Neuer Horror aus Österreich: "Es geht ums Eingemachte“
Zwei Teenager werden mit der neuen Freundin ihres Vaters in einer einsamen Hütte eingeschneit. Plötzlich geschehen gruselige Dinge, die scheinbar mit der Vergangenheit der jungen Frau in einer Kult-Sekte zu tun haben.„The Lodge“ (ab Freitag im Kino) nennen die beiden Filmemacher Veronika Franz (ehemalige KURIER-Filmkritikerin) und Severin Fiala ihren neuen, überaus effektvoll inszenierten Horrortrip, der erstmals international und englisch-sprachig produziert wurde.
Ein Gespräch über Patchwork, Elvis Presley und Männer, die keine Hunde mögen.
KURIER: Wenn man Ihre beiden Spielfilme „Ich seh Ich seh“ und „The Lodge“ kennt, kann man sagen: Ihnen reichen eine Frau und zwei Kinder, um einen packenden Horrorfilm zu inszenieren.
Severin Fiala: Der Regisseur Jean-Luc Godard sagte, ein Film braucht „A Girl and a Gun“ („Ein Mädchen und ein Gewehr“). Bei uns ist es „A Mother and Two Kids“ („Eine Mutter und zwei Kinder“). Das ist insofern besser, weil es sich dabei um eine Beziehung handelt, die jeder Zuschauer irgendwie kennt.
Veronika Franz: Natürlich könnten wir auch Kriegsfilme mit Schlachten zeigen. Aber wir beschränken uns auf eine kleine Familie, wo man genau hinschauen und sich langsam in deren Situation hineinschrauben kann. Und dann lassen sich Dinge erzählen, wie man es im größeren Rahmen nicht könnte.
Severin Fiala: Wir sagen immer: Familie ist der kleinstmögliche Kriegsschauplatz.
In Ihrem Film geht es um eine Patchwork-Familie und ein Trauma. Was interessiert Sie an dieser privaten, intimen Situation?
Veronika Franz: Ich glaube, dass man sich als Zuseher leichter mit dem Privaten identifizieren und sich auch weniger entziehen kann. Eine Mutter und zwei Kinder – das hat viele Anknüpfungspunkte. Jeder hat eine Mutter, viele sind selbst Mütter – das ist etwas ganz anderes als ein Film über Serienmörder.
Welche Effekte sind Ihnen bei Ihren Horrorfilmen wichtig? Die Thrills?
Veronika Franz: Wir hätten gerne, dass sich die Leute richtig fürchten. Es geht uns nicht um kurze Schockmomente – das interessiert uns eigentlich nicht.
Severin Fiala: Schockmomente lösen nämlich die Spannung auch wieder auf. Es geht mehr ums Eingemachte. Das ist auch etwas, was wir selber im Kino gerne sehen: Filme, die einen angreifen und vielleicht auch verändern. Nach so einer Erfahrung streben wir.
Veronika Franz: Und wir suchen natürlich auch die Unterhaltungsebene. Man könnte sagen: Das ist ein Horror-Film über Patchwork-Familien. Dieses Thema interessiert uns auch gesellschaftlich. Und wenn es uns gelingt. das in einem unterhaltsamen, dunklen, beklemmenden Zusammenhang zu thematisieren, der einen im besten Sinn auf die Folter spannt – finde ich das gut.
Apropos Patchwork: Der Vater besteht darauf, dass sich seine Kinder und seine neue Freundin möglichst schnell anfreunden. Er deponiert alle im Ferienhaus und glänzt dann weitgehend durch Abwesenheit. Eigentlich keine sonderlich sympathische Rolle, oder?
Severin Fiala: Ich finde es in Ordnung, dass er Seiten an sich hat, die nicht sympathisch sind. Aber die Amerikaner sind der Meinung, der Vater muss immer ein Held und ein guter Mensch sein. Was den Produzenten am meisten widerstrebte, war, dass das Publikum den Eindruck gewinnen könnte, dass der Vater den Hund seiner Freundin nicht mag. Das ist für die Amerikaner das größte Problem: Ein Mann, der keinen Hund mag, wird vom Publikum weltweit gehasst.
Tatsächlich? Es gab also unterschiedliche Auffassungen über die Männerfigur?
Veronika Franz: Das Männerbild, das uns aus Amerika herangetragen wurde, ist sehr konservativ: Der Mann ist der Beschützer der Familie. „The Lodge“, also die Hütte, wo alle hinfahren, hätte ja sehr unterschiedlich aussehen können. Ich habe es mir ursprünglich viel klappriger vorgestellt, als es jetzt ist. Aber während der Suche nach dem Drehort waren die US-Produzenten oft ganz empört: „Nie würde ich meine Familie in dieser Bruchbude alleine lassen!“ An dieser Männerfigur haben sich lustigerweise viele Diskussionen entsponnen.
Die Hauptfigur Grace wird von Riley Keough gespielt, der Enkelin von Elvis Presley. Haben Sie – apropos Familie – mit ihr über ihre Familie gesprochen?
Severin Fiala: Wir haben tatsächlich über unser Mütter und unsere Familien gesprochen. Riley hat uns über ihre Mutter und ihre Stiefväter erzählt und wir dachten noch: Eine arge Familie. Dann haben wir nach gegoogelt und geschaut, von wem sie eigentlich genau geredet hat: Ihre Mutter ist Lisa Marie Presley, einer ihrer Stiefväter Michael Jackson, der andere Nicolas Cage.
Veronika Franz: Wir haben uns auch für Riley Keough entschieden, weil sie fragil und auch ein bisschen neurotisch, gleichzeitig aber sehr bei sich ist. Sie hat keine Ausbildung als Schauspielerin. Wir suchen nach Schauspielern, die ein intuitives Talent haben. Sie und Jaeden Martell, der den Buben spielt und schon in Stephen Kings „It“ eine Hauptrolle hatte, haben fantastisch miteinander harmoniert. Das war, wie wenn man bei einem Zauberstück zuschaut. Sie waren unglaublich gut vorbereitet. Und sie konnten die dümmsten Sätze sagen als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Da muss man schon sagen: Das kennt man aus Österreich so nicht.
Die Hauptfigur hat eine Vergangenheit mit einer Kult-Sekte. Wie haben Sie Riley Keough bei den Vorbereitungen geholfen?
Veronika Franz: Wir haben einige Zeit lang befürchtet, dass sie sich nicht genügend auf die Rolle vorbereitet. Dann haben wir sie per Email mit Kult-Videos und Infos zu Sekten bombardiert. Irgendwann kam dann von ihr der lakonische Satz: „Oh, habe ich vergessen euch zu sagen, dass ich mit Scientology aufgewachsen bin?“
Severin Fiala: Und wir hatten schon Angst, dass sie keine Ahnung von Sekten hat...
Sie mussten für die Endfassung des Films viel mit Ihren Produzenten streiten. Um was für unterschiedliche Vorstellungen ging es da?
Veronika Franz: Ich sage dazu einen Satz: Amerikanische Produzenten wollen grundsätzlich nicht, dass sich Zuschauer Fragen stellen – was ganz im Gegenteil zu dem steht, was wir wollen. Kino soll Fragen aufwerfen. Wir hatten ein Test-Screening, bei dem zwanzig Leute danach zu dem Film befragt wurden. Die haben diskutiert – und wir fanden alles super, was sie gesagt und gefragt habe. Aber die Produzenten waren darüber völlig schockiert.
Severin Fiala: Dabei haben sie uns genau deswegen engagiert – dass der Film anders aussieht als üblicherweise. Daran mussten wir sie sehr oft erinnern. Wir haben viel gestritten, aber am Ende hat der Boss der Produzenten eingesehen, dass wir den Film so schneiden müssen, wie wir wollen. Dafür haben wir lange gekämpft.
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