Interview mit Caroline Peters zu "Der Nachname“: "Heute ist man viel spießiger"
Die deutsche Schauspielerin Caroline Peters ist beinahe schon eine echte Wienerin. Sie lebt in der Stadt, betreibt hier ein Postkartengeschäft und ist Ensemblemitglied am Burgtheater. Und sie ist eine hervorragende Komödiantin. Ihr komische Talent beweist sie gerade in der Komödie „Der Nachname“ (derzeit im Kino), der Fortsetzung von Sönke Wortmanns Hitkomödie „Der Vorname“: Caroline Peters spielt darin eine frustrierte Ehefrau namens Elisabeth, die mit ihrem Mann (Christoph Maria Herbst) und ihrem Bruder (Florian David Fitz) Urlaub in einem Ferienhaus auf Lanzarote macht. Eingeladen wurden die Geschwister von ihrer Mutter (Iris Berben), die in einer Beziehung mit ihrem Stiefsohn lebt – und so einige unangenehme Familiengeheimnisse enthüllt.
KURIER: „Der Nachname“ wurde mitten in der Pandemie im März 2021 gedreht. Können Sie sich überhaupt noch daran erinnern?
Caroline Peters: Ja, sicher, es ist ja erst eineinhalb Jahre her. Und der Dreh war besonders schön. Es war ein großes Glück, dass wir auf der Insel Lanzarote sein konnten, während Zuhause alles im finstersten Pandemie-Tal versank und wir auf der Insel bei ewigen 20-Grad-plus waren. Das war ein ungeheures Privileg und hat wahnsinnig gut getan. Die Atmosphäre war auch am Set entspannt und vertraut. Der Dreh war die Fortsetzung vom Film „Der Vorname“. Beim ersten Film kannten wir uns alle gar nicht. Aber beim zweiten Mal hatte es etwas von einem Familientreffen. Das hat großen Spaß gemacht.
„Der Nachname“ handelt davon, dass eine Mutter eine Beziehung mit ihrem Adoptivsohn begonnen hat und dadurch den Rest der Familie – darunter auch Sie in der Rolle der Tochter und Schwester – in Unruhe versetzt. Was war Ihr erster Gedanke beim Lesen?
Ich fand das super. Ich finde auch die Figur von Iris Berben, die die Mutter spielt, toll. Was für eine coole Idee: Dass man einerseits den mittleren Bereich von Deutschland abbildet; und ihn andererseits mit der Figur von Iris Berben konfrontiert, die ein Hippie ist. Sie lässt sich kaum noch in der Jetztzeit denken, denn heute ist man viel spießiger als damals. Und ich dachte: Alle Familien haben Lügen. Und dauernd macht jemand etwas, wo man sich denkt: Was?!? Und dann muss man es integrieren und irgendwie damit klarkommen. Das hat viel komisches Pozential.
Das Verhältnis Stiefmutter und Sohn erinnert ein bisschen an den Skandal um Woody Allen, der ein Verhältnis mit seiner Stieftochter begann. Nur mit umgekehrten Geschlechterrollen.
Bei Woody Allen ist es etwas anderes, weil schon im Vorfeld im Raum stand, dass er seine leibliche Tochter missbraucht habe. Dadurch hat die Geschichte einen völlig anderen Touch bekommen. Hier aber geht es darum, dass sich die beiden verlieben. Mir gefällt hauptsächlich, dass eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann zusammen kommt, was einfach nicht gern gezeigt oder gern gesehen wird. Das fand ich sehr cool. Missbrauch kommt da natürlich nicht vor. Der Mann ist in seinen 50ern, das ist schon etwas anderes.
Trotzdem schwebt über der Liebesbeziehung zwischen Mutter und „Sohn“, auch wenn sie nicht wirklich verwandt sind, ein Gefühl von Inzest.
Da muss man schon vielleicht schlucken. Die Geschwister müssen nicht nur schlucken, weil sie eine spießigere Generation sind, sondern weil man Liebesgeschichten besser aus einer Familie draußen lässt. Das Überschreiten dieser Schwelle ist schon für alle eine Herausforderung.
Überhaupt werden recht krasse Familiengeheimnisse aufgedeckt, für die „normale“ Leute jahrelang in Therapie gehen müssten.
Deswegen ist es ja auch eine Komödie (lacht). Man denkt sich: Wie krass! Wie seid ihr denn drauf? Aber weil es eine Komödie ist, haut man solche Dinge auf den Tisch und übertreibt ein bisschen, um die Komik zu verstärken – dann machen alle weiter. Was ich sowohl aus der Komödie, als auch in der echten Familie kenne: Es passieren irre Sachen, aber alle machen einfach weiter.
Kann man in jeder Situation Humor finden?
Ich finde, Humor ist eine gute Methode, krasse Situationen zu zeigen, ohne dass sie in dem Moment weh tun müssen. Stattdessen schafft man es, eine Perspektive zu gewinnen und unangenehme oder komische Gefühle zu erlauben, weil in der Komödie ja für jedes komische Gefühl Platz ist und komisches Potenzial hat. Man kann immer etwas daraus machen, wenn man sich unangenehm berührt fühlt. Insgesamt finde ich die Komödie ein super Vehikel, um sich gegenseitig schwierige Situationen zu erzählen und zu erklären. Durch das Lachen hat man die Möglichkeit, auf eine Sache zu blicken, ohne gleich geschockt oder berührt zu sein. Man muss nicht sofort auf der einen oder anderen Seite stehen. Man lacht aus vielen Gründen – aus Überraschung, aus Schock, aus Spaß – und die helfen einem dann auch, eine Perspektive zu gewinnen.
Komödie gilt ja als schwieriges Handwerk, was Timing, und Rhythmus betrifft. Aber bei Ihnen hat man das Gefühl, Sie sind die geborene Komödiantin. Stimmt das?
Ich liebe es sehr! Und ich nehme es auch sehr ernst. Das Handwerk ist schwer, und es ist auch eine musikalische Sache. Es hat viel mit den Ohren zu tun: Wie man etwas hört und wie man wann welches Wort wo platziert, damit es einen Lacher provozieren kann und auch funktioniert... Mir macht das besonders viel Spaß, mich in diesem Bereich aufzuhalten. Ich halte auch die meisten Komiker, die ich kenne, für ganz außergewöhnlich intelligente Leute. Das sind Menschen, die besonders viel mitbekommen, besonders viel lesen und mit dem Leben manchmal Schwierigkeiten haben. Das finde ich sehr sympathisch, weil nicht immer alles so glatt läuft. In dieser Welt fühle ich mich sehr wohl.
Spielen Sie insgesamt mehr Komödien?
Das hält sich sehr die Waage. Vor allem im Theater habe ich nur ganz selten Komödien gespielt. Auch im Fernsehen eigentlich nicht so viel. Da gab es die Serie „Mord mit Aussicht“: Die war eine Komödie und überstrahlt alles, denn Serien werden wiederholt, und dadurch hat sie das Publikum im Kopf. Die anderen Sachen sind dann immer weg. Aber das macht mir nichts aus. Ich werde nicht müde zu behaupten, dass Komödie eine schwierige, anspruchsvolle, interessante Sache ist. In Österreich wird das auch mehr gewürdigt als in Deutschland. In Deutschland herrscht die generelle Einstellung, dass Komödie keinen Inhalt hat und nur Klamauk ist. Das halte ich für einen total falschen Ansatz.
Nach der humoristischen Krimiserie „Mord mit Aussicht“ spielen Sie jetzt eine neue Kommissarin namens Irene Gaup in der Reihe „Kolleginnen“.
Das ist tatsächlich sehr ernst. Da ist gar nichts komisch daran. Die Kommissarin beginnt an ihrem persönlichen Tiefpunkt und baut sich langsam ein neues Leben auf. Diese Rolle ist recht schön zu gestalten. Aber es ist ein richtiger Psychothriller (zu sehen am 29. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF).
Woher kommt diese allgemeine kulturelle Faszination mit Krimis?
Es herrscht eine absolute Krimi-Obsession. Im Buchhandel ist es genauso. Unter den zehn Bestsellern sind immer zwei Krimis dabei. Ich weiß auch nicht genau, woran das liegt. Aber man kommt in seiner Schauspielkarriere einfach nicht daran vorbei: Früher oder später muss man ermitteln. (lacht) Es sei denn, man bleibt stur am Theater. Dann wird einem das nicht passieren.
Stimmt es, dass das Wiener Publikum ein spezielles Verhältnis zum Theater hat?
Bislang fand ich das schon. Aber durch die Pandemie ist alles aufgewirbelt – sowohl in Berlin, als auch in Wien ist jetzt alles anders. Man kann schwer vorhersagen, wann Zuschauer kommen, wann nicht, und was die Bedürfnisse des Publikums sind. Bisher habe ich das schon so empfunden, dass es in Wien ein sehr gutes Verhältnis zu den Live-Angeboten gibt, egal ob es das Theater, Konzert oder die Oper ist. Überall war immer alles voll. In Berlin ist das anders. Da müssen alle sehr um das Publikum kämpfen, während es hier dazu gehört hat: Man geht abends aus und schaut sich etwas an, mehrfach im Monat. Ich habe die große Sorge, dass das hier jetzt auch ein bisschen kippt – durch Geldsorgen, Immobiliensorgen, Pandemieängste. Alles ist im Umbruch. Ich hoffe, dass die starke Kultur vom Live-Erlebnis zurück kommt. Das war hier wirklich etwas ganz besonderes. Und ich finde nach wie vor: Es geht nichts über ein Live-Erlebnis.
Sie leben in Wien. Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Sie als Deutsche in Österreich mit Vorurteilen konfrontiert werden?
Ich habe diese Erfahrung früher oft gemacht, aber ich finde, jetzt ist es vorbei. In meinem Empfinden hat sich das in den letzten sieben, acht Jahren total gewandelt. Ich habe 2004 hier angefangen zu arbeiten und mindestens einmal am Tag unter die Nase gerieben bekommen, dass ich ja bloß „a Deitsche“ bin. Das hat mich richtig frustriert. Das ist jetzt überhaupt nicht mehr so.
Sie betreiben mit Ihrem Lebenspartner Frank Dehner ein Postkartengeschäft, was doch recht ungewöhnlich ist. Gibt es dafür eine große Nachfrage?
Die Nachfrage ist durchgehend gewachsen. Ich habe das Gefühl, dass gerade die Digitalisierung und Isolierung, die durch die Pandemie in die Familien und Haushalte eingezogen ist, dem Geschäft noch einmal einen Schub gegeben hat. Die Leute finden es toll, dass es etwas Analoges gibt oder eine Handschrift, die ja etwas ganz Seltenes geworden ist. Wir machen moderne Fotografie. Alles, was man im Smartphone an tollen Fotografien sehen kann, haben wir ins Analoge übersetzt. Das ist ein Konzept, das gut funktioniert. Es sind keine Ansichtskarten, sondern Fotografien, wie wir sie aus dem Netz kennen – aber gedruckt und haltbarer. Es kommt im Moment wirklich gut an. Junge Leute finden es auch ganz toll, dass so eine Karte, die man verschickt, tagelang unterwegs ist und nicht, wie bei einer digitalen Nachricht, sofort wo ankommt. Richtig digitalen Menschen, die das so gar nicht mehr kennen, macht das totalen Spaß. Das ist sehr interessant für uns.
Wird es nach „Der Nachname“ weitere Namenskomödien geben?
Wir machen immer Witze, dass es endlos so weitergehen könnte: „Der Codename“ – das ist dann ein Thriller. „Der Kosename“ – das ist ein Softporno; dann gibts noch „Der Doppelname“ – das ist ein Scheidungsdrama. Das ließe sich endlos fortsetzen (lacht). Mal schauen.
Theater
Caroline Peters spielt derzeit mehrere Stücke am Burgtheater in Wien sowie an der Schaubühne Berlin. Bei den Salzburger Festspielen spielte sie 2020 die Buhlschaft. Sie lebt in Wien
Fernsehen
Große Bekanntheit erlange Peters mit der Krimiserie „Mord mit Aussicht“. In der neuen Folge ihrer Krimireihe „Kolleginnen“ ist sie als Kommissarin im ZDF am 29. 10. u sehen
Film
Peters spielte u. a. in den Komödien „Der Vorname“, „Womit haben wir das verdient?“ und derzeit in der Komödienfortsetzung „Der Nachname“
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