„Jean Seberg war natürlich eine starke Persönlichkeit“, sagt Kristen Stewart über ihre Kollegin: „Aber als ich das Drehbuch las, war es unglaublich schmerzhaft zu erfahren, wie man sie fertiggemacht hat. Ich kannte Jean Seberg nur als charismatische Schauspielerin aus Godards ,Außer Atem‘. Aber das Ausmaß der Tragödie ihres Lebens war mir nicht bewusst.“
Das Schöne an Interviews mit Kristen Stewart ist nicht nur, dass sie schön ist; es ist auch ihre Bereitschaft zur Präsenz: Kristen Stewart kann sich über alles aufregen, wenn es sein muss, und hat auch keine Hemmungen, das F-Wort in den Mund zu nehmen.
Ein Gespräch über das Schicksal von Jean Seberg, deren Engagement für die Black-Power-Bewegung im Jahr 1968 sofort den amerikanischen Geheimdienst auf den Plan rief, ist so ein Anlassfall. (Das Interview fand letzten Herbst statt, als die „Black Lives Matter“-Bewegung noch nicht in aller Munde war; Corona-bedingt hat sich der Start des Films um ein halbes Jahr verschoben, Anm.) Stewarts Empathie für das traurige Schicksal ihrer Filmheldin fühlt sich aufrichtig und echt an: „Selbst jene Menschen, die ihr am nächsten standen, wie ihr Ehemann und ihr Manager, hielten sie für verrückt, als sie erzählte, dass sie abgehört und verfolgt wird. Wer glaubt schon einer ‚durchgeknallten‘ Lady?“
Die mittlerweile 30-jährige Amerikanerin, deren globaler Star-Status sich ihrer Rolle als Bella Swan in der Hitserie „Twilight“ verdankt, wird richtig wütend: „Man redet gerne darüber, dass man natürlich für Chancengleichheit ist, aber das ist eine – (an dieser Stelle muss man sich das F-Wort eingefügt denken) – .... Lüge! Weiße Männer in Amerika lieben ihre Macht und haben null Lust, sie herzugeben. Unser gesellschaftliches System basiert auf einer unerträglichen Rassen- und Klassendifferenz. Da machen es sich die Rechten leicht, wenn sie den Leuten erklären, dass sie für ihr Glück selbst verantwortlich sind. “
Kristen Stewart schnaubt durch die Nase. Bei diesem Thema könnte sie sich richtig in Rage reden.
Wo Wut ist, ist auch Ehrlichkeit. Wenn sie über ihre Karriere spricht und darüber, dass sie gerne Risiken in Kauf nimmt, glaubt man ihr das ebenfalls gerne: „Wer beruflich auf der sicheren Seite bleiben möchte, spielt am besten in braven, vorhersehbaren Wohlfühlfilmen mit. Ich aber fühle mich am wohlsten, wenn etwas super-ehrlich und herausfordernd ist.“
Zudem sei es ihr nicht wichtig, in kommerziell erfolgreichen Filmen zu spielen: „Natürlich möchte ich möglichst viele Menschen erreichen, damit ich mich ihnen näher und mich weniger einsam fühle. Aus diesem Grund machen wir Kunst.“
So gesehen kam ihr die Rolle der verletzbaren Jean Seberg sehr gelegen. Deren größte Herausforderung habe für sie darin bestanden, „das Ausmaß ihrer Einsamkeit und ihrer kompletten Isolation richtig darzustellen.“
Tatsächlich wurde das Image von Jean Seberg durch wohl platzierte Diffamierungen in der Boulevardpresse zunehmend ruiniert. Das rieb sie dermaßen auf, dass es zu einer Fehlgeburt kam. Auch eine missglückte Liebesaffäre mit dem Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal und das Ende ihre Ehe machten ihr schwer zu schaffen. Der Druck wurde immer größer, in der Öffentlichkeit aber versuchte Seberg weiterhin, als strahlender Star aufzutreten.
„Dieses Gefühl kenne ich nur allzu gut“, seufzt Stewart in ihrer erfrischend offenen Art: „Ich liebe diese Szene im Film, wo sie mit ihrem Mann streitet, als plötzlich ein Fotograf auftaucht. Sie ist zwar komplett am Ende, aber sie lächelt. In diesem Moment weißt du genau, wie das Foto aussehen wird und in welchem krassen Gegensatz es zu dem steht, wie du dich gerade wirklich gefühlt hast.“
Man sieht Kristen Stewart an, dass sie aus eigener Erfahrung über den Umgang mit der Öffentlichkeit spricht: „Es ist wichtig, eine bestimmte Form von Fassade zu bewahren. Man muss sich und seine Überzeugungen schützen und verhindern, dass sich die Leute nur auf pikante Details aus dem Privatleben stürzen. Das hat nichts mit Lüge zu tun.“
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