"Jackie": Mit dem Tunnelblick der Trauer

Natalie Portman verwandelt sich in die Kennedy-Witwe "Jackie"
Natalie Portman feilt als Kennedy-Witwe am Mythos ihres ermordeten Mannes.

. Jackie Kennedy spricht nicht, sie haucht. Wenn sie den Mund aufmacht, kommen ihre Worte wie kleine Wölkchen geflogen, gespickt mit Ausrufezeichen. Ihre Stimme hat etwas Kindlich-Naives, und einmal sagt sie sauer zu Bobby Kennedy: "Du hältst mich wohl für eine dumme kleine Debütantin."

Tatsächlich klingt sie – zumindest in unseren heutigen Ohren – manchmal so: wie eine dumme kleine Debütantin. "Mid-atlantic accent" nennen die Amerikaner diese Art des zerdehnten Sprechens, das ungefähr bis Ende des Zweiten Weltkrieges in der amerikanischen Oberschicht zelebriert und Kindern reicher Eltern auf den Eliteschulen beigebracht wurde. So auch Jacqueline Kennedy, geborene Bouvier.

Natalie Portman hat sich in ihrer Verkörperung von Jackie Kennedy deren Snob-Sprache zu eigen gemacht und an den Rand der Satire gedrängt. Wenn Portman den Kennedy-Tonfall nachahmt, oszilliert sie zwischen Brillanz und Lächerlichkeit. Von der Exzellenz ihrer Darstellung kann man sich übrigens leicht überzeugen: Die Tour durch das Weiße Haus, eine von CBS produzierte TV-Doku, in der Jackie Kennedy einen Reporter durch ihre Schlafzimmer führt, wird in "Jackie" penibel nachinszeniert und lässt sich in ihrer Originalität leicht auf YouTube überprüfen.

Wer jedoch meint, in seinem Leben ausreichend Filme über die Ermordung von John F. Kennedy, dem 35. Präsident der Vereinigten Staaten gesehen zu haben, irrt. Der Chilene Pablo Larraín erzählt die Kennedy-Ermordung aus der Sicht der Witwe und stellt die These in den Raum, dass sich der Kennedy-Mythos zu einem Gutteil der (Selbst-)Inszenierung Jackies verdankt.

Es beginnt mit einem Interview: Kurz nach der Ermordung von Kennedy wird ein Reporter zu Jackie vorgelassen, um ihre Sicht der Ereignisse zu dokumentieren. In albtraumhaften Rückblenden lässt Larraín das Attentat und die dramatischen Tage danach aufblitzen.

Nichtraucherin

"Ich habe mit meinen Händen versucht, seinen Kopf zusammenzuhalten, damit alles drin bleibt", erzählt Jackie dem Journalisten. Aber: "Natürlich werden Sie das nicht schreiben."

Sie zieht an einer ihrer zahllosen Zigaretten: "Und ich rauche auch nicht."

Private Erinnerung werden von Larraín als traumatische Masse zum offiziellen Geschichtsbild verfugt. Jackie irrt mit dem Tunnelblick der Trauer durch die Räume des Weißen Hauses. Ein kalter Lyndon B. Johnson lässt sich eilig im Flieger als neuer Präsident angeloben, während Jackie noch blutbespritzt neben ihm steht, in dem berühmten Kostüm in der Farbe eines Punschkrapfens. Sicherheitsexperten fürchten ein weiteres Attentat. Und Jackie trifft die umstrittene Entscheidung, das pompöse Begräbnis von Abraham Lincoln zum Vorbild zu nehmen und ihren Mann ähnlich glamourös zu beerdigen.

Mit aufgeräumten, klaren Bildern in schönen Vintage-Farben beschwört Larraín einen Sixties-Look jenseits der nostalgischen Verklärung. Mica Levis elektronische Filmmusik sägt sich tief ins Gehirn und unterfüttert die Tage der Trauer mit der unheimlichen Ahnung von innenpolitischer Verschwörung. Und Natalie Portman führt die Kippbewegungen von Jackie zwischen Pathos und Narzissmus, Lächerlichkeit und Größe, Schmerz und Legendenbildung mit der kühlen Eleganz ihres Vorbilds aus.

INFO: Chile/F/USA 2016. 100 Min. Von Pablo Larraín. Mit Natalie Portman, Peter Sarsgaard.

KURIER-Wertung:

Der verstorbene deutsche Star-Produzent Bernd Eichinger war es, der die Verfilmung des Videospiels "Resident Evil" 2002 aus der Taufe hob. Und kaum jemand hätte dem Zombie-Survival-Hybrid ein sechsteiliges Leben vorher gesagt. Im angeblich finalen Kapitel kehrt Milla Jovovich als Alice – wieder unter der Regie ihres Mannes Paul W. S. Anderson – in das Labor zurück, in dem der Zombie-Virus freigesetzt wurde und auf der Welt zu wüten begann. In dem zügig inszenierten Horror-Trip kämpft sich No-Nonsense-Kämpferin Alice schlagkräftig zum heilsbringenden Anti-Virus vor.

INFO: F/D/CN/AUS 2016. 106 Min. Von Paul W. S. Anderson. Mit Milla Jovovich, Iain Glen, Ali Larter.

KURIER-Wertung:

"Jackie": Mit dem Tunnelblick der Trauer
Ihr letzter Auftritt als Alice? Milla Jovovich in "Resident Evil - The Final Chapter"

Eine wahre Geschichte – verpackt in eine rührende Komödie. Dieses Konzept klingt nach einem potenziellen Kinohit.

Der Film basiert auf den Erlebnissen des Deutsch-Singhalesen Saliya Kahawatte. Als Teenager verlor er durch eine Netzhautablösung fast sein gesamtes Sehvermögen. Trotz dieser Behinderung schafft er es, eine Lehrstelle in einem Luxushotel zu bekommen – weil er verschweigt, dass er fast nichts sehen kann. Fingerspitzen, Ohren und Intuition ersetzen seine Augen. Mit der Lehre beginnt aber auch ein tagtägliches Lügen- und Versteckspiel.

Sali arbeitet härter als die anderen, lernt mithilfe weniger eingeweihter Freunde Bücher, Stadtpläne, Menü- und Getränkekarten auswendig. Das unaufhörliche Zählen von Treppenstufen gehört für ihn zum Alltag.

Der durchaus berührende Film verschweigt die dunkle Seite der Geschichte, die Kahawatte in seiner vor sechs Jahren erschienenen Autobiografie erzählte: Seine Selbstverleugnung und die damit einhergehende innere Einsamkeit und Suchtgefährdung.

Regisseur Marc Rothemund hat aus diesem unglaublichen Doppelleben eine durchaus unterhaltsame Tragikomödie gemacht, bei der aber die Botschaft dieser (Über-)Lebensgeschichte auf der Strecke bleibt.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: D 2016. 111 Min. Von Marc Rothemund. Mit Kostja Ullmann, Jacob Matschenz.

KURIER-Wertung:

"Jackie": Mit dem Tunnelblick der Trauer
Versteckspiele: Kostja Ullmann (links) und Jacob Matschenz

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