Die 1977 in Graz geborene Regisseurin hatte 2011 mit ihrem Familienporträt „Die Vaterlosen“ debütiert und dann mit der Verfilmung von Doris Knechts „Gruber geht“ und der Bobo-Milieustudie „Was hat uns bloß so ruiniert“ (2016) nachgelegt. Weitere Anerkennung erhielt ihr Arbeitswelten-Psychogramm „Der Boden unter den Füßen“.
Mit „Corsage“ stemmte Marie Kreutzer ihre erste internationale Produktion. Vier Produktionsfirmen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und Luxemburg waren an dem mit 7, 3 Millionen Euro budgetierten Film beteiligt: Eine Größenordnung, die „ganz schön anstrengend war, weil immer sehr viele Leute zu allem eine Meinung gehabt haben“, so die Filmemacherin.
Immerhin war von Anfang an klar, dass Vicky Krieps die Hauptrolle der Kaiserin übernehmen und damit deren Alter auf 40 festgelegt war: „Ich habe schnell gemerkt, dass das der interessantere Teil ihres Lebens ist, weil man über den am wenigsten weiß“, findet Kreutzer: „Der Mythos vom Mädel vom Land, das zur Kaiserin wird, ist abgehakt. Und wie sie gestorben ist, weiß auch jeder.“
Marie Kreutzer inszenierte kein klassisches Bio-Pic, sondern nimmt sich erzählerische Freiheiten: „Das finde ich auch den Reiz. Wir waren alle nicht dabei, und was wirklich hinter verschlossenen Türen gesagt wurde, werden wir nie wissen. Insofern“, meint die Regisseurin und lacht, „kann man erzählen, was man will“.
Kreutzer porträtiert die Kaiserin als eine Frau, die gegen die Zwänge der höfischen Etikette aufbegehrt: „Elisabeth durfte nur repräsentieren. Ihr Job war: schön sein und lächeln. Sie war von Anfang an mit dieser Rolle unglücklich. Aber ab einem gewissen Alter hat sie sich getraut, Freiheiten zu nehmen. Ich sehe all die Dinge, die sie getan hat – auch den extremen Sport oder die Obsession mit der schlanken Taille – als Ausbruchsversuche aus dem sprichwörtlichen Korsett.“
Die arme Vicky Krieps musste nicht nur Reiten im Damensattel lernen, Fechten und Ungarischstunden nehmen, sondern sich jeden Tag acht Zentimeter von der Taille wegschnüren lassen: „Das war sehr schmerzhaft und hat ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Tagsüber konnte sie keine feste Nahrung zu sich nehmen. Ich würde das niemandem mehr antun wollen.“
Seit ihrem Spielfilmdebüt hat Marie Kreutzer eine bemerkenswert zügige Karriere hingelegt. Trotzdem sieht sie ihren Erfolg nicht als Indiz, dass die Hindernisse für Regisseurinnen, sich in einer männerdominierten Branche durchzusetzen, ausgeräumt wären: „Ich bin immer noch die Ausnahme, vor allem im hohen Budgetbereich.“
Auch die jüngste Welle an Missbrauchsvorwürfen, die unter dem Stichwort #MeToo die Branche erschütterte, kommt für Kreutzer nicht überraschend: „Diese Themen waren weder neu noch unbekannt. Dass es jetzt medial so hochkocht, ist sicher überfällig.“ Sie selbst sei sowohl an der Filmakademie als auch auf Filmsets mit Übergriffen konfrontiert gewesen, „die ich erst im Rückblick als solche erkannt habe. Es gibt eine breite Grauzone, die mit Blicken oder blöden Sprüchen beginnt, die strafrechtlich nicht relevant, aber trotzdem unangenehm sind, und bei körperlichen Übergriffen endet.“
Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, brauche es konkrete Maßnahmen: „Die halte ich auch für relevanter, als hinter vorgehaltener Hand Namen auszutauschen oder eine Black List von Männern zu erstellen, mit denen man nicht mehr arbeiten darf.“ Die Arbeitgeber und Produzenten seien daher gefordert, „Konzepte zu erstellen, wie in ihren Produktionen Übergriffe verhindert und niederschwellig gemeldet werden können, um für eine Kultur des Respekts zu sorgen.“
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