„Die Antwort überlasse ich dem Publikum“, grinst Joachim Trier im KURIER-Gespräch: „Es handelt sich um eine Liebesgeschichte. Da kennt man das Gefühl, sich selbst wie der schlechteste Mensch der Welt zu fühlen. Oder zu finden, dass es die andere Person ist.“
Gleichzeitig verweise sein Filmtitel aber auch auf eine Art norwegisches Sprichwort, fügt Trier hinzu: „Wir in Norwegen wissen, dass wir aus einem sehr privilegierten Land kommen, in dem die Ausbildung gratis ist und wir unglaublich viele Möglichkeiten haben. Wenn wir uns dann aber trotzdem verloren fühlen, denken wir: ,Wenn ich es in Norwegen nicht schaffe, mein Leben auf die Reihe zu kriegen, bin ich der schlimmste Mensch der Welt.’ Leider teilen viele Leute dieses Gefühl der Selbstabwertung. Unsere Kultur ist von Scham und Schuld durchtränkt. Warum das so ist, kann ich nicht erklären. Aber ich kann von Menschen erzählen, die diese Erfahrung kennen.“
Joachim Trier gehört zu den herausragenden Vertretern des zeitgenössischen skandinavischen Kinos. Geboren 1974 in Kopenhagen, aber aufgewachsen in Oslo, stammt er aus einer kinoaffinen Familie. Sein Vater arbeitete als Tontechniker, seine Mutter drehte Kurzfilme und sein Großvater zeigte sein Filmdebüt „Jakten“ 1959 in Cannes. Väterlicherseits ist Joachim Trier entfernt mit dem dänischen Regisseur Lars von Trier verwandt.
Mit „Der schlimmste Mensch der Welt“ – übrigens oscarnominiert sowohl für bester internationaler Film als auch für bestes Originaldrehbuch – beendet Trier nun seine sogenannte Oslo-Trilogie, die über eine längere Zeitspanne von einer jungen Generation mit (zu) vielen Möglichkeiten erzählt: „Auf Anfang“ erschien 2006, die lose Fortsetzung „Oslo, 31. August“ folgte 2011.
In „Der schlimmste Mensch der Welt“ nimmt Trier die Perspektive der jungen Frau ein, doch spürt man, wie stark seine Sympathien auch bei ihrem älteren Freund Aksel liegen: „Ich bin jetzt ebenfalls in meinen Vierzigern und nehme wahr, wie sich mein Verhältnis zur Sterblichkeit ändert. Ich sympathisiere stark mit Julie und ihrer Sehnsucht nach Träumen und Romantik. Gleichzeitig merke ich, wie sich Türen schließen.“
In einem berührenden Monolog bekennt Aksel, dass er sich in der Gegenwart nicht mehr wohl fühlt; er nimmt Abschied von einer analogen Kultur der Gegenstände, der Platten und Comic-Hefte, mit der er aufgewachsen ist und die nun vom Internet abgelöst wird: „Als ich jung war, habe ich mein halbes Leben mit Platten verbracht und meine Freunde danach ausgesucht, welche Musik sie hören“, erinnert sich Joachim Trier: „Irgendwann merkt man aber, dass diese Informationen an Wert verlieren. Jede Generation macht diese Erfahrung: Dass ihre Zeit nicht ewig andauert. Ich liebe die Idee, dass man als Person die Zeit, und wie sie sich verändert, fühlen kann. Das ist für mich Kino.“
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