Geboren 1970 in Wien, stellt Barbara Albert – übrigens auch Drehbuchautorin und Produzentin – in ihren Filmen durchgehend junge Mädchen und Frauen in den Mittelpunkt. Sie entwarf zeitgenössische, autobiografisch grundierte Generationenporträts wie „Böse Zellen“, „Fallen“ oder „Die Lebenden“; mit der Romanverfilmung „Licht“ tauchte sie in die Geschichte einer blinden Pianistin aus dem 18. Jahrhundert ein. Dann folgte ein Ausflug ins Streaming-Fach mit den Krimi-Serien „Funeral for a Dog“ und „Schnee“.
Doch jetzt ist Barbara Albert ins Kino zurückgekehrt.
Liebesbrief
Ihr neues, fiebrig erzähltes Historiendrama „Die Mittagsfrau“ (ab Mittwoch im Kino) basiert auf dem Romanbestseller von Julia Franck. Im Mittelpunkt steht die junge, talentierte Helene Würsich, die im Berlin der 1920er-Jahre Medizin studieren will. Mit Beginn des Hitler-Regimes muss sie ihre jüdische Herkunft verleugnen und nimmt eine falsche Identität an. Sie heiratet einen Nazi, wird Mutter eines Sohnes und arbeitet während der Kriegsjahre als Krankenschwester.
„Die Mittagsfrau“ erhielt 2007 den deutschen Buchpreis, verkaufte sich weltweit über eine Million Mal und machte die Autorin schlagartig berühmt. Seitdem sind 15 Jahre vergangen.
„Ich glaube, nicht einmal Julia Franck hat damit gerechnet, dass ihr Roman doch noch verfilmt wird“, erzählt Barbara Albert im KURIER-Gespräch. Sie selbst wurde von einer Kollegin, der Drehbuchautorin Meike Hauck auf den Stoff aufmerksam gemacht „und war sofort begeistert, weil der Roman so visuell geschrieben ist. Außerdem beinhaltet er viele Themen, an die ich andocken konnte: Der weibliche Körper, Mutterschaft, das Aufgeben der Identität – und schließlich die Selbstermächtigung.“
Albert schrieb an Franck „quasi einen Liebesbrief“ mit dem dringlichen Wunsch, ihren Roman verfilmen zu dürfen– und erhielt die Zusage der Autorin. Der Weg der Finanzierung des acht Millionen Euro schweren Projekts erwies sich als steinig, ehe es schließlich zu einer Dreiländer-Koproduktion zwischen Deutschland, der Schweiz und Luxemburg kam.
Sexuelle Freiheiten
Die Weimarer Zeit und die „Wilden Zwanzigerjahre“ haben spätestens seit der Serie „Babylon Berlin“ Hochkonjunktur. Auch in „Die Mittagsfrau“ nehmen sie einen prominenten Platz ein. Aufgeregt übersiedelt die junge Helene – formidabel verkörpert von Mala Emde („Und morgen die ganze Welt“) – mit ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) nach Berlin, wo ihre Tante einen Salon führt und verruchte Partys schmeißt.
Sie habe sich auch deswegen auf die Weimarer Jahre und ihre sexuellen Freiheiten gestürzt, weil sie Parallelen zu unserer Gegenwart sehe, sagt Albert: „Auch wir leben scheinbar in einer sehr freien Zeit. Die Geschlechter lösen sich auf, Homosexualität ist möglich, Abtreibungen sind erlaubt. Aber dann merken wir bei jeder Wahl, dass es anscheinend eine Sehnsucht der Menschen nach dem Konservativen gibt und nach etwas, das Sicherheit bringt. Aber eben auch einen Rechtsruck. Das finde ich beängstigend und erschütternd. Umso mehr, wenn man weiß, was schon einmal geschehen ist.“
Hausfrau und Mutter
In enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Kameramann Filip Zumbrunn bemühte sich Albert um größtmögliche Nähe zu ihrer Protagonistin, „um spürbar zu machen, wie sich Helene fühlt“.
Die Bilder aus der Kindheit sind „sprunghaft und assoziativ“ und werden während Helenes Jugend „weiter, weil die Welt sich öffnet“ – besonders während einer Liebesgeschichte mit ihrem jüdischen Freund Carl (romantisch: Thomas Prenn). Mit dem Eintritt in die unglückliche Ehe mit Wilhelm (Max von der Groeben aus „Fack ju Göhte“) verengt sich Helenes Leben auf das einer deutschen Hausfrau und Mutter – und auch das Filmbild zieht sich schmerzhaft in seinem Format zusammen.
Zudem verzichtet Albert auf typische Dritte-Reich-Ikonografie wie Nazi-Aufmärsche und Hakenkreuzfahnen. Stattdessen erzählt sie aus der Perspektive der Innenräume und des Privatlebens: „Auch wir wissen heute, wie viel schreckliche Dinge rund um uns passieren. Aber wir nehmen trotzdem vieles hin, weil wir mit unserem eigenen Leben so beschäftigt sind.“
Nachfolgerin von Haneke
Demnächst tritt Barbara Albert, die in Berlin und Wien wohnhaft ist, als Nachfolgerin von Michael Haneke die Regieprofessur an der Wiener Filmakademie an. Auf diese Aufgabe freut sie sich schon sehr – und ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit den Studierenden, auf deren Stoffe sie schon höchst neugierig ist. Sie selbst hätte große Lust, wieder ein eigenes Drehbuch zu schreiben, aber: „Es ist sehr schwierig, eine gute Geschichte zu schreiben, denn die Welt verändert sich gerade irrsinnig schnell. Trotzdem würde wirklich gerne wieder einen Film drehen, der im Hier und Heute spielt.“
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