"Inferno": Dantes Schnitzeljagd

Tom Hanks und Felicity Jones: "Inferno"
Tom Hanks und Felicity Jones beim Rätselraten in Ron Howards freudloser Dan-Brown-Verfilmung.

Tom Hanks hat sein Gedächtnis verloren. Weder weiß er, wo er ist, noch warum. Nicht einmal an das Wort "Kaffee" kann er sich erinnern. Und dass plötzlich Carabinieri in sein Zimmer stürmen und ihn erschießen wollen, hilft seinem Gedächtnis auch nicht auf die Sprünge.

Zum Glück wissen wir, die findigen Zuseher, dass wir uns inmitten des Dan-Brown-Filmfranchise befinden – und Tom Hanks wieder einmal Harvard-Professor Robert Langdon spielt, einen Spezialisten für Ikonologie und religiöse Symbole. Auf Browns verschwörungstheoretischen Spuren hat sich Langdon schon mehrfach auf Europareise begeben: Zuerst in dem Smash-Hit "Da Vinci Code", dann in dem schon weniger smashigen Prequel "Angels & Demons". Für "Inferno" – die Bildungsbürger unter uns ahnen es bereits – begibt er sich in die Fußstapfen von Dante Alighieri und dessen literarische Reise durch die Hölle.

Hollywood-Veteran Ron Howard, mittlerweile auf Dan-Brown-Verfilmungen abonniert, hat Regie geführt. Bestseller-buchstabengetreu, aber mit atemberaubender Handschriftenlosigkeit. In seinem Schlockbuster herrscht Routine, die Mühe hat, an ein Action-Durchschnittsniveau heranzureichen.

Die Fallhöhe ist jedenfalls horrend. Nichts weniger als das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel, nachdem ein irrer Milliardär einen tödlichen Virus in Umlauf bringen will. Um dies zu verhindern, absolviert Hanks im Dauerlauf eine Art Schnitzeljagd durch Florenz, zu der ihm Dantes "Inferno" die Hinweise liefert. An seiner Seite trabt Felicity Jones als Ärztin Sienna Brooks und klappert gemeinsam mit ihm verschiedene Rätselstationen bis nach Istanbul ab.

Dämonen-Vision

Langdons Gerdächtnisverlust wird manchmal durch dämonische Albträume aufgemischt. Wie apokalyptische Blitze ("Ich habe Visionen!") fahren sie ihm durchs Gehirn und enthüllen horrible Endzeitszenarien. Howard injiziert sie wie CGI-Horror-Trips in die Handlung und macht damit das Zusehen zunehmend anstrengend. Umso mehr, als die hastigen Bildschnitte und hektischen Szenenwechsel über eine generelle Tempolosigkeit nicht hinweg täuschen können. Gleichzeitig gibt es Info-Gequatsche ohne Ende, wohl auch, um das vorgebliche Bildungserlebnis ("20 Millionen Touristen pro Jahr besuchen Venedig") zu steigern.

Tom Hanks selbst wirkt durchgehend desolat – kein Wunder, bei der Rolle! – und wird von einem internationalen Cast sekundiert. Franzosen-Star Omar Sy als Vertreter der Weltgesundheitsorganisation macht gute Figur, Irrfan Khan als listiger Inder scheint sogar Spaß zu haben. Damit bleibt er allerdings alleine. Der Rest ist freudlos.

INFO: USA/JP/TR/HU 2016. 121 Min. Von Ron Howard. Mit Tom Hanks, Felicity Jones, Omar Sy.

KURIER-Wertung:

Die Leiche von Harry Potter ist alles, was man zum Überleben braucht. Sie furzt, spendet Trinkwasser, schlägt immer wieder die Augen auf, beginnt zu sprechen und zeigt mit deutlicher Erektion in der Hose gut sichtbar gewünschte Himmelsrichtungen an.

Kurzum, die Leiche liefert beste Gesellschaft, zumal für einen, der auf einer einsamen Insel gestrandet ist und sich gerade aufhängen wollte.

" Swiss Army Man", das bizarre Regiedebüt der Jungregisseure Daniel Kwan and Daniel Scheinert, (die sich gemeinsam Daniels nennen), stiftete auf dem Sundance-Filmfestival (wo es den Regie-Preis gewann) veritable Verwirrung. Was den einen unzumutbarer Infantil-Humor, war den anderen einzigartiger Kinoerfahrung. Und einzigartig ist "Swiss Army Man" gewiss – und sei es nur in seiner unvorhersehbaren Seltsamkeit. Daniel Radcliffe als furzende Leiche beweist großes Können mit Körperkomik – egal, ob er als Jet-Ski über das Meer schießt oder mit Leichenbittermiene und heraushängender Zunge zu sprechen versucht. Kongenial Paul Dano als gestrandeter Hank, der berührende Poesie in die groteske Insel-Brüderschaft bringt. Der Lebendige und der Untote – sie vertrauen sich ihre peinlichsten Geheimnis an, entdecken die Liebe zu einer Frau – und zueinander.

INFO: USA 2016. 97 Min. Von Daniels. Mit Paul Dano, Daniel Radcliffe, Mary Elizabeth Winstead.

KURIER-Wertung:

"Inferno": Dantes Schnitzeljagd
Daniel Radcliffe (li.) als furzende Leiche  und Paul Dano: "Swiss Army Man"

Humor auf Gürtellinie liefert das französischen Regie-Duett Benoît Delépine und Gustave Kervern ("Mammuth") mit ihrer teils witzigen, größtenteils aber brachialen französischen Roadmovie-Klamauk-Komödie. Vergleichbar mit Alexander Paynes Weinreise "Sideways" – allerdings nicht mit ironischer Klinge, sondern mit dem Holzhammer – treten Vater und Sohn, begleitet von einem Pariser Schnösel als ihrem Fahrer, eine Weinreise an. Gérard Depardieu spielt Altlandwirt Jean, an dessen Seite sich der belgische Komikspezialist Benoît Poelvoorde als dessen räudiger, trinksüchtiger Sohn Bruno gesellt. Beide sind Bauern, doch Bruno will das liebe Vieh verlassen und stattdessen in einem Baumarkt anheuern. Zuvor jedoch gilt es, den Höhepunkt des Jahres auf einer Indoor-Weinverkostung zu genießen und dort im Affentempo Alkohol hinter die Binde zu gießen. Ohnehin gehören die Stadien des Koma-Saufens zum Standardrepertoire des Witzniveaus. Und die andauernde Suche nach Sex, natürlich. Die fällt zumeist in größtmöglicher Armseligkeit aus.

Immerhin: Der unvergleichliche Michel Houellebecq hat einen bemerkenswerten Auftritt als Betreiber einer Frühstückspension.

INFO: F/BL 2016. 101 Min. Von Benoît Delépine, Gustave Kervern. Mit Gérard Depardieu, Benoît Poelvoorde.

KURIER-Wertung:

"Inferno": Dantes Schnitzeljagd
Zwei Bauern auf Weinreise: Gérard Depardieu (li.) und Benoît Poelvoorde

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