"Meine bisher härteste Arbeit"

Film: Captive
In "Captive" spielt die Französin Isabelle Huppert schonungslos eine Geisel im philippinischen Dschungel.

Madame ist gut gelaunt: Entspannt sitzt Isabelle Huppert auf einem Diwan im noblen Grand Hotel mitten in Paris, gleich neben der Oper, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. „Da bin ich so nah dran und immer noch ein bisschen zu spät hier zu unserem Termin“, scherzt die 60-Jährige, die Gesprächspartner an schlechten Tagen auch Stunden warten lässt. Huppert mag Interviews nicht und führt sie nur, wenn ihr der Film wichtig ist. Bei „ Captive“, dem dokumentarischen und in seiner Realitätsnähe nur schwer erträglichen Geiseldrama des philippinischen Regisseurs Brillante Mendoza, ist das der Fall.

KURIER: Bei Ihrer Rolle in „ Captive“ (ab Freitag im Kino) gehen Sie an Ihre Grenzen. Noch nie hat man Sie so ungeschminkt und pur gesehen. Was hat Sie daran gereizt?
Isabelle Huppert:
Ich musste hier keine Rolle spielen, denn es gab keine. Was ich als entführte Entwicklungshelferin zu tun hatte, war rein über körperliche Signale wie Müdigkeit und Furcht definiert. Genug, um dem Film einen starken Ausdruck zu geben. Brillante wollte nichts psychologisieren, sondern einfach diese beklemmende Atmosphäre vermitteln. So, als wäre alles echt. Das bekam er auch gut hin: Für mich war das die härteste Arbeit, die ich bisher gemacht habe.

Stimmt es, dass Sie bei Drehbeginn keinen Ihrer Kollegen kannten?
Ja, ich kam auf den Philippinen an und verbrachte ein paar Tage mit Brillante bei Kostümproben in Manila. Dann ging’s schon los. Er setzte uns auf ein Boot und warf uns buchstäblich ins Wasser. Wir kannten uns nicht und saßen da plötzlich zusammen: Holländer, Chinesen, Amerikaner und die Filipinos, die die Abu-Sayaf-Entführer spielten. Erst allmählich lernten wir einander kennen – wie echte Geiseln eben. Die Darsteller der Entführer flößten uns übrigens wirklich Furcht ein.

Sind Sie sehr wählerisch bei Ihrer Rollenwahl?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe keine Regel, nach der ich mich entscheide und finde die Rollenauswahl immer am schwierigsten. Für mich spielt der Regisseur eine ganz wichtige Rolle.

Einer, mit dem Sie sehr gut können, ist offenbar Michael Haneke, dessen Ruf Sie nun auch wieder bei „Amour“ gefolgt sind.
Ja, Michael Haneke ist ein guter Freund geworden. Ich mag das, dass er bei der Arbeit eine sehr klare Meinung zu den Dingen hat und davon nicht abweicht. Trotzdem ist es leicht, mit ihm zu arbeiten: Er lässt dir Platz für deine Ideen und lässt sich auch davon überraschen. Und er ist ein guter Zuschauer: Wenn jemand, den er mag – und er mag mich – vor ihm spielt, dann ist er meistens zufrieden und froh.

Würden Sie sich als furchtlos bezeichnen?
Nein. Ich wüsste nicht warum. Es ist ja nicht gefährlich, was ich mache. Die Leute können natürlich sagen, die traut sich was, weil sie auf die Philippinen fliegt und fünf Wochen dort im Dschungel verbringt, aber für mich ist das einfach ein weiterer Film. Wenn man einen Film dreht, ist das weniger schlimm, als es dann im Kino aussieht. Es ist ja auch mein Selbstverständnis als Schauspielerin, meine Grenzen auszuloten und zu überschreiten. So weit wie möglich zu gehen. Es ist formidabel, ganz weit weg von daheim mit Filmemachern mit einem anderem Horizont zu drehen. Das bereichert.

Spielen Sie noch Theater?
Ja, sehr oft. Ich bin total gebannt, wenn ich als Besucherin im Theater bin. Wenn ich dann selber spiele, sage ich mir allerdings: Oh mein Gott, warum tust du dir das an? Man sieht immer nur die guten Momente, aber du bekommst vom Publikum nicht immer nur nettes Feedback. Es ist ein direktes Aufeinandertreffen, sehr physisch, sehr anstrengend. Auch eine Art von Dschungel.

Zur Person: Eine Frau für alle Fälle

Isabelle Huppert, geboren 1953 in Paris, ist eine der vielseitigsten und am meisten ausgezeichneten französischen Schauspielerinnen. Sie arbeitete mit Chabrol, Godard und Sautet, um nur einige Regisseure zu nennen. Mehrfach spielte sie auch unter der Regie Michael Hanekes, u. a. in „Die Klavierspielerin“. Huppert ist seit 1982 skandalfrei mit Regisseur Roland Chammah verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.

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