Interview zur Lesbenkomödie "What a Feeling": "Sexszenen sind nicht mein Ding“
Ausgerechnet an ihrem 20. Hochzeitstag wird die wohlsituierte Ärztin Marie Theres von ihrem Mann verlassen. Wutschnaubend stolpert sie betrunken in eine Lesbenbar – und in die Arme einer Tischlerin. Caroline Peters als verlassene Ehefrau und Proschat Madani als lesbische Tischlerin mit iranischen Wurzeln lassen in der romantischen Komödie „What a Feeling“ (derzeit im Kino) von Kat Rohrer die Funken sprühen.
KURIER: Frau Madani, Frau Peters, Sie kannten einander nicht und haben sich erst vor dem Dreh von „What a Feeling“ kennengelernt. Hat es gleich „gefunkt“?
Proschat Madani: Ja! Es ist natürlich absolut von Vorteil, wenn man sich beim Spielen sympathisch ist. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man seine Filmpartnerin oder seinen Filmpartner zum Beispiel nicht riechen kann. Ich glaube, das wäre richtig anstrengend.
Caroline Peters: Das wäre schrecklich. Aber wir haben uns im Vorfeld der Dreharbeiten getroffen und Tee getrunken und geraucht und geredet – über unser Leben und natürlich auch über den Film.
Frau Peters, die Regisseurin Kat Rohrer hat erzählt, dass sie bei der Rolle der Ärztin, die sich in eine Frau verliebt, gleich an Sie gedacht hat, weil Sie so eine tolle Komödiantin sind.
Peters: Das freut mich, dass sie das gesagt hat!
Sie lieben Komödie, nicht wahr?
Peters: Ja, Komödie liegt mir und ich mache es gerne. Und ich glaube auch sehr an Komödien. Ich mag Komödien nicht, die nur dazu das sind, damit es lustig ist und sich alles gut fühlen. Ich bin immer froh, wenn eine Komödie versucht, ein Thema zu bringen, das sonst vielleicht schwierig oder anstrengend wäre. Hier passt das gut. Es ist in unserer bürgerlichen Welt, in der wir leben, nicht so easy, sich im Alter von 50 in eine Tischlerin zu verlieben.
Madani: Vor allem in eine Tischlerin, die ein Casanova ist! (lacht)
Peters: Genau. Irgendwie passt das alles nicht zusammen und kommt bei anderen gleichaltrigen Ärzten auch nicht so gut. Deswegen finde ich es gut, dass das alles als Komödie erzählt wird.
Ihr erster komischer Auftritt findet statt, wenn Sie betrunken in eine Lesbenbar stolpern und zu dem Song „What a Feeling“ tanzen. Was war denn da die Regieanleitung? Möglichst peinlich tanzen?
Peters: Genau! (lacht) Die Idee war, möglichst schlecht und ohne Rhythmusgefühl zu tanzen und sich möglichst daneben zu benehmen. Damit sich die lesbische Community denkt: „Ahhh! Diese ätzenden Heteros, die können wir auf den Tod nicht ausstehen und die wollen wir hier nicht haben!“ Und weil meine Figur so wahnsinnig betrunken und frustriert ist, kriegt sie das alles nicht mit.
Tanzen Sie da einfach so drauf los oder hatten Sie ein Vorbild?
Peters: ich hatte ein Vorbild.
Und zwar?
Peters: Mein Vorbild war „Elaine“ aus der Serie „Seinfeld“. Da gibt es eine Folge, wo Elaine (Julia Louis-Dreyfuss, Anm.) bei einer Büro-Weihnachtsfeier einen absolut wahnsinnigen Tanz aufführt und sich daraufhin alle ein Jahr lang über sie lustig machen. Das fand ich sehr witzig und habe versucht, es nachzumachen. Ich habe mir einige Sachen zum Thema „schräg Tanzen“ angeschaut, und das war das Beste.
Frau Madani war eine Fixstarterin in „What a Feeling“, aber Sie mussten erst gewonnen werden. Waren Sie gleich Feuer und Flamme beim Lesen des Drehbuchs?
Peters: Ich musste mich schon zuerst einmal ein bisschen mit Kat Rohrer treffen und darüber reden. Ich fand das Buch ganz toll. Allerdings waren da auch Sexszenen hinein geschrieben, von denen ich mir von Anfang an sicher war, dass ich sie nicht spielen will – weder mit einem Mann, noch mit einer Frau. Die Regisseurin hat dann im Gespräch diese Szenen abgeschwächt. Ich fand, dass ich das im Vorhinein besprechen muss. Ich habe derartige Szenen noch nie gespielt und habe auch kein großes Verlangen danach.
Kein Verlangen danach, Sexszenen zu spielen?
Peters: Tatsächlich nein. Ich mag auch nicht gerne Sexszenen im Kino sehen. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich finde, da schauen Leute Schauspielern und Schauspielerinnen dabei zu, wie sie für Geld miteinander herummachen. Aber im Fall von „What a Feeling“ erzählen die intimen Szenen etwas. Da geht es nicht darum, dass man „viel“ sieht. Es geht um Intimität und Nähe und Verlieben.
Wie ist das für Sie, Frau Madani?
Madani: Ich kann mich dem nur anschließen. Ich bin auch keine große Freundin von Sexszenen im Film. Meistens langweile ich mich dabei. Ab und an gibt es gute Sexszenen, die die Geschichte transportieren oder die schräg sind – wie in einem guten Film von Pedro Almodóvar, zum Beispiel.
Peters: Ich fand damals den Film „Neuneinhalb Wochen“ mit Mickey Rourke und Kim Basinger ganz toll. Aber ich weiß nicht, ob er mir heute noch gefallen würde.
Gab es Intimitätskoordinatorin bei den erotischen Szenen?
Peters: Ja. Ich hätte sie in unserem Falle aus meiner Sicht nicht gebraucht, aber ich finde es gut, dass es sie gibt.
Madani: Stuntszenen und Sexszenen müssen natürlich choreografiert werden. Es ist ja nicht so, dass man einfach übereinander herfällt. Da kann es schon hilfreich sein, wenn eine Intimitätskoordinatorin hinter der Kamera steht und auf bestimmte Details achtet – beispielsweise, ob bestimmte Körperteile tatsächlich bedeckt bleiben oder nicht. Man selbst ist ja beim Spielen abgelenkt.
Sie spielen beide jeweils eine Frau, die in Wien „zugereist“ ist. Das korrespondiert auch mit Ihrem persönlichen Leben ...
Peters: Ich habe als Erwachsene entschieden, nach Wien zu ziehen. An Anfang denkt man als Deutsche, dass es nicht so ein großer Unterschied ist, weil man ja die gleich Sprache spricht. Aber es ist ein großer Unterschied. Und man ist ab dem Umzug immer die Andere. Die von woanders. Die aus Deutschland. In Deutschland bin ich einfach nur ich selbst.
Es heißt einmal im Film, Wien sei recht ausländerunfreundlich, gerne auch gegenüber den „Piefke“.
Peters: Vor zwanzig Jahren habe ich diese Voreingenommenheit extrem stark wahrgenommen und fand es auch sehr unangenehm. Historisch erklärbar aber oft eben ungenau und ungerecht im Alltag. Als Deutsche ist man das ja eh gewohnt, dass man nicht besonders beliebt ist, wenn man ins Ausland reist. Aber damit dann im Alltag zu leben ist was anderes. Aber diese Zeiten haben sich, finde ich, stark verändert – durch die EU und die offenen Grenzen. Wien kommt mir offener und internationaler vor als früher.
Madani: Für mich ist es ein bisschen anders, weil ich ja als Kind aus dem Iran hierher gekommen bin zu einer Zeit, als Wien noch eine sehr graue Stadt war. Es gab vor allem Jugoslawen, die wurden als „Tschuschen“ bezeichnet. Für uns Perser gab es nicht einmal ein Schimpfwort. Wir hatten weder eine Lobby, noch ein Schimpfwort, aber wir waren fremd. Ich habe diese Fremdenfeindlichkeit als Kind, vor allem als jemand, der die Sprache und die Gepflogenheiten noch nicht verstanden hat, stark empfunden. Wenn ich für diesen Film etwas aus meiner eigenen Biografie schöpfen kann, dann ist es dieses Gefühl, sich wo fremd zu fühlen. Das hat sich natürlich mittlerweile sehr verändert. Ich bin Schauspielerin, das ist für viele nach wie vor ein Traumberuf. Ich gehöre dadurch zu den privilegierten Ausländerinnen. Ich möchte nicht wissen, wie es den Flüchtlingen geht, die heute hier sind und nicht die Sprache sprechen. Die erleben sicher genug Fremdenfeindlichkeit. Aber wir leben in einer Zeit, wo man das immerhin öffentlich thematisieren kann. In meiner Kindheit hat man nie infrage gestellt, dass man etwas gegen Ausländer hat. Das war einfach selbstverständlich. Heute hingegen gibt es Anlaufstellen, Organisationen, die sich für Ausländer einsetzen. Eine sehr positive Änderung, wie ich finde.
„What a Feeling“ ist einer der ersten, wenn nicht die erste Mainstream-Komödie, in der lesbische Frauen im Mittelpunkt stehen. Auch kürzlich wurde auf der Diagonale der Diversitätsbericht vorgestellt, in dem es hieß, dass queere Menschen – vor allem lesbische Frauen – im österreichischen Film komplett unterrepräsentiert sind. Gibt es da Nachholbedarf?
Madani: Ich finde es interessant, dass bei den Vorführungen von „What a Feeling“ immer wieder die Frage gestellt wurde, ob diese Geschichte nicht 15 oder gar 20 Jahre zu spät kommt. Also gab es das in dieser Form offensichtlich noch nicht. Heute wird viel über Diversität gesprochen. Dieses Thema ist sehr in den Vordergrund und damit in unser Bewusstsein gedrungen. Und einiges ist tatsächlich besser geworden. Aber wenn ich dann vom Diversitätsreport höre, wird offensichtlich, dass es da noch sehr viel Luft nach oben gibt.
Peters: Ich denke, dass die Zeit jetzt gerade gekommen ist, wo man so eine Geschichte erzählen kann, ohne dass es ein Skandal ist. Sondern tatsächlich eine Geschichte über Liebe. Vor 15 oder 20 Jahren hätte man damit mehr Ärgernis erweckt. Wenn das das Ziel gewesen wäre, wäre man jetzt zu spät.
Wie haben Sie sich auf Ihre Rollen vorbereitet?
Madani: Eigentlich so wie auf jede andere Rolle. Die besondere Herausforderung hier war jedoch, dass ich rappen musste. Das war etwas sehr Neues für mich. Und um als nicht-queere Frau eine queere Frau zu spielen, war es mir natürlich auch wichtig, dass ich viele Gespräche mit queeren Menschen führe, wie etwa der Regisseurin Kat Rohrer. Da habe ich bemerkt, dass ich, obwohl ich sehr viele homosexuelle Menschen kenne, manche Dinge trotzdem missverstehe. Das war eine spannende Erfahrung und daraus konnte ich viel lernen.
Es wird, vor allem im angloamerikanischen Raum, immer wieder diskutiert, ob beispielsweise heterosexuelle Schauspieler queere Figuren spielen dürfen. War das bei Ihnen ein Thema?
Caroline Peters
Die deutsche Schauspielerin lebt in Wien und schafft den Spagat zwischen Film und Bühne perfekt. Im Kino spielte Peters in Filmen wie „Der Vorname“ und „Der Nachname“. Sie war viele Jahre im Burgtheater-Ensemble und kehrt nun zurück: „Ich habe das Burgtheater sehr vermisst.“
Proschat Madani
Die österreichische Schauspielerin, geboren im Iran, kam im Alter von zwei Jahren nach Wien. Filme und TV-Serien (u. a.): „Bad Fucking“, „Sie sagt. Er sagt“, „Vorstadtweiber“, „Morden im Norden “, „Walking on Sunshine“
Madani: Nein. Diese Diskussion stellt ja auch den ganzen Beruf des Schauspielers infrage. Die Definition dieses Berufes ist, dass man etwas spielt, was man nicht ist. Auch wenn eine lesbische Schauspielerin an meiner Stelle die Rolle der Fa gespielt hätte, hätte sie die Figur trotzdem gespielt.
Peters: Man will ja auch nicht nur für seine sexuelle Orientierung besetzt werden. Von keiner Seite. Daher ist die Diskussion wichtig. Es wurden sicher in der Vergangenheit oft Spieler und Spielerinnen wegen ihrer sexuellen Orientierung aussortiert und das ist ein Skandal, der jetzt umgeschrieben werden muss.
Madani: Ich wünsche mir eine Atmosphäre, wo es nicht um diese engmaschigen Definitionen geht. Das ist es ja, wo wir eigentlich hinwollen: Dass das irgendwann einmal kein Thema mehr ist. Eben auch, dass queere Menschen Heterosexuelle spielen.
Peters: Genau. Man möchte raus aus allen Schubladen.
Frau Peters, Sie kehren ans Burgtheater zurück? Die Wiener Fangemeinde ist hocherfreut!
Peters: Ich bin auch hocherfreut. Ich habe das Burgtheater sehr vermisst. Es war 18 Jahre lang ein großer Teil meines Lebens. Das musste ich verarbeiten, als es zu Ende war. Das hat lange gedauert und ist mir auch schwergefallen. Jetzt finde ich es schön, an demselben Haus noch einmal von vorne anfangen zu können. Jetzt kommt noch einmal etwas wirklich Neues.
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