Iphigenie in Gumpendorf: Weder Hure noch Heilige

Iphigenie in Gumpendorf: Weder Hure noch Heilige
Kritik: Das TAG zeigt Goethes Drama als Ermächtigungsgeschichte einer Frau im Mafiamilieu.

Kritik. Die Atridensagen der griechischen Mythologie erzählen von einer gar grässlich dysfunktionalen Familie. Der Vater will seine Tochter Iphigenie für den Trojafeldzug opfern, diese wird von einer Göttin entrückt. Die Mutter tötet aus Rache den Vater und wird, ebenfalls aus Rache, von ihrem Sohn gemetzelt. Den Muttermörder wieder hetzen die Rachegöttinnen.

An dieser Stelle setzt Goethes „Iphigenie auf Tauris“ ein. Iphigenie, inzwischen Priesterin, soll ihren eigenen Bruder opfern. Goethe erzählt eine Geschichte der Versöhnung mit Iphigenie als große Heilige im Mittelpunkt, die nicht nur die Rachegöttinnen besänftigt, sondern auch zwischen Kultur und Barbarei, Sinn und Sinnlichkeit vermittelt.

Mit  klassischem Pathos räumt Angelika Messner, die das Stück für das TAG neu geschrieben und inszeniert hat, gründlich auf. Um nicht zu viel zu verraten: Am Ende liegen ziemlich viele Leichen auf der Bühne.

Menschenhandel

Bei Messner ist Iphigenie ein Opfer von Menschenhändlern, der Barbarenkönig Thoas ein Mafiahäuptling, Orest ein verhaltensorigineller Schwuler. Erzählt wird hier von der versuchten Selbstermächtigung einer Frau, die keine Lust mehr hat, entweder Hure oder Heilige (oder beides gleichzeitig) zu sein.

Michaela Kaspar ist eine beeindruckend starke Iphigenie, Jens Claßen ein abgründiger Thoas, Emanuel Fellner ein fiebriger Orest. Lisa Schrammel spielt ergreifend eine junge Prostituierte, Georg Schubert einen gewalttätigen Zuhälter und Andreas Gaida einen verliebten Pylades. Jon Sass kommentiert das Geschehen auf der Tuba.

Fazit: Ein tragischer und auch komischer Abend, der Text ist nicht frei von Plattheiten. Großer Jubel.

Kommentare