Christoph Waltz: Gestatten, Bösewicht

Christoph Waltz als Franz Oberhauser, Oberhaupt von „Spectre“: Das Lächeln, das er Léa Seydoux schenkt, ist nicht nur freundlich gemeint.
Christoph Waltz, österreichischer Bond-Bösewicht in "Spectre", im Interview.

Und wieder spielt Christoph Waltz einen Schurken mit sehr österreichisch klingendem Namen. Hörte er bei Tarantino in "Inglourious Basterds" auf Hans Landa, so nennt er sich als Bond-Bösewicht Franz Oberhauser. Gemeinsam mit der alpinen Schneelandschaft ist der doppelte Oscar-Preisträger der österreichische Beitrag im neuen Bond-Film "Spectre" (Kinostart: 6. November). Waltz spielt eine kleine, gemeine Rolle als Oberhaupt der globalen Terror- und Überwachungsorganisation "Spectre". Und hält Geheimagent 007 bei Gelegenheit einen Drillbohrer an die Schläfe.

Auch im persönlichen Gespräch ist Christoph Waltz eine Herausforderung. Während seine anglo-amerikanischen Kollegen – von Daniel Craig bis zu Regisseur Sam Mendes – bei jedem Stichwort erfreut losplaudern, hinterfragt Waltz gerne zuerst einmal die Frage. Wie denn die Zusammenarbeit mit Sam Mendes ausgesehen habe, will ein Journalisten-Kollege wissen. Wie soll sie schon ausgeschaut haben, fragt Waltz höflich, aber bestimmt zurück, "wir machen einfach alle unseren Job."

Aber im kleinen Rahmen erzählt Christoph Waltz schließlich doch über seine ersten Bond-Erfahrungen, warum er 3-D nicht leiden kann und was es bedeutet, ein Wiener zu sein.

KURIER:Herr Waltz, nach Klaus Maria Brandauer sind Sie der zweite österreichische Bond-Bösewicht. Brandauer war in "Sag niemals nie" ebenfalls ein Mitglied von "Spectre" – wussten Sie das?

Christoph Waltz: Ja, das wusste ich, aber ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Es ist ein netter Zufall, aber es steckt keine besondere Absicht dahinter. Brandauer hatte damals gerade den "Mephisto" gespielt und war der logische Bond-Bösewicht. Tja, so ein kleines Land kann eine ganze Menge Bösewichter hervorbringen. Die Frage ist: Was sagt das über dieses Land aus? (lacht)

Als man Ihnen den Bond-Bösewicht angeboten hat, haben Sie angeblich erst gezögert und dann zugesagt. Warum gezögert?
Es gab kein klares Angebot, den Bösewicht zu spielen. So funktioniert das nicht. Es kommt niemand auf einen zu und sagt: "Du bist jetzt der neue Bond-Bösewicht." Der Prozess hat sich beinahe ein Jahr lang hingezogen. Wir haben darüber geredet, wie die Zusammenarbeit aussehen könnte. Das Drehbuch spielt eine Rolle, die Leute, die daran beteiligt sind, bestimmte Vorlieben– und wissen Sie was? Am Ende spielt auch das Geld eine Rolle. Schließlich haben wir eine gemeinsame Basis gefunden, und haben es gemacht.

Haben Sie die Bond-Serien auch schon früher verfolgt?
Natürlich, das war ja unvermeidlich – im Gartenbaukino, der größten Leinwand von Wien. Das war Stadtgespräch und jeder musste den neuen Bond-Film gesehen haben. Als die ersten herauskamen, war ich zu jung, um ins Kino zu gehen, aber ich hatte das Bond-Spielzeug.

Es gab Bond-Spielzeug?
Ja, natürlich, wussten Sie das nicht? Es gab den silbernen Aston Martin DB5, den Bond auch am Ende von "Spectre" fährt, als Spielzeugauto. Das Besondere daran war, dass er Raketen abfeuern konnte und dass der Fahrer einen Schleudersitz hatte. Man drückte einen Knopf und – Boing! Nach drei mal Schleudern ging dann die Figur verloren, es gab ein Riesentheater und man beschuldigte seinen Bruder, dass er sie hatte verschwinden lassen, weil er eifersüchtig auf das Bond-Auto war ... Oh ja, Bond war sehr präsent.

Haben Sie sich jemals vorgestellt, einmal Bond oder den Bond-Bösewicht zu spielen?
Nein, an so etwas habe ich nie gedacht. Das ist ja das Schöne am Kino: Dass man an einer Welt teilnimmt, die außerhalb von einem selbst liegt; dass man sich mit etwas identifiziert, was man sonst nie haben könnte. Man wird einfach zwei Stunden lang zu etwas eingeladen – zumindest gute Filme tun das. Jean-Luc Godard hat einmal gesagt, dass gute Filme einen Raum aufmachen, in dem die Zuschauer spazieren gehen können. Das finde ich wirklich schön, und ich glaube, dass Bond-Filme diesen Raum aufmachen. Deshalb sind sie noch so erfolgreich. Und deswegen kann ich auch das 3-D-Kino nicht leiden: Weil 3-D dich nicht in etwas hinein einlädt, sondern mit Sachen bewirft.

Können Sie sich eine Bond-Fortsetzung vorstellen?
Ob ich noch einmal einen Bösewicht spiele oder nicht, ist relativ unwichtig. Wichtig ist die Entscheidung für Daniel Craig: Ab einem gewissen Alter kann man kein Bond mehr sein. Aber wenn er in den nächsten drei Jahren noch einen Bond dreht, dann schwächte er seine eigenen Chancen auf eine Karriere danach. Jetzt könnte der letzte Moment sein, wo es noch klappt, weil jetzt halten ihn alle für großartig, ja sogar besser als den ersten Bond, Sean Connery. Aber je später es wird, desto schwieriger wird es für ihn. Was hat Roger Moore nach Bond noch für eine Karriere gehabt? Keine. Was hat Sean Connery nach Bond noch gedreht? Klar, ein bisschen hier, ein bisschen da, aber nichts wirklich Nennenswertes.

Was für eine Art von Bösewicht spielen Sie?
Das gesamte Bond-Personal erfüllt bestimmte Funktionen – wie im Kasperltheater: Da gibt es Bond, da gibt es Q, es gibt den Bösewicht... sie alle erfüllen eine bestimmte Funktion, um die Geschichte zu erzählen. Da gibt es nur kleine Veränderungen. Aber natürlich ist Daniel Craig anders als Sean Connery oder Roger Moore. Bei Daniel Craig gibt es mehr Psychologie, wir erfahren mehr über ihn und seine schwierige Persönlichkeit. Einen Film wie "Skyfall" hätte vor zwanzig Jahren niemand als Bond-Film akzeptiert. Und ich bin anders als Gert Fröbe.

Und wie sind Sie – als Franz Oberhauser?
Ich mache einfach nur, was im Drehbuch steht. Natürlich gibt es mehr im Drehbuch, als man auf den Seiten lesen kann – und das ist es, was ich heraus hole: Ich lege es nicht hinein, ich hole es heraus. Sie sind aus Wien? Ja? Also, wir Wiener sprechen zwischen den Zeilen. Wir meinen nie das, was die Worte sagen. Wir meinen immer etwas anderes. Aber das ist eine Sprache für sich, und sie ist unendlich interessanter als das Deutsch der Deutschen. Die Deutschen halten es für eine Tugend, immer genau das zu meinen, was sie sagen. Aber das ist es nicht, es ist sehr langweilig. Wir hingegen haben im Lauf unseres Lebens gelernt, Bedeutung zu extrahieren, die nicht nur buchstäblich ist – und das ist mehr oder weniger genau das, was ich mache.

In "Skyfall" erlebte Daniel Craig als James Bond seinen persönlichen Tiefpunkt und das Bond-Franchise seinen absoluten Höhepunkt. Die Kritiken waren sensationell, die Einspielergebnisse fulminant. Die Latte für "Spectre" liegt hoch – und wird nicht ganz erreicht.

Nicht, dass es am Einstieg liegen würde: Regisseur Sam Mendes wollte sich in seiner Eröffnungsszene sichtlich selbst übertreffen. "Die Toten sind lebendig" heißt es gleich zu Beginn in Mexiko City, wo das Volksfest "Tag der Toten" gefeiert wird. Eine spektakulär lange Kamerafahrt, die einem Orson Welles Ehre gemacht hätte, folgt James Bond – passend zu Halloween im Skelett-Kostüm – quer durch den Karneval und mündet in einer Verfolgungsjagd. Gebäude stürzen ein, Hubschrauber greifen an – Atemlosigkeit bereits nach den ersten zehn Minuten.

Zurück in London bekommt James Bond Hausarrest – was ihn nicht davon abhält, die coolsten Gadgets aus der Bastelstube von Q "auszuborgen" und in Rom einer Witwe nachzustellen. Der Auftritt von Monica Bellucci besteht darin, dass sie sich von Bond aus dem Kleid helfen lässt – viel mehr nicht. Den größeren Frauenpart übernimmt die deutlich jüngere Léa Seydoux als Bond-Girl Madeleine Swann.

Schleudersitz

Für Connaisseure des Genres finden sich viele "Best of Bond"-Verweise – von glänzenden Vintage-Autos mit Schleudersitz bis hin zur weißen Katze. Auch für fulminante Schneeballschlachten in den österreichischen Alpen ist gesorgt (siehe Info) sowie rasanten Verfolgungsjagden zwischen Auto und Flugzeug.

Und Christoph Waltz als Bond-Bösewicht?

Hat einen überraschend kleinen Part. Sein erster Auftritt im Gegenlicht erinnert ein wenig an die Zeremonien-Szene in Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut" – allerdings ohne nackte Frauen. Er sagt "Cuckoo" zu Bond und verschwindet dann wieder für eine gute Stunde.

Die emotionale Wucht, die "Skyfall" zu dramatischem Schwergewicht verhalf, fehlt in "Spectre" und wird durch einen etwas halbherzigen Post-Freudianischen Fingerzeig ersetzt. Warum Waltz als Franz Oberhauser gegen Bond einen archaischen Hass hegt ("Ich bin der Autor all deiner Schmerzen"), bleibt ein wenig schemenhaft. Waltz ist gut, keine Frage, bekommt aber nicht genug Platz, um zu maliziöser Höchstleistung aufzufahren.Während 148 Minuten, dem bisher längsten Bond, setzt in der zweiten Hälfte trotz glanzvoller Action freudlose Erschöpfung ein. Und selbst Daniel Craig, perfekt als Bond, könnte einen Anflug von Humor vertragen.

James Bond reist in "Spectre" nicht nur nach Mexico City und Rom, sondern auch nach Österreich. Dort finden fulminante Verfolgungsjagden in schöner Schneelandschaft statt.

Jeder zehnte Tourist wählt laut Studien seinen Urlaubsort nach einem Film. Und so besteht auch die Hoffnung des österreichischen Fremdenverkehrs darin, dass die vielen "Spectre"-Zuseher ihre künftigen Skiurlaube in Österreich – und da speziell in Altaussee, Sölden und Obertilliach – verbringen werden. Dort wurde nämlich gedreht.

Allerdings bleibt die Frage: Wie österreichspezifisch sind Schneelandschaften?

Klar, der Ort "Altaussee" wird namentlich eingeblendet. Aber Obertilliach nicht, und Sölden auch nicht.

Trotzdem: Die Österreich-Werbung in "Spectre" sei unbezahlbar, meint Arie Bohrer von der Location Austria, der ersten Anlaufstelle für (geförderte) internationale Filmproduktionen in Österreich. Zum einen gebe es einen unmittelbare Nutzen: 16 Millionen Euro hätte diese Großproduktion in Österreich gelassen; dieser Betrag sei den Betrieben vor Ort, aber auch österreichischen Filmschaffenden zugute gekommen. Zum anderen, sagt Arie Bohrer, "ist Film als Emotionsträger ein unglaublich wichtiger Faktor für den Tourismus geworden."

Natürlich sei eine Stadt wie Wien leichter wieder zu erkennen als ein verschneiter Wald. Trotzdem bestehe er auf die Verwertungsschiene in Richtung Tourismus: "Die Drehorte werden im Nachspann genannt. Tirol etwa kann damit seinen Filmstandort bewerben. Das ist ein Qualitätssiegel." Besonders unter den chinesischen Bond-Zusehern erhofft sich Bohrer zukünftige Touristen.

Die Enttäuschung mancher lokaler Fördergeber, dass sie als Ort namentlich im Film nicht genannt werden, kann Arie Bohrer nicht nachvollziehen: "Davon war nie die Rede. Bond ist ein Spielfilm, keine Litfaßsäule."

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