In Flausch und Bogen: Textilkünstlerin Sheila Hicks im MAK Wien
Das Museum zeigt eine sinnliche Werkschau der 86-jährigen Amerikanerin, die zuletzt mit Ehren überhäuft wurde
09.02.21, 05:00
Nein, der Entfall von großen, von langer Hand geplanten Ausstellungen ist nichts, worüber man sich freuen kann. Doch die große Josef-Hoffmann-Schau, die das MAK gern schon vergangenen Herbst in seine Ausstellungshalle gesetzt hätte, wird, so alles gut läuft, mit Verspätung heuer zu sehen sein.
Man darf sich aber doch auch freuen, dass in der majestätischen Halle eine Inszenierung gelungen ist, die überwältigt, überrascht und berührt: Die ursprünglich in kleinerem Format geplante Schau der US-amerikanischen Textilkünstlerin Sheila Hicks hat durch die Redimensionierung ins Große an Strahlkraft gewonnen und hat das Zeug dazu, sowohl Kunstfreaks als auch Menschen, die es sonst nicht so mit dem Zeitgenössischen haben, zu entzücken.
Die 86-jährige Hicks, aus dem US-amerikanischen Mittelwesten stammend und seit 1964 hauptsächlich in Paris ansässig, war zuletzt in zahlreichen repräsentativen Ausstellungen zugange, im Centre Pompidou etwa oder auf der Venedig-Biennale 2017, wo ein Berg bunter Wollballen das Ende der lang gezogenen Arsenal-Halle zu verstopfen schien, als hätte es einen Erdrutsch gegeben.
Schwebende Flächen
Einen solchen Ballenberg gibt es auch im MAK, nur ist er hier nicht in einen Tunnel gezwängt, sondern hat Platz zum Atmen – ebenso wie das große, an überdimensionale Dreadlocks erinnernde Hängeobjekt an der anderen Seite des zentralen MAK-Saals oder der wundersame Teppich aus sorgsam verwobenen Mais-Blättern mit dem poetischen Titel „Slow but Safe Passage“ (etwa: „Langsame, aber sichere Durchfahrt“), der dank der präzise gesetzten Lichter tatsächlich zu fliegen scheint.
Aufwändige Großformate dieser Art konnte Hicks nicht zu jeder Zeit ihrer mehr als 60-jährigen Karriere realisieren. Dennoch ist die landläufige Erzählung einer spät blühenden Künstlerlaufbahn nicht richtig – denn Hicks war, seit sie 1957/’58 als Malerin erstmals nach Chile reiste und von dort als Textilkünstlerin zurückkam, in verschiedensten Kontexten sehr erfolgreich.
Verwebt, verdichtet
Auch bei zunehmend ambitionierten Maßstäben ihrer Projekte entsagte Hicks dem Kleinformat nie: Das Rückgrat der MAK-Schau sind kleine Teppiche, oft mit eingewobenen Steinen oder anderen Materialien, in denen die Künstlerin ihr Vokabular erforschte und entwickelte – die Bedeutsamkeit von Naturdingen ist hier buchstäblich mit formalen Überlegungen der Moderne verwoben.
Kunsthistorisch Versierte werden in Hicks’ Arbeiten Resonanzen von Malereidiskursen US-amerikanischer Prägung erkennen – manche bildhaften Arbeiten sind buchstäblich in der Wolle des Abstrakten Expressionismus, des Minimalismus oder auch der Avantgardeskulptur eines Naum Gabo gewaschen. Andere schließen wiederum mehr an die Anwendungen textiler Erzeugnisse an – wie etwa das Trio monumentaler Gebetsteppiche, die im Museum gegenüber von Walter Pichlers „Tor zum Garten“ gehängt wurden und das Motiv eines Übergangs – von Innen zum Außen? Von der realen in die spirituelle Welt? – nahe legen.
Die Stimmigkeit, mit der sich Motiv und Material bei Hicks einander die Hand reichen, überträgt sich, die Schau ist anregend und beruhigend zugleich. Nur das durchaus nahe liegende Bedürfnis, selbst Hand anzulegen und die flauschigen Objekte auch zu berühren und zu erspüren, sollte wohl besser unterbleiben.
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