Wunderkind am Retro-Trip

Jake Bugg, Sänger
In Jake Bugg sehen Kritiker den "neuen Bob Dylan".

„Wunderkind“. „Songwriter-Genie“. Jake Bugg kann diese Ausdrücke nicht mehr hören. Seit er Ende vorigen Jahres sein Debüt-Album an die Spitze der britischen Charts setzte, streiten dort die Kritiker, ob sein Retro-Sound mehr nach den Kinks oder den Beatles, mehr nach Johnny Cash oder alten Blues-Rock klingt. Gerade ist „Jake Bugg“ auch in Europa erschienen. Und auch hier gibt es das gleiche Echo: Der 18-jährige Brite ist wahlweise der „neue Bob Dylan“ oder der „neue John Lennon“.

Ein Aufsehen, das Bugg selbst nicht verstehen kann. Für ihn ist das ganz einfach: „ Ich habe nur viel geübt“, sagt er im Interview mit dem KURIER. „Darauf kommt’s an – wenn man übt, kann das doch jeder.“

Hype

Etwas mehr, das weiß er selbst, steckt schon hinter dem phänomenalen Aufstieg. Das erfährt man allerdings erst bei wiederholtem Nachfragen. Denn Bugg wirkt wie überfahren von dem eigenen Hype, begegnet diesem in Interviews mit Ironie oder defensiver Zurückhaltung.

Zu der Musik, für die er zwei Generationen zu jung ist („aber einen Tag älter als Justin Bieber“), kam Bugg über die TV-Serie „The Simpsons“: „In einer Folge lief der Song ,Vincent‘ von Don McLean. Den fand ich faszinierend. Wie McLean das singt– da kann man hören, dass das aus seinem Herzen, aus seiner Seele kommt. Das ist es, was einen guten Song ausmacht.“

Und genau das zeichnet auch Buggs Songs aus, ist die Basis für den Hype. Zwar sagt er, er begann nur zu schreiben weil es in dem Gemeindebau-Komplex Clifton in Nottingham nichts anderes zu tun gab: „Früher hatten wir dort einen Fußballplatz, aber den haben sie weggenommen. Und weil meine Mum immer wieder arbeitslos war, hatte ich kein Geld, um mit Freunden auszugehen. Also war ich die ganze Zeit mit meiner Gitarre in meinem Zimmer.“

Aber auch da steckt mehr dahinter. Im Video zur Single „Two Fingers“ zeichnet Bugg nämlich ein grimmiges Bild der Jugend: Saufende, raufende Eltern, denen er egal ist. „Der Song ist tatsächlich sehr persönlich und wahr“, sagt er. „Ich will da nicht ins Detail gehen. Aber natürlich waren diese harten Zeiten auch ein Antrieb. Über so etwas zu sprechen , ist speziell für einen Teenager schwer. Aber in Songs konnte ich das so artikulieren, dass ich mich damit wohl fühlte.“

Konfuzius

Wunderkind am Retro-Trip
Sein erster Song, sagt er, kam deshalb wie von selbst. Nachdem er mit zwölf Don McLean entdeckt hatte, schenkte ihm ein Onkel eine Gitarre. Im Internet („Nein, meine Vorliebe für die Großen der 60er-Jahre kommt nicht von den Platten meiner Eltern.“) suchte er nach ähnlichen Liedern, spielte sie nach. Zwei Jahre später stand er eines Morgens auf und hatte genug Schwermut im Herzen: „Es war Dienstagfrüh, der Song hieß ,Tuesday Morning‘, klang – soweit ich mich erinnern kann – nach Donovan und handelte davon, wie elend ich mich an diesem Morgen fühlte. Alle meine Songs sind im Kern autobiografisch.“

So schreibt Bugg auf dem Debüt über eine Messerstecherei vor einem Club, die Momente der Befreiung aus der Proletariats-Tristesse, die Konfuzius-Philosophie, die ihm auch keine Antwort gab. Oder einfach nur über die Liebe zu simplen Akkorden, die in den rostigen Saiten einer Country-Gitarre scheppern. Songs, die einen Blitzstart bewirkten: Bugg stellte einige davon auf die „BBC-Introducing“-Website, wurde daraufhin zum Glastonbury-Festival eingeladen und bekam einen Plattenvertrag.

Tee-Party

Es gibt aber auch schon Kritik an dem „Wunderkind“. Denn einige der Songs hat Bugg mit Iain Archer, einem befreundeten Profi-Musiker geschrieben: „Manchmal brauchte auch Lennon McCartney zum Songschreiben, oder Simon Garfunkel. Das ist nichts Ungewöhnliches“, sagt er gekränkt. „Wir setzen uns zusammen, trinken Tee. Und wenn uns danach ist, nehmen wir die Gitarren, und es ergibt sich ein Song.“

Auch von Noel Gallagher, mit dem Bugg als Support auf Tour war, hat er viel gelernt. „Cooler Typ. Allein vom Zuschauen hab ich mitgekriegt, wie man den Business-Stress handhabt und mit großem Publikum umgeht.“

Mit wem würde Bugg noch gerne arbeiten? „Hmmm. Ehrlich gesagt, ich habe alles erreicht, was ich wollte. Von einem Nummer-eins-Album habe ich geträumt, seit ich anfing, Gitarre zu spielen. Dass ich es jetzt habe, ist verblüffend aber großartig. Und ich habe auch schon all meine Idole getroffen – zumindest die, die noch am Leben sind.“

Zur Person

Kindheit: Jacob Edwin Kennedy wurde am 28. Februar 1994 in Nottingham/England geboren. Seine Eltern trennten sich, als er ein Kind war. Bugg ist der Name seines Vaters. Er begann Gitarre zu spielen, als er mit 12 in einer Folge der Simpsons „Vincent“ von Don McLean hörte.

Konzerte: Auf der Bühne, sagt Jake Bugg, fühle er sich mittlerweile wohler als zu Hause. Deshalb geht der Newcomer im März auf Tour und tritt am 21. 3. im Wiener Flex auf.

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