Interview mit Isabella Rossellini: Schauspielerin und Schimpanse
Isabella Rossellini gibt im Landestheater Niederösterreich ein Gastspiel mit dem Titel „Darwin’s Lächeln“ und erzählt, was das Verhalten von Tieren mit Schauspiel zu tun hat
Wenn Isabella Rossellini „Mamma“ sagt und ihre berühmte Mutter Ingrid Bergman meint, ist die Italienerin in ihr unüberhörbar. Auch wenn sie seit vielen Jahren in Amerika lebt und astreines Englisch spricht – ihr Akzent ist unverkennbar: Er markiert ihre Herkunft als Tochter des italienischen Meisterregisseurs Roberto Rossellini. Im amerikanischen Kino hat ihr das meist Außenseiterrollen eingetragen – darunter aber die einprägsamsten der Filmgeschichte wie in David Lynchs Provinz-Albtraum „Blue Velvet“.
Ihr Talent und ihre Schönheit haben Isabella Rossellini bis heute eine große Karriere im Kino, auf der Bühne und als Model – legendär für Lancôme – ermöglicht. Neben dem Schauspiel gilt ihre zweite Leidenschaft der Verhaltensforschung von Tieren. Wenn Isabella Rossellini nicht gerade ihren Bauernhof auf Long Island bewirtschaftet oder im Kino zu sehen ist, tritt sie als Verhaltensforscherin auf der Bühne auf.
Im Landestheater Niederösterreich gibt Isabella Rossellini an zwei Abenden ein Gastspiel (2. und 3. Februar, 19.30 Uhr) mit dem Titel „Darwin’s Lächeln“.
KURIER: Frau Rossellini, Sie kommen nach Österreich, um ein Ein-Frau-Stück namens „Darwin’s Smile“ aufzuführen. Was bringt den Evolutionstheoretiker Charles Darwin zum Lächeln?
Isabella Rossellini: Nun, ich bin in den letzten 20 Jahren zurück auf die Uni gegangen und habe dort einen Master-Abschluss in Verhaltensforschung gemacht und Tierverhalten studiert. Schon während meines Studiums habe ich dazu Monologe geschrieben und auch einige komische Tier-Filme gedreht. Der Monolog „Darwin’s Smile“ ist von einem Buch Darwins inspiriert, das den Titel „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ trägt. Dieses Buch hat mich sehr angezogen, weil der Ausdruck von Gefühlen genau das ist, was wir auch als Schauspieler tun.
Sie vergleichen Tierverhalten und Schauspielkunst?
Darwin fragte sich, warum manche Gesten – beispielsweise das Zittern vor Angst oder ein Lächeln – von allen Menschen auf der ganzen Welt verstanden werden. Manche Leute machen allerdings ganz besonders viele Gesten, wie beispielsweise die Italiener – also mache ich auf der Bühne viele Gesten (lacht). Einige davon sind kulturell erlernt, manche sind uns in die Wiege gelegt. Darwin fragte sich auch, ob Tiere ähnliche Emotionen haben wie wir. Darüber spreche ich: über den Ausdruck von Emotionen, aber auch über Schauspielerei. Es ist ein komischer, hoffentlich unterhaltsamer, wissenschaftlicher Monolog.
Spielen Sie auch Darwin? Ja, ich spiele Darwin. Meine Show ist sehr klein, aber ich mache Kostümwechsel. Ich habe ein Kostüm für einen Pfau, für einen Schimpansen, ein Nackt-Kostüm und eine Art Abendkleid. Aber ich imitiere keine Tiere. Es ist nicht wie in meinen Kurzfilmen „Green Porno“, in denen ich mich als Tiere verkleidete.
Wenn man Ihnen auf Instagram folgt, findet man Sie zwischen Ziegen und Schafen ...
Ja, ich lebe auf einem Bauernhof etwa 100 Kilometer von New York entfernt. Wir haben Hühner, Enten, Bienen, Ziegen, Schafe und ein paar Truthähne. Sie alle sind sogenannte „Traditions- oder Kulturerberassen“ und sehr selten, denn viele Nutztiere sind vom Aussterben bedroht. Ich habe etwa 22 verschiedene Hühnerrassen, vier Schafrassen und eine sehr seltene Ziegenrasse: die spanische Kaschmirziege. Wir versuchen, die Artenvielfalt zu erhalten.
Waren Sie immer schon so eine große Tierliebhaberin?
Ja, ich glaube, die Liebe zu Tieren wurde mir in die Wiege gelegt. Meine Mamma hat mir den ersten Hund geschenkt, als ich fünf Jahre alt war. Und ich habe mich ganz alleine um ihn gekümmert. Ich habe ihn gefüttert, gebürstet und bin mit ihm spazieren gegangen. Ich wurde also mit der Liebe zu Tieren geboren. Und als ich 14 Jahre alt war, schenkte mir mein Vater das Buch „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“ von dem österreichischen Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Seit ich dieses Buch gelesen habe, dachte ich immer: „Oh, das ist es, was ich gerne machen würde!“
Stattdessen haben Sie Mode studiert. Ihre Arbeit als Model für Lancôme war legendär, Ihr Rauswurf mit 42 auch. Später hat Sie die Firma zurück engagiert. Hat sich die Altersdiskriminierung vor allem Frauen gegenüber verändert?
Viele der Führungskräfte von Lancôme sind heutzutage Frauen. Als ich in jungen Jahren dort gearbeitet habe, waren alles Männer. Ich bin überzeugt, dass Männer nur Make-up verstanden, das der Verführung dient. Aber als die Frauen die Chefetage übernahmen, wurde alles viel inklusiver, denn Frauen benutzen Make-up nicht nur, um einen Mann zu bezirzen. Wir benutzen es, weil wir es mögen. Für mich ist Schminken dasselbe, wie mein Haus zu dekorieren oder einen schönen Tisch zu decken, um meine Gäste zum Abendessen zu empfangen. Es hat etwas Wunderbares, Dinge zu verschönern. Und das gilt für jeden und für jedes Alter. Aber der Anstoß dazu kam von den Frauen und den weiblichen Führungskräften.
Derzeit kann man Sie in dem italienischen Film „La Chimera“ von Alice Rohrwacher im Kino sehen. War es etwas Besonderes, in Ihrem Heimatland Italien zu arbeiten?
Oh ja, ich liebe die Filme von Alice. Ich finde, sie ist unglaublich talentiert und hat ihre eigene Stimme. Und doch spürt man in dem Film die Bezüge zum Werk meines Vaters, zu Federico Fellini oder Pier Paolo Pasolini. Sie trägt die Geschichte des italienischen Kinos in sich.
Hat sich Ihrer Ansicht nach innerhalb der männlich dominierten Filmbranche etwas verändert?
Ja, unter den beliebtesten Filmen dieses Jahres gibt es so viele Filme von Regisseurinnen. Es ist wie eine Explosion, einfach fantastisch. Ob „Barbie“ oder „Anatomie eines Falls“ oder „Priscilla“ – es laufen gerade unglaublich viele erfolgreiche Filme von Frauen im Kino.
Zu Ihren einprägsamsten Rollen gehört „Blue Velvet“ von David Lynch. Was haben Sie daran für Erinnerungen?
Ich bin sehr froh, dass ich darin mitspielen durfte. Gerade eben habe ich David Lynch einen Geburtstagsgruß geschickt (der Regisseur, mit dem Rossellini eine längere Beziehung führte, wurde am 20. Jänner 78 Jahre alt, Anm.) Ich glaube, „Blue Velvet“ war das erste Porträt einer misshandelten Frau im Kino – oder zumindest das erste erfolgreiche Porträt einer misshandelten Frau.
Demnächst kommt „Spaceman“ mit Adam Sandler als tschechischem Astronauten ins Kino. Was spielen Sie darin für eine Rolle?
Eine kleine (lacht). Ich spiele meistens kleine Rollen. Das passiert, wenn man eine alte Schauspielerin ist. Aber ich bin froh, zu einem Zeitpunkt geboren zu sein, in dem es Frauen erlaubt ist, ihr eigenes Leben zu gestalten. Wenn ich zu alt bin, um zu modeln, kann ich schauspielern, und wenn ich zu alt bin, um zu schauspielern, kann ich an die Uni gehen und studieren und Regisseurin werden. Ich liebe all diese Möglichkeit. Das war für Frauen früher anders.
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