Nur nicht das Erlebnis vermiesen

Joaquin Phoenix als bekiffter Hippie-Detektiv in Paul Thomas Andersons tollem "Inherent Vice".

Albtraum aller Journalisten, dein Name ist Joaquin Phoenix. Noch bevor man ihn getroffen hat, eilen ihm die üblen Nachreden voraus: Phoenix hasse Interviews, redet wenig oder nix und steht gern mitten drin auf und geht.

Gleichzeitig ist Phoenix so ein hervorragender Schauspieler, dass man ihm solche Auftritte einfach verzeihen muss. In Paul Thomas Andersons herausragender Verfilmung von Thomas Pynchons "Inherent Vice – Natürliche Mängel" (ab Freitag im Kino) ist er schon wieder unschlagbar. Als bekiffter Hippie-Detektiv à la "Big Lebowski" stolpert Phoenix im Jahr 1970 durch ein Kalifornien der Immobilienspekulanten – auf der Suche nach seiner verschwundenen Ex-Freundin. Regisseur Anderson verwandelte Pynchons tragisch-komischen Abgesang auf die Hippie-Ära in einen exquisiten, somnambulen Film-Trip, mit Phoenix als Idealbesetzung. Der Versuch eines Gesprächs.

KURIER: Die Handlung von "Inherent Vice" ist ziemlich kompliziert. Um was genau geht es Ihrer Meinung nach?

Joaquin Phoenix: Ich persönlich hasse es, wenn mir Leute einen Film erklären. Wenn ich ins Kino gehe, will ich am liebsten gar nichts darüber wissen, sondern alles für mich selbst entdecken. "Inherent Vice" ist ein wunderbares Beispiel dafür – da möchte ich niemandem mit meinen Interpretationen das Erlebnis vermiesen.

Hat der Film einen Plot oder folgt er eher einer Kiffer-Logik?

Das liegt bei Ihnen – Sie können sich das aussuchen.

Sie haben einen tollen Look als "Doc" Sportello. Er wurde von Neil Young inspiriert?

Ja, Paul Thomas Anderson zeigte uns Bilder von Neil Young aus den 70er-Jahren, vor allem wegen seiner fetten Wangenkoteletten und dem Strohhut, den er trug. Das hat uns gut gefallen.

"Inherent Vice" ist die erste Pynchon-Verfilmung überhaupt. Sind Sie Pynchon-Leser?

Nein. Mein erster Pynchon war "Inherent Vice."

Pynchon gilt ja als der große Unbekannte der Literaturszene: Keiner hat ihn gesehen. Es gibt Gerüchte, dass er am Set war.

Ja, das habe ich auch gelesen. Mein Kollege Josh Brolin hat das der Presse erzählt und ich war total überrascht und dachte mir: Hey, wieso hat mir das keiner gesagt?

Sind Sie jemand, der ganz in seiner Rolle versinkt?

Ja schon, ich finde es schwierig, auf Knopfdruck einfach eine Figur, die ich gerade spiele, abzuschalten. Ich trage gerne die Dinge mit mir herum. Paul Thomas Anderson macht das als Regisseur sehr gut, finde ich. Während des Drehens versuchte er, die Sprache des Drehbuchs auch in Alltagsgespräche einfließen zu lassen, indem er beispielsweise immer aus dem Pynchon-Buch zitierte... (bricht plötzlich ab) Oh Gott, wie ich mich dafür hasse, dass ich diesen Blödsinn quatsche. Ich höre mir beim Reden zu und finde es total peinlich, was ich sage. Es klingt einfach alles so falsch... (macht ein Gesicht, als würde er gleich aufstehen und gehen)

Warum klingt es falsch?

Es ist schwer zu erklären. Ich nehme meine Arbeit als Schauspieler sehr ernst, aber wenn ich darüber reden soll, dann kommt einfach nicht rüber, was ich wirklich dafür empfinde oder was tatsächlich bei den Dreharbeiten passiert ist. Es hört sich falsch an und gibt mir das Gefühl, meine Arbeit sei bedeutungslos. Ich weiß, dass es nicht so ist, aber es fühlt sich dann so an – und das mag ich nicht. (beruhigt sich wieder)

Es sah ja schon einmal so aus, als würden Sie das Schauspiel komplett hinschmeißen und Rapper werden – in Ihrer Fake-Doku "I’m Still Here"...

Casey Affleck und ich fanden die Idee großartig, im Alter von Mitte 30 in Pension zu gehen. Irgendwie war ich damals meiner Arbeit als Schauspieler, wie ich sie bis dahin betrieben hatte, müde. Das Drehen von "I’m Still Here" war unglaublich aufregend, und danach war ich in Sorge, dass es niemals wieder so gut werden könnte. Zum Glück kam dann die Rolle für Andersons "The Master", und ich danach wusste: Okay, das gute Gefühl gibt es noch.

Sie haben gerade mit Woody Allen "Irrational Man" gedreht...

Ja, das war eine tolle Erfahrung. Woody Allen ist das Gegenteil von dem, wie er sich in seinen Rollen immer darstellt. In Wirklichkeit ist er wie ein General, der genau weiß, was er will.

Wann wissen Sie, dass Sie eine Rolle spielen wollen?

Ich muss alles geben wollen. Manchmal ist ein Rollenangebot interessant, der Regisseur gut, das Drehbuch auch – und trotzdem spürt man, man will dort nicht jeden Tag hingehen. Und dann ist es für mich die Sache nicht wert. Es muss sich so anfühlen, wie wenn man sich gerade verliebt – dieses Gefühl brauche ich einfach.

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