiert. Er gebe durch seine Musik immer politische Statements ab. Er vermisse im österreichischen Kulturgeschehen, dass namhafte Künstler mit großer Popularität Stellung zu politischen Themen bezögen.

"Blau-braune Führungsriege"

Dies tat allerdings die Schauspielerin Katharina Stemberger, die beim "Jedermann" als Schuldknechts Weib selbst auf der Bühne stand: "Beim ,Jedermann' müssen wir die blau-braune Führungsriege entdecken. Die Stimmung sinkt. Was machen unsere hinreißenden Musiker: Sie stimmen in der zentralen Tischgesellschaft-Szene die ,Internationale' an! Ich liebe diese Truppe!!!", postete sie auf Facebook.

Strache postete seinen Besuch auf Facebook, wo auf seinem Profil mehrere begeisterte Selfies zu sehen waren. Die beiden Politiker haben den Medienberichten zufolge aber nicht bemerkt, dass die "Internationale" angestimmt worden ist. Gudenus sprach außerdem von künstlerischer Freiheit.

Knapp vor Beginn des "Jedermann", als die Besucher vor dem Salzburger Dom schon Platz genommen hatten, drängte sich eine Dame noch durch jene enge Reihe, in der auch HC Strache saß. Dieser musste aufstehen, und die fast zu spät gekommene Theaterliebhaberin erkannte den FPÖ-Chef erst von Angesicht zu Angesicht. "Jössas, der Tod", fiel ihr spontan ein, fast wie ein Zitat Hugo von Hofmannsthal.Strache soll dazu nur gelächelt haben, erzählen Besucher, die auch in der Aufführung waren.

Davon, dass die Musiker des "ensemble 013" danach, bei der Tischgesellschaft, kurz die "Internationale" anspielten, haben die wenigsten im Publikum etwas mitbekommen. Vermutlich auch Strache selbst nicht.

Aber ist es generell legitim, dass Künstler auf der Bühne mit solchen Aktionen auf politische Zustände oder Menschen, die sie im Publikum ausmachen, reagieren? Selbstverständlich. Es hat lange Tradition, bis Nestroy und noch viel weiter zurückreichend, dass Schauspieler aktuell auf die Zuständ' reagieren und der Gesellschaft spontan den Spiegel vorhalten. Leider gibt es heute viel zu wenige, die sich solcherart artikulieren. Und ein paar Takte Musik sind ein wunderbares, nicht im geringsten plakatives Statement.

Nur gut, dass es dabei geblieben ist und niemand replizierte. Denn zu einer Strache-Show soll der "Jedermann" definitiv nicht verkommen. Seine Politik bietet Drama genug.

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