Interview mit Barbara Sukowa: Im Alter diplomatisch
Barbara Sukowa ist heuer siebzig geworden, trägt wallendes langes Haar und sieht umwerfend aus – sowohl aus der Ferne, wie auch aus der Nähe. Schönheit hält die deutsche Star-Schauspielerin und Sängerin allerdings für eine innere Qualität: „Ja“, sagt sie, und lacht: „Vielleicht sehe ich auch nur gut aus, weil ich mich gut fühle.“
Wir beide
Sukowa gehört jedenfalls nicht zu den Menschen, die ein Problem mit dem Alter haben. Im Gegenteil. Alte Menschen findet sie schön, sagt sie, und das glaubt man ihr auch: „Ein altes Gesicht ist etwas Herrliches, weil es so individuell ist.“
Ihren lässigen Umgang mit dem Älterwerden verdanke sie auch ihre Rolle in „Wir beide“, glaubt Sukowa: „Ich denke, Regisseur Filippo Meneghetti wollte Schauspielerinnen haben, die zu ihrem Alter stehen und damit kein Problem haben.“
Barbara Sukowa und die französische Bühnenkönigin Martine Chevallier, Ehrenmitglied der Comédie-Française, spielen im Filmdebüt von Meneghetti ein heimliches Liebespaar: „Wir beide“ (ab Freitag im Kino) erzählt von Nina und Mado, „zwei grauhaarigen Lesben“, wie Nina einmal wütend herausschreit, die im gleichen Haus wohnen. Ihr Verhältnis halten sie vor Mados erwachsenen Kindern geheim, wiewohl Mado ihrer Geliebten versprochen hat, mit der Wahrheit herauszurücken.
„Ich glaube, das Neue an dem Film ist, dass er eine lesbische Beziehung zwischen zwei älteren Frauen zeigt“, findet Sukowa und hofft auf ein stattliches Kinopublikum: „Einfach deswegen, damit die Produzenten nicht so viel Angst vor solchen Themen haben: Sex zwischen älteren Menschen, noch dazu zwei Frauen! Der Regisseur hat sechs Jahre gebraucht, um den Film zu finanzieren. “
Angst bestimmt auch das Leben von Mado, die sich nicht durchringen kann, ihren Kindern von ihren Plänen zu erzählen. Beide Frauen träumen davon, die französische Kleinstadt zu verlassen und nach Rom zu ziehen. Über den Aspekt des aufgeschobenen Lebens habe sie viel nachgedacht, meint Barbara Sukowa mit ihrer unverkennbaren, klaren Stimme: „Das ist wie in Tschechows ,Drei Schwestern‘, wo sie auch dauernd davon träumen, endlich ,Nach Moskau! Nach Moskau!’ zu gehen. Statt im Jetzt zu leben, wird immer wieder verschoben. Und dann kommt das Leben dazwischen, und dann ist es irgendwann zu spät.“
Sukowa selbst hat sich ihre Filme immer sorgfältig ausgesucht. Es gab tolle Rollenangebote – „aber ich mache halt nicht so viel“. Sie ist Mutter von drei Söhnen – der jüngste ist von ihrem jetzigen Mann, Multimedia-Künstler Robert Longo, mit dem sie seit 1992 in Brooklyn lebt: „Als ich nach Amerika ging, war eine Zeit lang tote Hose. Es hieß, ich hätte den Beruf aufgegeben und geheiratet.“
Kniff in den Hintern
Wenn Sukowa eine Rolle übernahm, hinterließ sie starken Eindruck. Rainer Werner Fassbinder engagierte sie für seinen TV-Mehrteiler „Berlin Alexanderplatz“ (1980), wo sie als Mieze reüssierte und dann gleich auch noch als Fassbinders „Lola“(1981) glänzte: „Fassbinder war toll. Der hat so schnell gedreht. Das hat mir sehr gelegen.“
Ihre Leibregisseurin aber wurde Margarethe von Trotta, der sie Paraderollen wie „Rosa Luxemburg“(1986) oder „Hannah Arendt“ (2012) verdankt: „Ich weiß noch, wie wir gemeinsam durch Rom gingen und uns dauernd in den Hintern gekniffen wurde, weil wir blond sind“, erinnert sich die Schauspielerin trocken.
Das geschah eindeutig vor #MeToo. Dabei war Sukowa für ihre Direktheit bekannt. In den 1970er Jahren bekam sie am Theater den Spitznamen „rote Barbara“ verpasst: „Ich habe den Leuten immer die Wahrheit gesagt. Heute bin ich diplomatischer.“
Auch in Amerika findet Barbara Sukowa immer wieder Arbeit, obwohl ihr der deutsche Akzent im Weg steht. Die Rollenangebote beschränken sich zumeist auf „Nazis und KGB-Offiziere“: „In Deutschland spiele ich Juden, in Amerika Nazis, das ist wirklich verrückt.“ Tatsächlich habe sie erst einmal eine Nazi gespielt, räumt sie dann ein, und zwar in der TV–Serie „Hunters“ von Amazon.
Apropos Serien: Serien sind gut und schön, sagt Barbara Sukowa: „Man kann in Serien einen Charakter ganz anders entwickeln, das stimmt schon. Aber ich finde es schade, wenn es auf Kosten des Kinos geht. Kino ist einfach etwas anderes.“
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