Diese Fragen stellen sich auch die vier Singles in Jacques Audiards leichtfüßigem Generationenporträt „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ (derzeit im Kino): Émilie sucht einen neuen Mitbewohner und trifft auf den Junglehrer Camille. Nach einer Flasche Bier haben sie Sex miteinander. Danach ist sie verliebt – und er nicht.
Er beginnt ein Verhältnis mit einer Arbeitskollegin.
Sie sucht Trost in ihrer Dating App.
Audiard selbst hat zu dieser Form der Sex- und Liebessuche keine moralische Meinung, sieht aber in seiner Position als Regisseur eine Reihe von Möglichkeiten, komödiantische Aspekte zu entdecken. So versucht etwa Camilles neue Flamme Nora krampfhaft, mit ihrem neuen Lover ein entspanntes Sexleben zu führen. Aber es klappt nicht: „Nora ist instabil und fühlt sich unwohl, weil sie die falsche sexuelle Orientierung gewählt hat. Deswegen ist der Sex mit Camille so schwierig“, weiß Audiard: „Ich finde, das bietet Stoff für eine großartig komödiantische Figur, die mich an frühere Woody-Allen-Filme erinnert. Da gibt es manchmal auch sehr verführerische Frauenfiguren, die sich aber trotzdem sehr unwohl fühlen. Genau diese Erzählrichtung hat mich interessiert.“
Schon weniger interessiert hat Audiard das Drehen der doch recht expliziten Sexszenen: „Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben diese Szenen gemeinsam mit einem Coach erarbeitet. In Zweierszenen. Ich war da gar nicht dabei“, gähnt Audiard: „Dann kamen sie ans Set und spielten die Szenen so, wie sie sie untereinander festgelegt hatten. Ich selbst kann beim Drehen von Sexszenen keine Anweisungen geben. Dafür bin ich zu gut erzogen.“
„Wo in Paris die Sonne aufgeht“ basiert lose auf drei Geschichten des US–Comic–Zeichners Adrian Tomine und wurde von Audiard – der übrigens beim Schreiben mit den profilierten Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen Léa Mysius und Céline Sciamma zusammenarbeitete – von Brooklyn in den 13. Pariser Bezirk übersiedelt. Dort stehen „Les Olympiades“ – so der Originaltitel des Films: Acht Wohntürme im Osten der Stadt.
Wer mit Paris den Eiffelturm oder das romantische Flussufer an der Seine verbindet, wird sich zwischen den Hochhausschluchten im 13. Arrondissement fremd fühlen. Doch das war auch seine Absicht, so der Regisseur: „Ich wollte Paris anders als gewohnt darstellen. Bei Paris denken die Leute an etwas Romantisches oder Historisches, aber genau dem wollte ich entfliehen. Die Hochhäuser erinnern an amerikanische oder asiatische Städte – an alles, bloß nicht an Paris.“
Seine Wahl, in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern zu erzählen, verstärke diesen Effekt, erklärt Audiard: „Paris sollte modern wirken. Und wenn wir schon von Schwarz-Weiß reden: Es gibt Schwarze und Weiße in meinem Film. Das ist auch ein wichtiger Grund.“
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