Nikolaus Brandstätter spricht gegenüber dem KURIER von einer dramatischen Situation: „Die Insolvenz unserer österreichischen Auslieferung trifft uns hart. Unser gesamtes Weihnachtsgeschäft aus dem österreichischen Buchhandel ist noch offen. Wir gehen nach ersten Berechnungen von einem Gesamtschaden im hohen sechsstelligen Bereich aus. Wir entwickeln gerade auf Hochdruck Pläne, wie wir mit diesem Zahlungsausfall umgehen.“
Hinzu kommt, dass Bücher derzeit nicht ausgeliefert werden können: „Wir sind bemüht, die Lieferbarkeit auf dem österreichischen Markt so schnell wie möglich wieder sicherzustellen“, sagt Brandstätter. „Dazu sind wir mit dem Insolvenzverwalter und der Geschäftsführung der Medienlogistik in intensivem Austausch.“
Ähnlich sieht es Elisabeth Stein-Hölzl, die Chefin von Styria Books: „Uns entsteht durch die Insolvenz der Medienlogistik ein beträchtlicher finanzieller Schaden, der nicht leicht zu kompensieren sein wird." Es hätte schon in den letzten Monaten vor der Insolvenz eine "mangelhafte Serviceleistung der MELO" gegeben, die Entwicklung „in dieser Dimension“ sei jedoch nicht abzusehen gewesen: „Die Insolvenz hat uns kalt erwischt.“
Die Wellen würden, so Elisabeth Stein-Hölzl, voraussichtlich noch weiter reichen. „Da kann das eigene Buchprogramm noch so gut, die Presseresonanz noch so fulminant sein: Ohne reibungslos funktionierende Logistik wird der Buchhandel nicht versorgt, die Bücher landen nicht bei den Käuferinnen und Käufern. Eine Schieflage, die letztlich natürlich auch die Autorinnen und Autoren trifft, die dann über eine Abwanderung zu anderen Verlagen nachdenken. Eine fatale Kettenreaktion.“
Hilferuf an die Politik
Durch die Insolvenz zeichne sich, meint Nikolaus Brandstätter, „ein Erdbeben für die gesamte österreichische Verlags- und Buchhandelslandschaft mit noch nicht absehbaren Folgen ab.“ Die Verleger hätten daher das Gespräch mit der Politik, konkret mit Kulturminister Werner Kogler (Grüne), gesucht: „Denn durch eine nachhaltige wirtschaftliche Schwächung systemrelevanter Verlage droht auch im Sachbuch eine große Abwanderung österreichischer Erfolgsautorinnen und -autoren nach Deutschland – und damit eine Schwächung Österreichs als Verlagsstandort.“
Gerhard Ruiss, Sprecher der IG Autorinnen Autoren, pflichtet bei: "Der Fachverband Buch und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich, der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels sowie die Kultur-, Medien- und Wirtschaftsverantwortlichen der Bundesregierung sind dringend dazu aufgefordert, gemeinsam mit den betroffenen Verlagen umgehend Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, wie die Auswirkungen dieser Insolvenz schnellst- und bestmöglich abgefangen werden können."
Denn: "Die österreichische Verlage, die österreichischen Autorinnen und Autoren dürfen nicht ausgerechnet im Jahr ihrer seit Jahrzehnten größten Präsentation im deutschen Buchmarkt, beim Österreich-Schwerpunkt auf der Leipziger Buchmesse, ihren seit Jahrzehnten größten Einbruch erleiden." Und: "Sie dürfen nicht nach all den überstandenen Krisen jetzt in einer von ihr unverschuldet eingetretenen Notsituation hängen gelassen werden."
"Wir sind stolz darauf ..."
Die Medienlogistik Pichler-ÖBZ ging einst aus dem Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) hervor: Im Mai 1975 wurde die ÖBV Verlagsauslieferung an ihrem heutigen Firmensitz in Wiener Neudorf eröffnet, seit 1993 firmiert sie als selbständiges Unternehmen. 2006 kam es zum Zusammenschluss der in ÖBZ umbenannten Verlagsauslieferung mit dem Pichler Medienvertrieb. Im Sommer 2008 wurde die Medienlogistik im Zuge eines Management Buy Out von Franz Lintner erworben. Auf der Website ist zu lesen: „Wir sind stolz darauf, dass jedes zweite Schulbuch, jedes vierte Kinder- und Jugendbuch und jedes fünfte Sachbuch in Österreich von uns ausgeliefert wird.“
In der Verlagsszene herrscht Rätselraten, wie ein derart hoher Schuldenberg von über zehn Millionen Euro entstehen konnte.
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