In Amerika lacht man: Hock hock

Miami ist schrill und niest und lacht: Jede Seite war 10.000 Dollar Vorschuss wert.

Da diskutiert man in Zeitungsredaktionen, dass es vielleicht nicht gut ist, wenn man einzelne Wörter kursiv hervorhebt – denn es ist halt nicht elegant: man sollte doch gefälligst so schreiben, dass es ohnehin klar ist, wo die Betonung liegt –

– und dann kommt der große Journalist, der größte Aufputscher unter den Schriftstellern, Tom Wolfe und lässt nicht nur manch ein Wort kursiv setzen, sondern betont es noch zusätzlich, zum Beispiel so:
häääässs-liiich
Dafür hat er sieben Millionen Dollar bekommen.

Das Geld

Im Ernst: Für seinen vierten Roman „Back to Blood“ wechselte Tom Wolfe nach 40 Jahren vom Verlag Farrar, Straus & Giroux zu Little, Brown and Co und kassierte dafür sieben Millionen Vorschuss.
Jede Seite – es sind mehr als 700 – kostete demnach 10.000 Dollar.
Also ist es nicht ganz so schlimm, wenn man die guten Buchkritiken in den USA an einem Finger abzählen kann.

Hock hock hock ahhhHHH Hock Hock (So klingt es, wenn im Buch ein Psychiater lacht.)

Es ist ein zum Großteil komischer Roman über Miami.
Tom Wolfe – der im März 82 wird und nach wie vor vanillefarbene Anzüge trägt, um zu signalisieren, dass er nicht zu den Angepassten gehört – kommentiert die Zustände in einer Stadt, in der die „echten“, die englischsprachigen Amerikaner zur Minderheit geworden sind.

Ein schriller Roman.
Das muss man wirklich nicht mögen. Doch wird man schleim schleim schleim anerkennen müssen: Es bringt Leben in die Bude.

Miami pulsiert und bebt.
Ist ein Polizeiboot unterwegs, macht das Wasser KLATSCH, es zerhackt die Sätze, KLATSCH.

Und wehe, es niest jemand! Das geht nämlich SCHIIIahHHHHahHHHHSSCHIIII!
Ganz nebenbei erfährt man, dass Affen, sofern sie als Haustiere gehalten werden, immer nach oben klettern, um von dort den Männern (es sind immer nur die Männer betroffen) auf den Kopf zu pinkeln.

Da kann man noch so lieb sein zu ihnen.
Sie pinkeln den Männern solange auf den Kopf, bis man sie in die Klomuschel steckt und ihnen auf den Kopf pinkelt. Dann erst kapieren sie, wer der wirkliche Boss im Haushalt ist, und erst dann sind auch sie lieb und anschmiegsam.

(Genau so – steht geschrieben – müsse man es machen, wenn man es mit Leuten vom Fernsehen zu tun bekommt.)

Wenn Tom Wolfe gut ist, dann ist er sehr gut.
Ein bisschen Handlung jetzt: Der junge Officer Nestor Camacho hat kubanische Wurzeln, und ausgerechnet er muss einen geflüchteten Kubaner vom 20 Meter hohen Mast einer Luxusyacht holen, auf dem er sich verzweifelt festhält.

Denn Schlepper haben den Mann nahe der Küste einfach ins Wasser geworfen.
Und in Miami bekommt nur derjenige Asyl, der festen Boden erreicht hat.
Die anderen werden zu Castro zurückgeschickt.

Das Blut

Die „americanos“ feiern die Heldentat des Polizisten.
Die große kubanische Gemeinde verstößt ihn.
Zitat: „Alle Menschen, alle Menschen überall, haben nur noch einen Gedanken – Zurück zum Blut. Alle Menschen, überall, haben keine andere Wahl als – Zurück zum Blut!“ Zitat Ende.
Und die Freundin von Nestor Camacho, die schöne Magdalena, die ist jetzt viel lieber mit dem (Hock hock-lachenden) Psychiater unterwegs, der übrigens auf Pornosüchtige spezialisiert ist und deshalb so lustig ist.

In Amerika lacht man: Hock hock
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Mit ihm schauen wir in der Kunstszene. Da beißt Tom Wolfe ordentlich zu.
Man lernt einen Oligarchen kennen, von dem die Stadt wertvollste Gemälde geschenkt bekommen hatte (Chagall, Kandinsky) und dafür extra ein großes Museum bauen ließ.
Was, wenn sich nun herausstellt, dass diese Gemälde Fälschungen sind?
Wäre peinlich. Der Bürgermeister könnte sofort zusammenpacken.
Ein „Miami Herald“-Reporter macht sich mit seinen Recherchen beim seinem Chefredakteur nicht gerade beliebt.
Denn Eward T. Topping IV. hat vor allem seinen grasgrünen Mitsubishi Green Elf Hybrid im Kopf.
Und wünscht sich eine ruhige Zukunft – mit einem Ferrari 403. 500 PS. 275.000 Dollar Listenpreis.
Nein, fad wird einem nicht bei „Back to Blood“. Und jetzt die beste Nachricht:
Wenn der erfolgreiche Geschäftsmann Maurice F. im Büro täglich 18-mal masturbiert, dann gibt es keine einzige Lautmalerei.

KURIER-Wertung: **** von*****

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