Interview mit Nora Fingscheidt: Ein wütendes Mädchen wie ich

Die elfjährige Helena Zengel spielt furios ein tobendes Mädchen namens Benni: „Systemsprenger“
Nora Fingscheidt erhielt für ihr Porträt einer rabiaten Neunjährigen den Silbernen Bären: "Systemsprenger".

Das neunjährige Mädchen Benni ist pretty in pink – blond und mit blauen Augen. In guten Momenten kann sie zärtlich, verständig und einfühlsam sein. In schlechten Momenten wirft sie sich brüllend auf den Boden, zerschlägt Fenstergläser und bricht der Mitschülerin die Nase. „Systemsprenger“ werden solche Kinder genannt, die sich in ihre (Pflege-)familien, Wohngruppen und Sonderschulen nicht integrieren lassen und durch ihr radikales Verhalten aus jedem sozialen Rahmen herausfallen.

Systemsprenger“ (derzeit im Kino) nannte die 36-jährige, deutsche Regisseurin Nora Fingscheidt ihren ersten Langspielfilm, der auf der Berlinale den Silbernen Bären gewann. Nervenaufreibend, aber mit viel Empathie erzählt sie von der neunjährigen Benni (sensationell gespielt von Helena Zengel), die durch ihr rabiates Verhalten das Jugendamt zur Verzweiflung bringt. Benni sehnt sich nach ihrer überforderten Mutter; diese fürchtet sich aber vor der wilden Tochter und will sie lieber in einer sozialen Einrichtung verwahrt wissen will.

Nora Fingscheidts wildes Mädchenporträt ist von umwerfender Kraft und legt virtuos alle Tonlagen zwischen bodenloser Wut und Sehnsucht nach Zärtlichkeit frei. Mit entfesselter Kamera begleitet sie ihre um sich schlagende Protagonistin, deren sozialer Spielraum sich zunehmend verengt. Doch Fingscheidt bleibt konsequent mit dem rebellierenden Kind auf Augenhöhe und erzeugt mit "Systemsprenger“ ein beeindruckendes Filmdebüt der extremen Gefühlszustände. 

KURIER: Systemsprenger“ ist ein spannender Begriff, weil er einen Moment von Widerstand und Freiheit in sich birgt. Was war Ihre erste Assoziation?

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