Und er ist das Alter Ego seines Regisseur Nadav Lapid, einem der wichtigsten Autoren des zeitgenössischen, israelischen Kinos.
Auch Nadav Lapid hat vor zwanzig Jahren Israel Richtung Frankreich verlassen, um dessen militärisch geprägter Kultur zu entkommen: „Auch ich wollte nach Abschluss meines Militärdienstes – so wie Joav – nach Paris übersiedeln und niemals wieder nach Israel zurückkehren“, erzählt der heute 44-jährige, in Tel Aviv geboren Filmemacher: „Woran ich mich übrigens nicht gehalten habe, denn ich bin nach Israel zurückgekehrt.“
„Synonymes“ ist Lapids dritter Spielfilm und ein furchtloser, exzentrischer Anti-Heimatfilm, der die Hassliebe des Regisseurs zu seinen Wurzeln als exzellenten, wahnwitzigen Selbstfindungstrip erzählt und dem Regisseur bei der Berlinale 2019 den Goldenen Bären einbrachte.
Bereits mit seinem Filmdebüt „Policeman“ („Der Polizist“, 2011), der von einem israelischen Elite-Polizisten einer Anti-Terroreinheit erzählt, erregte Lapid großes Aufsehen.
Kritik an einer zelebrierten Vorstellung von militärischer Männlichkeit übte er auch im Nachfolgefilm „The Kindergarten Teacher“ (2014): „In Israel beginnt man die Armee, vor allem als Bub, sehr früh, und in gewisser Weise beendet man sie nie“, weiß Lapid aus eigener Erfahrung.
In seinem Film „The Kindergarten Teacher“ erzählt er von einem poetisch begabten Kind, das eines Tages der Poesie abschwört. Warum?
„Weil dieser Sechsjährige denkt, dass ein Poet zu sein, etwas zu Fragiles, zu Verwundbares ist. Kräftig, stark und selbstsicher zu sein, das ist hingegen positiv besetzt. Das heißt, die Armee bedeutet eine Umformung. Der Preis dafür ist, dass man vergisst, wer man davor war.“
Für Lapid lässt sich der prägende Einfluss des Militärs auf seine Mitglieder gar nicht hoch genug einschätzen: „Der Eintritt in den Militärdienst wird als der wichtigste Tag im Leben empfunden“, erinnert er sich an seine eigene Jugend: „Jetzt konnte man zeigen, aus welchem Stoff man gemacht ist. Ich ging in die Armee, weil ich ein Cowboy werden wollte, ein Musketier und ein Held. Ich erinnere mich daran, dass wir oft über den Tod gesprochen haben, doch in Wahrheit stellte ich mir den Tod wie ein Ereignis für meinen Lebenslauf vor. Man kapiert nicht, dass es danach vorbei ist und nichts mehr folgt.“
In „Synonymes“ will Yoav nach seiner Armeeerfahrung – wie auch Lapid selbst – sein militärisches Ich hinter sich lassen und in Paris einen Neustart hinlegen. Er flüchtet nach Frankreich – „in dem alles, was in Israel hoch im Kurs steht, verachtet wird – und umgekehrt.“
In Paris gelandet, möchte sich Yoav nur noch mit distinguierten Franzosen umgeben. Gleichzeitig aber verbindet ihn eine seltsame Freundschaft mit einem israelischen Soldaten namens Yaron, der ebenfalls in Paris lebt: „Yoav ist süchtig nach diesen Begegnungen mit Yaron, obwohl er ja eigentlich vor so jemandem wie ihm davon läuft“, erklärt Lapid diesen Widerspruch: „Entgegen all seiner Intentionen gibt es eine innere Stimme, die ihn in dieses israelische Terrain führt: Es ist ein Israel der jungen, muskulösen, lächelnden Männer, die niemals melancholisch sind; die ihr Land lieben und den ganzen Rest verabscheuen; die keine Fragen stellen und keinen Zweifel hegen.“
Dass „Synonymes“ auch eine superbe Satire ist, kommt in irrwitzigen Szenen zum Vorschein, etwa, wenn Yaron die Leute in der Pariser Metro mit seiner jüdischen Herkunft konfrontiert und zu Antisemitismen provozieren möchte, indem er ihnen die israelische Bundeshymne in die Ohrmuschel singt.
Eine Parodie auf eine bestimmte Form des „Israelischseins“? „Ja, gewiss“, bekräftigt der Regisseur, dem im eigenen Land viel Ressentiment für seine kritische Haltung entgegenschlägt: „Als ich aufgewachsen bin, hat man mir erzählt, was der Unterschied zwischen einem Israeli und einem Juden ist. Der Jude habe immer Angst und würde seine Identität verbergen. Der Israeli sagt hingegen: ‚Wenn ihr ein Problem mit meinem Israelischsein habt, ist das auch euer Problem.‘“
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