Was Handwerk und Technik betrifft, braucht sich Berger vor Hollywood nicht zu verstecken. Effektvoll und technisch versiert, inszeniert er seine Tableaus des Kriegsgrauens: Verdreckte Soldaten robben durch verschlammte Schützengräben, werfen sich als Kanonenfutter in sinnlose Gefechte und verrecken dann elendiglich an der französischen Westfront. Helden gibt es keine, nur durch den Krieg völlig entmenschte Verlierer.
Im Mittelpunkt des hochpreisigen Dramas steht der 17-jährige Schüler Paul Bäumer, der sich gemeinsam mit seinen Schulkollegen begeistert an die Front meldet. Das vermeintliche Kurzabenteuer („In sechs Wochen stehen wir in Paris!“) entwickelt sich schnell zum kollektiven Albtraum.
Sensibel verkörpert von dem österreichischen Burgschauspieler Felix Kammerer, verwandelt sich Paul Bäumer vom verträumten Gymnasiasten in einen dreckverschmierten, emotionstoten Kriegszombie. Als bester Freund an seiner Seite spielt der immer sehenswerte Albrecht Schuch den frechen Analphabeten Kat, der sich auf der Latrine die Briefe seiner Frau vorlesen lässt.
Pflichtschuldig klappert Berger alle Erzählstationen des Kriegführens ab, vom Lauf der Soldaten über das Schlachtfeld bis hin zum Nahkampf im Schützengraben. Die Bilder sind in formschöne Grau-, Blau- und Brauntöne getaucht und werden von den wuchtigen Metal-Klängen des oscarnominierten Musikers Volker Bertelmann (Künstlername Hauschka) überdeutlich und quälend aufgespießt. So stark der Stilwille des deutschen Regisseurs aber auch sein mag, der gängigen Ästhetik des modernen Antikriegsfilms hat er nichts hinzuzufügen.
Remarques Roman gilt als Beispiel für die Literatur der Neuen Sachlichkeit und zeichnet sich weitgehend durch seinen nüchternen Erzählton aus. Berger wiederum ist ein Mann der krassen Darstellungen: Leichenfetzen, blutende Wunden, aufgerissene Münder, röchelnde Verletzte. Kein Detail, das er der Fantasie seines Publikums überlässt. Zudem beginnen die immer neuen Schlachtsequenzen, so dramatisch inszeniert sie auch sind, über die Zeitspanne von zähen zweieinhalb Stunden zu ermüden.
Ein zentraler Punkt in Remarques Roman ist die Klage um eine verlorene Generation, – selbst dann, wenn sie den Krieg überlebte. Diese Überlegung findet kaum Eingang in Bergers Kriegsgetümmel. Stattdessen hat er mithilfe eines neuen Erzählstrangs eine kleine Geschichtslektion eingebaut. Eine ältere Generation an deutschen Schauspielpromis – Daniel Brühl als Reichstagsabgeordneter, Devid Striesow als kriegsgeiler General – darf beim Abschluss des Waffenstillstands zwischen Frankreich und Deutschland staatstragende Rollen übernehmen. Für Suspense ist gesorgt: Wie viele Soldaten müssen in der letzten Viertelstunde noch ihr Leben lassen, bevor am 11. November 1918 um elf Uhr vormittags der Erste Weltkrieg endet?
„Im Westen nichts Neues“ läuft derzeit im Kino, wird ab 28. Oktober von Netflix auf Kleinformat geschrumpft und geht für die Deutschen ins Oscar-Rennen.
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