In einem Land, das Selbstmord begeht
Es ist, als habe man sich an einem Glas Wasser verschluckt, und jetzt ist das Problem: Was wird man da „nachtrinken“?
Wasser?
Ein Diktator wurde verjagt, und statt endlich frei zu atmen, droht man schon wieder zu ersticken: an Islamisten, Terroristen, Extremisten – nicht zu vergessen die Attentäter-Gruppe mit dem Namen Fünfte Kolonne.
Beim Lesen von Nuruddin Farahs Roman über seine selbstmörderische Heimat Somalia brummt man ständig: Nein, keine Woche würde man in Mogadischu überleben.
Die Leute, die noch sauberes Geld haben, wagen ja nicht einmal, ihre faule Putzfrau hinauszuschmeißen. Weil anzunehmen ist, dass sie sofort ein paar Jugendliche auftreibt, die für einen läppischen Betrag bereit sind, die Gewehre zu holen.
Nuruddin Farah lebt seit 25 Jahren im Exil. Nach „Links“ und „Netze“ ist „Gekapert“ der letzte Teil eines Romanzyklus über das Land, in dem er 1945 geboren wurde. Der schockierendste.
In „Netze“ hatte er noch ein überraschendes Happy End eingebaut – wohl im Wunsch, dass aus einem Stein Blumen wachsen können.
Darauf verzichtet er nun, wenn er seine „alten“ Figuren zusammenführt.
Hindernis
„Gekapert“ liest sich wie eine Reportage. Wobei man an manchen Stellen das Gefühl hat, der Autor will Leser fernhalten, die schnell, schnell etwas erfahren wollen.
Das klingt dann so:
Es sind aber nur wenige derartige Hindernisse. Die Geschichte ist recht simpel:
Drei Exil-Somalier aus Amerika reisen 2006 ins Land. Der kluge, alte Jebleeh war zuletzt hier, als noch viele „Kriegsfürsten“ regierten und Sklaven hielten.
Jetzt tragen Männer in weißen Mänteln Bart und Peitsche: Schergen von der Al-Shabaab. Die USA haben die Bewegung als terroristisch eingestuft – was diese laut begrüßte: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“
Jebleeh begleitet seinen Schwiegersohn, der Kriegsberichterstatter ist. Dessen Bruder sucht inzwischen bei den Piraten an der Küste seinen Stiefsohn – er wurde in Minneapolis gekapert und soll zum Selbstmordattentäter ausgebildet werden.
Man muss Nuruddin Farah dankbar sein für die vielen Informationen, auch wenn sie mitunter widersprüchlich sind wie Somalia.
Er liebt das Land. Er weint ums Land.
Dass er in einem Interview gemeint hat, Somalia stecke noch in der postkolonialen Pubertät – leider kann man es nicht glauben. Die lehnen internationale Hilfe ab und lassen lieber 100.000 Kinder verhungern!
KURIER-Wertung: **** von *****
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