Interview: Nicolette Krebitz: "Der Wolf in meinem Bett"

Lillith Stangenberg verliebt sich in einen Wold: „Wild“, aber Freitag im Kino
Nicolette Krebitz über ihren Film "Wild", in dem sich eine junge Frau in einen Wolf verliebt.

Verliebt in einen Wolf? Mit ihrer dritten langen Regiearbeit "Wild", die auf dem US-Festival Sundance Premiere hatte, erzählt die deutsche Regisseurin und Schauspielerin Nicolette Krebitz eine schräge Liebesgeschichte – zwischen einer jungen Frau und einem Wolf.

KURIER:In den letzten Jahren war immer wieder die Rede davon, dass sich Wölfe unseren Wohngebieten nähern. Hat Sie das zu "Wild" inspiriert?

Nicolette Krebitz: Eigentlich hat alles mit einem Traum begonnen: Ich lief durch einen Wald und spürte, dass hinter mir etwas war. Ich drehte mich um und da stand ein Wolf. Dann bin ich aufgewacht und wusste: Das wird mein nächster Film.

Der Traum vom Wolf klingt nach Freudianischen Motiven …

Es gibt einen Philosophen (Jacques Derrida, Anm.), der über die Begegnung mit seiner Katze eine ganze Vorlesung gehalten hat. Er kam aus dem Bad und stand seiner Katze nackt gegenüber – und die beiden haben sich angesehen. Er beschreibt unter anderem , was er dabei empfunden hat – wie unterlegen er sich gegenüber der Katze fühlte, die ein Fellkleid anhatte und ihn spöttisch-herausfordernd ansah. Und wie er sie um ihre Wahrhaftigkeit beneidet hat, als sie einfach nur so dastand. Wölfe gibt es schon seit der Eiszeit und sie haben sich im Gegensatz zu uns seither kaum verändert. Auch sie mussten sich anpassen und haben sich trotzdem das Wilde bewahrt. Das finde ich bewundernswert.

Was ist der Reiz am Wilden?

Wir leben in einer Welt, in der alles auf Sicherheit, Gesundheit und ein langes Leben ausgerichtet ist. Wir sind sehr leistungsorientiert und wollen funktionieren. Diese Frau schafft sich eine lebensbedrohliche Bestie ins Haus. Warum tut sie das? Sie begibt sich in Gefahr und spürt das Leben plötzlich wieder. Sie fängt ganz von vorne an.

Haben Frauen ein anderes Verhältnis zur Natur als Männer?

Ich glaube, Frauen müssen die Natur nicht immer besiegen, sondern können stattdessen etwas abschauen, sich etwas von ihr zurück holen; es braucht nicht diese Gegnerschaft. Ich würde zum Beispiel nie so einen Film machen wie "The Revenant", weil ich mir ehrlich gesagt doof dabei vorkäme. Abgesehen davon, dass der Bär, mit dem Leonardo DiCaprio kämpft, nicht mal echt war, würde es mich einfach nicht interessieren, ein Spektakel zu zeigen, bei dem ein Mensch ein großes wildes Tier erlegt. Aber sehr wahrscheinlich bedeutet das für Männer etwas anderes.

Apropos "unechter Bär": Ihre Wolfsszenen sind alle real ohne Tricktechnik gedreht?

Interview: Nicolette Krebitz: "Der Wolf in meinem Bett"
ABD0004_20160413 - Schauspieler Georg Friedrich (l-r), Regisseurin Nicolette Krebitz und Schauspielerin Lilith Stangenberg kommen am 12.04.2016 in Berlin zur Premiere des Films «Wild» in das Kino International. Der Film kommt am 14.04.2016 in die Kinos. Foto: Jens Kalaene/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ja. Wir haben einen Tiertrainer empfohlen bekommen, der in der Nähe von Budapest mehrere Wolfsrudel beherbergt. Einen Wolf kann man nicht dressieren, sondern nur durch Essen motivieren. Wenn er irgendwo hingeht, war da immer ein Stück Fleisch versteckt, und wenn er irgendwo schnuppert, war es wegen der Leberwurst. Er macht nichts ohne Essen, weil er kein Interesse daran hat, uns zu gefallen. Das ist anders als beim Hund, der belohnt und gemocht werden will. Der Wolf hat diese Mechanismen nicht, er ist unabhängig.

Sie zeigen die Protagonistin nackt in einer erotischer Situation mit dem Wolf.

Diese Gegensätze – Haut und Fell, zivilisiert und wild – haben mich interessiert. Die Haut der Hauptdarstellerin ist wie eine Bühne, auf der verhandelt wird, wie verwundbar sie ist. Diese Szenen spielen an einem Ort, den wir nicht kennen und der uns auch unheimlich ist. Darum geht es und da unterscheiden sich auch die Zuschauer, die sich nur blöd empören, von denen, die sich auf eine Geschichte einlassen können.

Warum wollten Sie Georg Friedrich für die männliche Hauptrolle? War Ihnen auch seine österreichische Sprache wichtig?

Ich finde, er ist ein wunderbarer Schauspieler. Und ja, die Sprache war wichtig, weil ich finde, dass das Österreichische so toll "oldschool" ist. Georg spricht die Sprache des Chefs, im altmodischen Sinne, aber es klingt auch immer irgendwie ironisch. Als wäre es ein Spiel. Eine Formulierung wie "Gnädige Frau" – die hört man nur in Wien. Ich habe das Gefühl, dass sich in Österreich die Geschlechter in ihren Rollen wohler fühlen und spielerischer damit umgehen können. Für seine Rolle war das genau richtig, denn er muss das Steuer in der Hand halten, obwohl er weiß, dass sein Schiff gerade untergeht. Das ist tragisch, komisch auch und schön.

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